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TU-Studenten fliegen für Tests ihres Raumfahrt-Experiments nach Schweden
Der Versuch soll Anfang 2025 mit Höhenforschungsrakete abheben
Im Rahmen des europäischen Programms REXUS (Rocket Experiments for University Students) werden vom 5. bis 9. Februar 2024 sechs Studenten der TU Berlin für Training und Tests zum Esrange Space Center in der Nähe der schwedischen Stadt Kiruna fliegen. Ein Team des Raumfahrtvereins „BEARS e.V.“ (Berlin Experimental Astronautics Research Student Team) an der TU Berlin hatte sich erfolgreich bei REXUS beworben. Dieses studentische Raumfahrtprogramm wird getragen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der schwedischen Raumfahrtagentur SNSA. Nach dem Training in Kiruna muss das Team innerhalb eines Jahres eine flugfähige Version seines Versuchs erstellen. Dabei geht es um neuartige Treibstofftanks für Raketen, die mit Hilfe von 3D-Druck hergestellt werden. Insgesamt neun Teams werden ihre Experimente Anfang 2025 in Nord-Schweden mit zwei Höhenforschungsraketen Richtung All schießen und dort für etwa drei Minuten Versuche unter Schwerelosigkeit durchführen.
„Die Raumfahrtbranche ist einerseits sehr innovativ, gleichzeitig aber auch sehr konservativ. Denn weil alles so viel Geld kostet, neigt man gerne dazu, an funktionierenden Lösungen nichts zu ändern“, sagt Matteo Grube, Master-Student der Luft- und Raumfahrttechnik. Preiswerte studentische Projekte könnten hier Innovationen anschieben, die für die Weiterentwicklung der Raumfahrt insgesamt relevant sind. So wie bei dem Projekt, mit dem sich das Team der TU Berlin beim REXUS-Programm beworben hat: Mit Hilfe von 3D-Druck produzierte Treibstofftanks, die sowohl die Fertigung vereinfachen wie neue Designs möglich machen.
Treibstoff in der Schwerelosigkeit muss gebändigt werden
Flüssiger Treibstoff im Tank einer Rakete verhält sich beim Eintritt in die Schwerelosigkeit plötzlich ganz anders, als wenn er von der Gravitation Richtung Erde gezogen wird. Das freie Schweben der Flüssigkeit könnte sowohl zu Problemen bei der Lagekontrolle von Raketen und Satelliten führen wie auch dazu, dass der Treibstoff nicht mehr optimal am Tankausgang Richtung Raketenmotor fließt. „Bisher sorgen hier eingeschweißte Bleche oder Hohlprofile für Abhilfe“, erklärt Grube. Diese Strukturen werden „Propellant Management Devices“ (PMDs) genannt. „Wir wollen nun verschiedene neue Designs für die PMDs testen, die nur mit Hilfe von additiven Fertigungsverfahren hergestellt werden können.“ Erst vor gut zehn Jahren wurde der 3D-Druck auch für Metalle etabliert. Hier schmilzt ein Laserstrahl punktuell Metallpulver auf und lässt so jede beliebige dreidimensionale Form entstehen.
Sechs unterschiedliche Formen für Treibstofftanks werden getestet
Nun tüftelt das seit den ersten Treffen im Sommer 2023 auf insgesamt zehn Personen angewachsene Studierendenteam nicht nur an den möglichen Formen für die PMDs, von denen insgesamt sechs verschiedene in der REXUS-Höhenforschungsrakete getestet werden können. „Wir sind auf der Suche nach geeigneten Anlagen für das Laser-Schmelzen von Metallen sowohl mit der Industrie wie auch mit verschiedenen Universitäten in Kontakt“, erzählt Grube. Außerdem muss die Testumgebung für die Treibstofftank-Modelle ausgearbeiteten werden. Sechs Kameras sollen dabei die Tanks beobachten, die für die Versuche einfach mit Wasser gefüllt werden, das mit einem fluoreszierenden Stoff versetzt ist. Damit das Verhalten des Wassers auch gefilmt werden kann, muss die Außenhülle der Tanks aus Plexiglas gefertigt werden.
Rigoroser Testfahrplan bis zum Start im März 2025 in Schweden
„Wir sind sehr froh, dass nun so viele Studenten aus dem Team zur Raketenbasis ‚Esrange Space Center‘ fliegen können, wo auch in gut einem Jahr die REXUS-Rakete abheben wird“, sagt Benedict Grefen vom Fachgebiet Raumfahrttechnik der TU Berlin, der das studentische Team betreut. „Wir sind der Gesellschaft von Freunden der TU Berlin sehr dankbar, dass sie zusätzlich zu den vier im REXUS-Programm vorgesehenen Plätzen zwei weiteren Studenten diese Reise ermöglichen konnte.“ Das Team wird dort zum einen die Startvorrichtungen und die Höhenforschungsrakete kennenlernen und Sicherheitseinweisungen bekommen. Vor allem aber werden die Studenten ihr experimentelles Konzept verschiedenen Expert*innen präsentieren und wertvolles Feedback bekommen.
„Danach folgt ein recht straffer Zeitplan bis zum Start der Raketen im März oder April 2025. Die Studierenden werden weitere Reviews durchlaufen müssen, zum Teil beim DLR in Oberpfaffenhofen und beim Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) in Bremen, aber auch ein bis zwei Reviews bei uns im Haus“, erzählt Benedict Grefen. „Dabei wird das Experiment auf Herz und Nieren geprüft, damit es dann im Flug zuverlässig funktioniert.“
„WOBBLE2“-Team ist multidisziplinär aufgestellt
Matteo Grube sieht diesem Stress zusätzlich zu seinem Studium gelassen entgegen. Von seinen Kolleg*innen wurde er zum Leiter des Teams gewählt, das sich das Akronym „WOBBLE2“ gegeben hat, was für „Weightless Observation of Fluid Behaviour with Berlin Liquid Guidance Experiment“ steht. Die Ziffer 2 deutet an, dass die Idee mit den neuen Tankdesigns bereits in einem anderen Wettbewerb beinahe zum Zuge gekommen wäre – damals wurde ein Experiment gesucht, das der deutsche Raumfahrer Matthias Maurer dann mit ins All nahm. Grube ist sich auch deshalb so sicher, dass sein Team die anstehenden Aufgaben gut meistern wird, weil es fachlich sehr breit aufgestellt ist. „Wir haben neben den Luft- und Raumfahrttechniker*innen auch Leute aus der Informatik, dem Maschinenbau und dem Bauingenieurwesen mit an Bord“, sagt Matteo Grube. „Sogar ein Erasmus-Student aus Norwegen ist mit dabei.“
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