- Visualisation
Welches Nebelfluid eignet sich für die Strömungsvisualisierung nach GMP-Annex 1?
Das perfekte Nebelfluid gibt es nach wie vor nicht. Pharmaunternehmen, die Strömungsvisualisierungen in kritischen Reinraumbereichen durchführen bzw. durchführen lassen, finden in diesem Whitepaper fundierte Informationen, um das für den konkreten Anwendungsfall geeignete Nebelfluid auszuwählen. Hilfreich dürfte auch der Vergleich zwischen Strömungsvisualisierung mittels Nebel und CFD sein.
Einleitung
Der Anhang 1 zum GMP-Leitfaden 1) (nachfolgend als neuer Annex 1 bezeichnet) ist im August 2022 neu erschienen. Die alte Fassung von 2008 wurde umfassend über alle Themengebiete hinweg überarbeitet. Daraus ergeben sich neue Anforderungen an die Reinraumbetreiber. Die Strömungsvisualisierung hat durch die Überarbeitung eine sehr viel größere Bedeutung gewonnen und wird daher auch bei GMP-Inspektionen stärker in den Fokus gerückt.
Die neuen Anforderungen an die Strömungsvisualisierung und wie man bei einer Strömungsvisualisierung vorgeht, wurden bereits in zwei Whitepaper des STZ EURO beschrieben 2). Im vorliegenden Whitepaper wird erörtert welches Nebelfluid für die Strömungsvisualisierung von TAV-Bereichen geeignet ist 3). Dabei werden auch die Nebelgeneratoren und die Nebelzuführsysteme mitbetrachtet. Grundlage der nachfolgenden Ausführungen ist eine Abschlussarbeit an der Hochschule Offenburg 4). Die Visualisierungen mit Nebel wurden im Rahmen dieser Arbeit an einer TAV-Einheit (Flowbox) des STZ EURO durchgeführt. Das 3D-Modell einer Bördeleinheit wurde von einem Pharmaunternehmen bereitgestellt. Die CFD-Simulation erfolgten mit ANSYS Fluent unter Verwendung der Hard- und Software des STZ EURO.
In der VDI 2083 Blatt 3 findet man allgemeine Hinweise zu den Prüfsubstanzen und zum Prüfequipment (siehe Tabelle 1) 5).
Übliche Nebelfluide
– Wassernebel wird meist mittels Ultraschallgeneratoren aus Reinstwas-ser erzeugt. Das erzeugte Tröpfchenspektrum liegt im Bereich von 2 bis 13 µm 6). Die Wassertröpfchen werden im Nebelgenerator einem Luftstrom beigemischt. Im Luftstrom verdunsten die Wassertröpfchen aufgrund des relativ hohen Dampfdruckes von Wasser relativ schnell. Die Energie für die Verdunstung wird der Luft entzogen. Die Luft kühlt sich dadurch ab (siehe Abbildung 1) und die Luftdichte steigt.
– Das Nebelfluid wird mittels eines Verdampfers auf ca. 320°C erhitzt und danach mit Raumluft gemischt 7). Dabei entstehen Tröpfchen von 0,5 µm bis 2 µm 7). Diese Aerosole haben im Vergleich zu Wasser einen deutlich geringeren Dampfdruck und halten sich daher länger im Luftstrom, ohne zu verdunsten. Da am Austritt des Nebelgenerators im Verhältnis zur verdampften Flüssigkeit sehr viel Raumluft beigemischt wird, ergibt sich ein nahezu isothermer Nebel.
Anmerkung:
Darüber hinaus sind komplexe (rechnergestützte) Visualisierungsmethoden (z.B. Particle Image Velocimetry (PIV), 3-D-Geschwindigkeitsmessung mit Positions- und Lageerfassung, hintergrundorientierte Schlierenmethode) möglich 8).
