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Gerhard Koblenzer
Ein Reinraum allein macht nicht sauber
Industrielle Reinigungstechnik im High Purity-Umfeld
Wenn’s um Industrielle Reinigungstechnik geht, wird inzwischen auch immer häufiger über Anwendungen vor oder in Reinräumen gesprochen – und das nicht nur in den Medizin- und Halbleiter-Segmenten. Es entsteht jedoch manchmal der Eindruck, allein die Kombination einer Reinigungsanlage mit einem Reinraum würde die Lösung für die stetig steigenden Anforderungen an den Grad der Technischen Sauberkeit liefern. Dem ist nicht so. Ein Reinraum allein macht nicht sauber. Er ist lediglich Bestandteil einer komplexen Gesamtkonzeption.
Die Branche befindet sich im Wandel. Wenngleich manche Reinigungslösungen derzeit noch ausreichend zu sein scheinen, gelangen sie sukzessive an die Grenze ihrer Fähigkeiten, da sie bestimmte logisch-analytische Ansätze nicht beachten. Bedeutet im Klartext, wenn sie bezüglich ihrer Abläufe und Fähigkeiten nicht auf die Gesamtprozesskette und deren Umgebungsbedingungen unter dem Aspekt der jeweiligen Sauberkeitsspezifikation abgestimmt sind. Und zwar in jedem noch so kleinen einzelnen Schritt.
Veränderung auf allen Ebenen
Um das zu verstehen, hilft ein kurzer Rückblick: Früher gab es zum einen die klassischen Aufgaben, etwa im Umfeld des Maschinenbaus sowie der Powertrain-Automobilindustrie. Und zum anderen die mit höchsten Reinheitsanforderungen, verbunden mit entsprechenden Regularien und Validierungsvorgaben (bei zum Beispiel Medizinprodukten, optischen Systemen und in der Waferfertigung). Doch in den vergangenen Jahren sind diese beiden Stränge der Industriellen Reinigungstechnik quasi zusammengewachsen. Gerade 2019/2020 ist diese Entwicklung durch den strukturellen Umbau in nahezu allen Industriebereichen weltweit rasant vorangeschritten. Das führt dazu, dass sich die ganze Branche inzwischen mit den neuen technologischen Anforderungen auseinandersetzen muss und gemeinsam mit den Anwendern nach Orientierung sucht. Manchmal auch in Verbindung mit dem Wunsch nach schnellen Lösungen.
Doch mit schnell ist’s nicht getan. Die neuen Produkte und Fertigungs-Methoden verlangen einen veränderten und auch bewussteren Blick auf die Technische Sauberkeit in allen Produktionsprozessen. Waren in der Vergangenheit beispielsweise Partikel und Fasern im Fokus, dominieren heute unter anderem organisch- oder anorganisch-molekulare oder auch toxische Verschmutzungen mit Auswirkungen auf die Qualität der Umgebungsbedingungen sowie auf die Nachweisverfahren. Zudem hat die geometrische Komplexität der Bauteile im Feinst- und Ultra-Feinstreinigungs-Segment erheblich zugenommen. Des Weiteren variieren die Bauteilgrößen, von Mikro- bis hin zu XXL-Komponenten für die Lithographiesysteme der Halbleiterindustrie. Und handelte es sich einst zumeist um Groß-Serien, so hat man es heute eher mit Klein-Serien oder Einzelteilen zu tun.
Des Weiteren haben sich die Rahmenparameter verändert:
– Die Bauteile sind im Eingangszustand oft um einiges sauberer als die Ausgabequalität bisher bekannter Anwendungen (z. B. in der klassischen Automobilindustrie).
– Die „neuen“ Verunreinigungen sind oft nicht schnell nachweis- oder offensichtlich erkennbar.
– Die Prozessmedien (gasförmig oder flüssig) sowie Umgebungsbedingungen nehmen unmittelbaren Einfluss auf die Qualität des Bauteils im Gesamtprozess und können unter anderem zu einer Re- oder Cross-Kontamination führen.
