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Autor
Christopher Weber, Jonas Block

Keine Erstattung bereits gezahlter Lizenzgebühren im Fall der Nichtigerklärung oder gerichtlichen Feststellung der Nichtbenutzung des lizenzierten Schutzrechts

(EuGH, Urt. v. 07.07.2016, C-567/14; Fortsetzung von EuGH, Urt. v. 12.05.1989, C-320/87 – Ottung)

EuGH
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Christopher_Weber
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Am 07.07.2016 hat der Gerichtshof der Europäischen Union in dem Vorlageverfahren C-567/14 (Cour d'Appel de Paris) einen Tragpfeiler des deutschen Lizenzvertragsrechts bestätigt. Seit über 100 Jahren sind die deutschen Gerichte der Auffassung, dass Lizenzgebühren nicht zu erstatten sind, wenn das lizenzierte Schutzrecht widerrufen wird oder ein Gericht feststellt, dass die Lehre des lizenzierten Schutzrechts nicht benutzt wird (RG Urt. v. 21.11.1914, RGZ 86, 45 – Sprungfedermatratze; BGH GRUR 1957, 595 – Verwandlungstisch; GRUR 2002, 787 – Abstreiferleiste; GRUR, 2005, 935 – Vergleichsempfehlung II).

Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des BGH ist ein Patentlizenzvertrag nicht mit Wirkung ex tunc nichtig, wenn das lizenzierte Patentrecht später wegfällt, insbesondere vernichtet wird, sondern bis zum Zeitpunkt der Vernichtung als wirksam anzusehen. Dies fußt auf dem Gedanken, dass es sich bei einem Lizenzvertrag um ein "gewagtes Geschäft" handelt. Solange das Patent am Markt respektiert wird und Dritte die technische Lehre nicht unentgeltlich nutzen dürfen, erwirbt der Lizenznehmer bis zur Nichtigerklärung eine tatsächliche Nutzungsmöglichkeit und damit eine günstige geschäftliche Stellung, die er ohne den Lizenzvertrag nicht gehabt hätte. Nach Meinung der Gerichte rechtfertigt dieser faktische Vorteil des Lizenznehmers die Aufrechterhaltung der Zahlungsverpflichtung. Daher bleibt der Lizenznehmers für die Vergangenheit verpflichtet, solange die Parteien nichts anderes vereinbart haben (instruktiv LG Düsseldorf, Urt. v. 12.08.2008, 4b O 17/08 – Münzpfandschloss). Im Gegensatz dazu, sehen die Patentgesetze bzw. Rechtsprechung einiger EU-Mitgliedstaaten (insbesondere solcher aus dem Osten der EU) für den Fall der Nichtigerklärung des lizenzierten Patents eine Erstattungspflicht des Patentinhabers vor. Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch ist meist das Bereicherungsrecht. In einigen Mitgliedstaaten wurden für den Fall des Widerrufs des lizenzierten Patents aber auch ausdrückliche gesetzliche Anspruchsgrundlagen geschaffen, z.T. wird aber auch verlangt, dass der Patentinhaber wusste, dass sein Patent voraussichtlich widerrufen wird bzw. bösgläubig handelte ("bad faith").

Der EuGH verweist in Genentech darauf, dass er bereits in seiner Entscheidung Ottung (Urt. v. 12.05.1989, C-320/87) zu einer ausschließlichen Lizenzvereinbarung festgestellt habe. In Ottung hatte das Gericht festgestellt, dass die Verpflichtung zur Zahlung einer Gebühr, auch nach Ablauf der Geltungsdauer des lizenzierten Patents, den Wert widerspiegeln könne, der nach kaufmännischer Beurteilung den mit dem Lizenzvertrag verbundenen Möglichkeiten der Nutzbarmachung beigemessen wird. Dies gelte insbesondere dann, wenn diese Verpflichtung in einem Lizenzvertrag enthalten sei, der vor Erteilung des Patents geschlossen wurde (Ottung, Rn. 11). Unter solchen Umständen könne, wenn der Lizenznehmer den Vertrag mit einer angemessenen Frist kündigen kann, eine Verpflichtung zur Zahlung von Lizenzgebühren während der gesamten Geltungsdauer des Vertrags nicht in den Anwendungsbereich von Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen (Ottung, Rn. 13). Wenn ein Lizenzvertrag geschlossen werde, bezahle der Lizenznehmer neben der Benutzung der lizenzierten Schutzrechte auch für die Sicherheit, dass seine kommerziellen Verwertungsbemühungen nicht durch Verletzungsklagen des Lizenzgebers beeinträchtigt werden (Genentech, Rn. 40; "freedom to operate"). Solange es dem Lizenznehmer möglich sei, sich jederzeit von dem Lizenzvertrag zu lösen, sei auf der Grundlage von Ottung ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV nicht gegeben.

Der EuGH damit nimmt eine wirtschaftliche Betrachtung der einem Lizenzvertrag zugrunde liegenden Interessen der Vertragsparteien vor und stellt nicht auf den Wortlaut der Vereinbarung ab. Völlig zu Recht lehnt die Kammer einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV auf der Grundlage ab, dass es Genentech schließlich frei gestanden habe, den Lizenzvertrag zu kündigen.

Würde man dem Lizenznehmer für den Fall der Nichtbenutzung bzw. Nichtigerklärung des lizenzierten Schutzrechts einen Erstattungsanspruch gewähren, hätten die Lizenznehmer nach Ablauf des Patentschutzes ein erhebliches Interesse daran, das entsprechende Patent zu vernichten. Der faktische Vorteil am Markt, den der Lizenznehmer während der Laufzeit des lizenzierten Patents erlangt hat, bliebe dann unberücksichtigt. Eine Kondiktion über das Bereicherungsrecht wäre nicht zielführend, da die Darlegungs- und Beweislast für den kaum zu beziffernden faktischen Marktvorteil des Lizenznehmers ("erlangtes Etwas") beim Patentinhaber läge. Der Patentinhaber hat hingegen keine rechtliche Handhabe gegen die Rechtsbestandsangriffe seines einfachen Lizenznehmers, dem dieses Recht gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. b) TT-GVO nicht durch vertragliche Abrede genommen werden darf.

In der Gesamtschau gerät somit die vertragliche Risikoverteilung in Schieflage: Der Lizenznehmer genießt eine Vorzugsposition am Markt während der Lizenzgeber erst nach Ablauf des letzten lizenzierten Patents Gewissheit darüber hat, ob er die erhaltenen Zahlungen behalten darf. Dies dürfte Patentinhaber vor einer zügigen Reinvestition in Forschung und Entwicklung abschrecken. Schließlich würden die Lizenznehmer ihre Nichtigkeitsklagen vermutlich erst am Ende der Patentlaufzeit erheben, um ihre Marktposition möglichst lange zu nutzen. Dies läuft dem Gedanken der Nichtigkeitsklage bzw. des Einspruchs zuwider: Durch den Rechtsbestandsangriff soll das durch das Patent vermittelte Monopol zu Fall gebracht werden. Ein mit dem zeitlichen Ablauf des Patents geführte Rechtsbestandsangriff läge somit nicht mehr im öffentlichen Interesse an der Freigabe der Technologie, sondern allein im Interesse des Lizenznehmers an der Gebührenerstattung.

Die Leitentscheidung des EuGH trägt daher den Interessen der Vertragsparteien und der Öffentlichkeit angemessen Rechnung und dürfte insbesondere die forschende Industrie beruhigen.


Kather-Augenstein
40474 Düsseldorf
Deutschland


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