Vergleich der Prüfsubstanzen Wasser und Nebelfluid Extra Clean (Testergebnisse)7
Für die im STZ EURO erstellte Abschlussarbeit wurde ein Ultraschall- Nebelgerät und das zugehörige Equipment mit einem Verdampfungsnebelgerät verglichen 4). Es wurde dazu ein Ultraschall-Nebelgerät mit besonders kleiner Bauform von der Firma CCI – von Kahlden GmbH (Handy FOG) verwendet, um die Störeinflüsse auf die Strömung möglichst gering zu halten. Für das Verdampfungsnebelgerät (Tiny CX) kam das Spezialequipment des STZ EURO zum Einsatz. Zusätzlich zur Strömungsvisualisierung wurde als Referenz eine CFD-Simulation für den Testaufbau erstellt.
Test 1 – Visualisierung der Grundströmung
Die einzelnen Stromfäden sind bis zum Boden hin sichtbar. Sie laufen nahezu parallel und haben eine geringe Turbulenz. Der mittels Stromfadenlanze und Nebelfluid Extra Clean visualisierte Strömungsverlauf stimmt sehr gut mit dem mittels CFD berechneten Strömungsverlauf überein, besonders auch im relevanten Strömungsbereich nahe des Glasfläschchens (Vial) siehe Abbildung 3. Bei der Strömungssimulation sind mehr Details zu erkennen, weil die Stromlinien entsprechend der Luftgeschwindigkeit eingefärbt und daher auch vor weißem Hintergrund gut sichtbar sind.
Bei der Visualisierung mittels einfacher zylindrischer Lanze und Wassernebel (im rechten Bild) sind auch einzelne Stromfäden zu erkennen. Bedingt durch die Geometrie der Lanze führt bereits die Nebeleinbringung in die Luftströmung zu Verwirbelungen. Der Nebel ist bereits nach einer kurzen Lauflänge von ca. 40 cm so stark verdünnt, dass man die Strömungsverhältnisse im Bereich des Vials (siehe Abbildung 3) nicht mehr vollständig erkennen kann.
Test 2 – Visualisierung von Wirbelgebieten
Durch Nebelaufgabe am Boden der Flowbox wird das Wirbelgebiet, das sich zwischen Wand und Bördelstation ausbildet, sichtbar (siehe Abbildung 4). In diesem Wirbelgebiet steigt der Nebel nach oben. Abhängig von der Art des Nebels und der Nebelzuführung ergeben sich dabei unterschiedliche Aufstiegshöhen des Nebels. Der Nebel muss dabei impulsarm zugeführt werden, um das Strömungsverhalten der Luft nicht zu beeinflussen. Im linken und mittleren Bild mit impulsarmer Nebelaufgabe, erkennt man, dass der Wassernebel deutlich weniger aufsteigt. Im rechten Bild, ebenfalls mit Wassernebel, aber großem Impuls, wird zufällig fast die Aufstiegshöhe wie im linken Bild erreicht, siehe auch Tabelle 2. Nach VDI 2083 Blatt 35 soll die Nebelzugabe impulsarm erfolgen. Daher wäre die im rechten Bild von Abbildung 4 dargestellte Visualisierungsmethode nicht zulässig.
Test 3 – Visualisierung der Nebelaufstiegshöhe
siehe Tabelle
Test 4 – Visualisierung der Nebelausbreitung in den Wirbelgebieten
Abschließend wurde die Nebelausbreitung in den Wirbelgebieten analysiert und dazu der Nebel impulsarm am Boden aufgegeben, so dass die vorhandenen Wirbelgebiete entlang der Rückwand der Flowbox mit Nebel angereichert wurden (siehe Abbildung 5). Man erkennt, dass die Nebelausbreitung mittels Nebelfluid Extra Clean (linkes Bild) gut mit der Simulation (mittleres Bild) übereinstimmt. In allen Bereichen (A bis E) ist der Nebel sichtbar. Bei der Visualisierung mittels Wassernebel (rechtes Bild) ist nur im Bereich C Nebel erkennbar. Die Strömung und damit die Nebelausbreitung in den Bereichen D und E ist durch das Gehäuse des Nebelgenerators blockiert. Durch die impulsarme Nebelaufgabe ist auch in den Bereichen A und B des rechten Bilds kein Nebel zu erkennen (vergleiche Abbildung 4, Mitte).