Anforderungen an Herstellung und Handling
Um den aktuellen Sauberkeitsanforderungen in Herstellung und Handling im High Purity-Umfeld gerecht zu werden, müssen also unerwünschte Verschmutzungen in der Prozesskette möglichst sehr früh und systematisch vor der Endreinigung vermieden werden. In der Umsetzung bedeutet dies, dass neben der Wahl der geeigneten reinigungstechnischen Lösung vor allem die Vorprozesse, die Umweltrahmenbedingungen, die eingesetzten Medien sowie die nachfolgenden Anwendungen gründlich in die Planung einzubeziehen sind. Das setzt ein verändertes Mindset im Umgang mit der Thematik und dann eine entsprechende Gesamtkonzeption voraus. Denn eine schlichte Kombination einzelner technischer Fähigkeiten, wie die Verknüpfung der Reinigungsanlage mit einer Wasseraufbereitung sowie einem „sauberen“ Umfeld, reicht nicht aus. Es ist vielmehr eine feinjustierte Abstimmung der Einzelaspekte gefragt, die zum Ziel hat, am finalen Ort der Verwendung eine reine Oberfläche zu erhalten.
Die Reinigungsanlage an sich ist als Bindeglied zwischen dem Vorprozess und dem Verwendungsort mit geeigneten Umgebungsbedingungen (z. B. im Reinraum oder in einer geeigneten Verpackung) zu sehen. Neben der Herstellung eines höheren Sauberkeitsniveaus hat sie auch die Transferaufgabe, ein Umfeld sukzessiv gestiegener Reinheit in den Folgeschritten unter Vermeidung von Quer- und Re-Kontamination zu gewährleisten. Mit dem zunehmendem Sauberkeitslevel während des Reinigungsprozesses, muss auch die Qualität der Umgebung und der Medien so angepasst werden, dass eine Verschlechterung ausgeschlossen werden kann – bis hinein in den Reinraum. Dieser hat dann die Aufgabe, technisch wie organisatorisch, den erreichten Standard des Bauteils bis an den Verwendungsort aufrechtzuhalten.
In der Praxis
Die Niederlande sind ein wichtiger Standort der europäischen Hochtechnologie. Dort fertigt unter anderem der ASML-Konzern EUV-Lithographiesysteme für die Halbleiterindustrie. Zwei Zulieferer aus diesem Umfeld wandten sich an LPW, da die Umstellung der Produktion vom bisherigen Grade 4 (vergleichbar mit klassischen partikulären Feinreinigungsaufgaben) auf Grade 2 (mit Option auf Grade 1) anstand. Das bedeutet, dass die filmischen und feinstpartikulären Rahmenbedingungen der Feinst- und Ultra-Feinstreinigung mit hohen Anforderungen an die Reinheit der Umgebungsparameter im Vordergrund stehen.
Beim Kunden LowersHanique ging es um hochwertige Glas- und Metallbauteile. Bei der Firma AAE um eine Vielzahl von Strukturbauteilen (im Wesentlichen Aluminium) mit großer Teilevarianz und immenser Komplexität. Im zweiten Fall lag der Fokus auf schwierigen geometrischen Ausformungen, Durchgangs- und Sacklochbohrungen mit Durchmessern von 2 bis 6 mm (mit und ohne Gewinde) sowie empfindlichen Oberflächen. Beide Kunden wollten im ersten Schritt prüfen, ob die Reinigungsqualität ohne Beschädigung der Bauteile möglich ist und wie Re- oder Crosskontaminationen vermieden werden können. Vorversuche bei anderen Anlagenherstellern hatten diesbezüglich bislang zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis geführt.
Wie also vorgehen? Von Anfang an fand ein intensives Co-Engineering statt. Projekte dieser Art sind für beide Seiten keine Selbstläufer und benötigen tiefgreifende Diskussionen über unter anderem die Prozesse, die Materialen und deren Eigenschaften, das Handling und die Bewertung der Qualität. Jeder einzelne Reinigungs-Schritt, also Waschmechanik, Spülen und gerade auch die Trocknung, ist auf seine positiven sowie negativen Einflüsse auf das geforderte Ergebnis zu testen und zu bewerten. Hinzu kommt die Anbindung an die Vor- und die Folgeprozesse. Der Übergang in den Reinraum muss geplant werden. Und das lange bevor es zu einer tatsächlichen Kaufentscheidung kommt. Voraussetzung ist somit Offenheit sowie Vertrauen in die handelnden Personen und deren Umfeld. Es geht vordergründig um eine neue Reinigungsanlage, tatsächlich jedoch um die Umsetzung höherer Qualitätslevel in der Produktion.
Nach den intensiven Versuchen im reinraumbasierten Test- und Dienstleistungszentrum (TDZ) von LPW samt Lohnreinigung sowie der Konzeption aufgabengerechter Gesamtprozesse, erteilten LowersHanique und AAE schließlich ihre Aufträge. Für beide Firmen wurden kundenspezifische Lösungen umgesetzt. Doch die Transferaufgabe war bei beiden Projekten schlussendlich dieselbe: den geforderten Grad an Sauberkeit für die nachfolgenden Reinraumanwendungen herzustellen, unter stetiger Reduzierung äußerer Einflüsse durch die Umgebungsbedingungen und der eingesetzten Medien (Luft, Wasser, Chemie).
Die Aufgaben von morgen
Anlagensysteme haben bereits heute die Aufgabe, den Transfer in der beschriebenen Form zu gewährleisten. Zukünftig werden sie jedoch noch viel mehr für die Qualität der Vorprozesse (Schwankungen in Art und Menge der Verunreinigung), der eigenen Prozesse (Reini-gen/Spülen/Trocknen) sowie die relevanten Umgebungsparameter Sorge tragen müssen. Dies gelingt durch ein qualitätsorientiertes charchenbezogenes Monitoring, laufende Überwachung und Dokumentation. Abweichungen sind unmittelbar zu melden und im Idealfall werden sofort Korrekturmaßnahmen eingeleitet. Durch den Bediener/Qualitätsverantwortlichen oder auch in definierten Grenzen durch das System selbst.
LPW stellt sich diesen High Purity-Aufgaben bereits seit über 15 Jahren und zählt zu den Pionieren in diesem Umfeld. Die Feinst- und Ultra-Feinstreinigung komplexer Geometrien bildet eine der Kernkompetenzen, entsprechende Anlagen finden sich bei Anwendern weltweit. Neben den geeigneten Systemen verfügen die Riedericher Spezialisten auch über die Peripherie zur Sicherstellung der Transferaufgabe. Hierfür wurde 2019 eigens das reinraumbasierte Test- und Dienstleistungszentrum (TDZ) eingerichtet, in welchem das LPW Applikations Engineering-Team, bestehend aus Technikern und Ingenieuren, Kunden in der Umsetzung und Optimierung ihrer Prozesse unterstützt. Des Weiteren findet dort die Arbeit an Forschungs- und Entwicklungsprojekten statt. Auch unter Reinraum-Bedingungen. Denn wenngleich ein Reinraum allein nicht sauber macht, so stellt er sicher, dass nach einem auf die Anforderungen abgestimmten Gesamtprozess das mühsam erarbeitete Ergebnis sicher an den Ort seiner eigentlichen Verwendung kommen kann.
Infokasten: Anforderungen gestern und heute
Bisher lag der Fokus in der zerspanenden Industrie zumeist auf partikulären Verunreinigungen (metallisch/nichtmetallisch), auf Fasern und auf Öl- und Emulsionsrückständen. Die Prüfung erfolgte bei Partikeln und Fasern über das Gewicht (Gravimetrie) oder über die Größe im Rahmen einer Mikroskopanalyse. Bei Ölen und Fetten in der Regel über die Oberflächenspannung oder die Fluoreszenzmessung.
Heute geht es unter anderem um organisch-anaorganische Rückstände, pigmentartige Verunreinigungen, allgemeine filmischen Kontaminationen, toxische und biologische Rückstände oder auch um Verschmutzung auf molekularer/atomarer Ebene. Diese können auf der Oberfläche oder in den oberen Schichten des Bauteils auftreten. Dadurch verändern sich auch die Analyseverfahren zur Sauberkeitsbestimmung. Im Fachjargon wird etwa von Ausgasraten, bei Keimen von Wachstumsraten und in manchen Fällen von Analysemethoden wie XPS, ATR/FTIR, TOF-SIMS, gesprochen. Allerdings kann auch die UV-Lichtanalyse die erforderlichen Informationen zur qualitativen Bewertung liefern.
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