Fazit
– Es wurde eine gute Übereinstimmung der CFD-Simulation mit dem Experiment unter Verwendung des Nebelfluids Safex® Extra Clean F&D erreicht.
– Voraussetzung dafür ist, ein für die Nebelaufgabe geeignetes Equipment (Baugröße, Impuls), das die Strömungsverhältnisse nicht verfälscht.
– Bei der Verwendung von Wassernebel zeigte sich keine Übereinstimmung mit der Simulation.
– Nebel auf Basis von geeigneten Nebelfluiden, vergleichbar mit dem oben genannten, ist für die Visualisierung in beengten TAV-Bereichen, wie zum Beispiel Isolatoren, in Verbindung mit geeignetem Equipment aus strömungstechnischer Sicht uneingeschränkt verwendbar.
– Wassernebel ist für die Visualisierung in beengten TAV-Bereichen in Verbindung mit dem verwendeten Equipment nur bedingt geeignet.
– Die Strömungsvisualisierung im GMP-Umfeld dient als Nachweis gegenüber den Behörden, dass die Strömungsverhältnisse den Anforderungen des Annex 1 entsprechen. Daher ist eine Visualisierung, die die tatsächlichen Strömungsverhältnisse wiedergibt, von besonderer Bedeutung.
– Die CFD-Simulation kann bereits in der Designphase dazu beitragen, dass die Reinluftsysteme die strömungstechnischen Anforderungen erfüllen. Dadurch werden Abweichungen bei der Strömungsvisualisierung im Rahmen der Qualifizierung vermieden. Dies spart Zeit und Kosten.
Quellen:
1) The Rules Governing Medicinal Products in the European Union Volume 4 EU Guidelines for Good Manufac-turing Practice for Medicinal Products for Human and Veterinary Use, Annex 1, Manufacture of Sterile Medicinal Products GMP = Good Manufacturing Practice.
2) STZ EURO: Veröffentlichun-gen Whitepaper, stz-euro.de/veroeffentlichungen/?_sfm_ type=Whitepaper.
3) Bereiche mit turbulenzarmer Verdrängungsströmung (TAV), oft auch als Laminarflow bezeichnet.
4) P. Moschberger: Vergleich der experimentell und numerisch bestimmten Strömungsverhältnisse in einem Reinluftsystem mit turbulenzarmer Verdrängungsströmung, Februar 2023.
5) VDI 2083 Blatt 3: Reinraumtechnik Messtechnik, August 2022.
6) Andreas Kaupp; Dietmar Thierer: Untersuchung zum Verhalten von Tracerteil-chen bei Strömungsbedingungen wie sie in Reinräumen vorherrschen. Diplomarbeit, August 1996.
7) Günther Schaidt Safex Chemie GmbH: Datenblatt Nebelfuid Safex® Extra Clean F&D. Januar 2020.
8) N. Otto, M. Kuhn: Reinraummesstechnik. Die wichtigsten Änderungen der vollständig überarbeiteten Richtlinie VDI 2083 Blatt 3. TechnoPharm 12, Nr. 2, 92–101 (2022).
Autor
Dipl.-Ing.(FH) Michael Kuhn leitet zusammen mit Benjamin Pfändler das Steinbeis-Transferzentrum Energie-, Umwelt- und Reinraumtechnik (STZ EURO) in Offenburg.
Er hat als Vorsitzender die Richtlinien VDI 2083 Blatt 19 (Reinraumdichtheit) und VDI 2083 Blatt 4.2 (Energieeffizienz) mit erarbeitet. Zuletzt hat er die neue VDI 2083 Blatt 3 mit auf den Weg gebracht. Bis 2019 war er Lehrbeauftragter für Reinraumtechnik und Lüftungstechnik an den Hochschulen Offenburg und Nordwestschweiz. Zudem ist er als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Luft- und Klimatechnik, ins-besondere Reinraumtechnik tätig.
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