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COMPAMED 2023 im Spannungsfeld zwischen Top-Innovationen und Regularien - Trendvorschau
Zulieferbereich der Medizintechnik-Industrie präsentiert sich im „High-Performance-Modus“
Wer sich von der Leistungsfähigkeit des Zulieferbereichs der Medizintechnik-Industrie überzeugen will, für den ist die Reise zur international führenden Branchenplattform COMPAMED in Düsseldorf ein Muss. Vom 13. – 16. November 2023 demonstrieren hier in den mit mehr als 700 ausstellenden Unternehmen aus rund 40 Nationen komplett ausgelasteten Messehallen 8a und 8b sowie gegliedert in fünf Erlebniswelten ihr besonderes Knowhow und viele Neuheiten für den Einsatz in der Medizintechnik, in Medizinprodukten und der medizintechnischen Fertigung. Wie immer geschieht dies thematisch passend in fester Parallelität zur mit mehr als 5.000 Beteiligungen aus 70 Staaten weltführenden Medizinmesse MEDICA. Die fünf Erlebniswelten sind: Manufacturing & Devices (u. a. Komponenten, Bauteile, Fertigungsverfahren), Services & Advice (z. B. Forschung, Entwicklung, Dienstleistungen), Materials (u. a. Kunststoffe, Glas, Keramik, Metalle, Verbundwerkstoffe, Klebstoffe, Verpackungen), Micro Tech (wie Mikrokomponenten, Mikrofluidik) sowie IT in Tech (Software-Entwicklung und Wartung für die Medizintechnik).
In diesen Erlebniswelten wird dem Fachpublikum neben vielen Innovationen auch spannendes Bühnenprogramm geboten durch zwei seit Jahren fest etablierte Programmformate: das COMPAMED HIGH-TECH FORUM by IVAM und das COMPAMED SUPPLIERS FORUM by Devicemed. Das vom Fachverband für Mikrotechnik IVAM organisierte Forum gibt (in Halle 8a) an allen Tagen mit internationalen Vorträgen einen Einblick in Forschung und Entwicklung der in der Fachmesse ausgestellten Verfahren und Produkte, erläutert Technologietrends der Branche und übermittelt Informationen zu den relevanten Auslandsmärkten für Medizintechnik. Auch das vom Fachmedium Devicemed ausgestaltete Forum begleitet die COMPAMED an allen vier Tagen und zeigt aktuelle Entwicklungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette in der Medizintechnik auf (in Halle 8b). „Besonders das Thema `Elektronik in der Medizintechnik´ stößt in diesem Jahr auf großes Interesse“, benennt Marc Platthaus, Chefredakteur der Devicemed, einen der diesjährigen Schwerpunkte.
Embedded systems, Schrittmacher für moderne Medizintechnik
Einen Einblick in aktuelle Entwicklungen auf Hightech-Niveau in diesem Gebiet gibt Dieter Müller mit seinem Forum-Vortrag, der den Titel „What ist the importance of embedded software and electronics in medical technology?“ trägt. Der Experte für Medical Engineering ist Senior Business Development Manager bei Akkodis, einem weltweit agierenden Entwicklungsdienstleister, und erläutert an mehreren Beispielen, zu welchen Leistungen “embedded Systems” moderner Medizintechnik heute verhelfen. So hat die Firma Aesculap unter der Bezeichnung OrthoPilot Elite ein computergestütztes Navigationssystem entwickelt, das den Operateur bei Hüft- und Knieoperationen unterstützt. Dank der hohen Genauigkeit der Methode bei der Ausrichtung der Implantate wird die Voraussetzung für ihre Lebensdauer und Funktionen erreicht. Positiv für den Patienten: Der OrthoPilot kommt ohne zusätzliche Voruntersuchungen durch Röntgenbilder oder CT-Aufnahmen aus, eine zusätzliche Strahlenbelastung wird vermieden. Das System besteht als Einheit aus einem Computer, dazugehörender Tastatur und Maus, einem Bildschirm, einer Kamera und optischen Markern. Auf dieser Grundeinheit wird die Software für die Berechnung der Navigation verwendet, wobei es unterschiedliche Ausführungen für verschiedene Operationen gibt. Mithilfe der optischen Marker, die an den Instrumenten und am Körper befestigt sind, wird während der Operation ständig die Position der Instrumente ermittelt. Durch die unterschiedlichen Positionen der Marker kann die Software ein räumliches Bild berechnen und während der OP ständig die exakte Lage der Instrumente und des Gelenks anzeigen. Dadurch wird ein exakter Einbau der Implantate ermöglicht. Heute ist der OrthoPilot tägliche Routine bei über 1.500 Chirurgen weltweit, bislang wurden mehr als 300.000 Operationen mit der speziellen Navigation durchgeführt.
Welche Bedeutung die medizinische Elektronik heute bereits besitzt, lässt sich auch in Zahlen fassen. Nach Berechnungen des Marktfoschungsunternehmens Research an Markets betrug das Volumen für medizinische Elektronik 2021 6,30 Milliarden US-Dollar und wird im Prognosezeitraum bis 2030 voraussichtlich eine durchschnittliche jährliche Umsatzwachstumsrate von 8,3 Prozent erreichen. Der zunehmende Einsatz medizinischer Elektronik in den Bereichen Bildgebung, Screening, Therapie und Intervention ist ein wichtiger Treiber des Wachstums. Die amerikanischen National Institutes of Health (NIH) geben an, dass die Implementierung künstlicher Intelligenz (KI) in der Gesundheitsbranche die jährlichen Gesundheitskosten bis 2026 um 150 Milliarden US-Dollar senken könnte.
„Europe meets USA“ – COMPAMED HIGH-TECH FORUM thematisiert Best Practices einer engen Freundschaft
Auch das ebenfalls englischsprachige COMPAMED HIGH-TECH FORUM setzt mit seiner Schwerpunktsetzung auf Themen, die die Branche aktuell besonders bewegen: „Scale Up, don’t Screw Up: Design for Manufacturing in Printed Electronics and 3D Printing“, „Smart Sensor Solutions“, „Europe meets USA: High-Tech for Medical Devices“, „Laser & Photonic Applications“ sowie „Microfluidics“. Dieses Thema wird in zwei Sessions behandelt, die mit „Integration and Combination of Microfluidic Components Generating Solutions for Life Sciences” und “Microfluidic-based Diagnostic and Life Science Consumables - From Idea to Viable Product” betitelt sind.
Zu den Highlights des Forums zählt erneut die Internationalisierungs-Session „Europe meets USA - High-Tech for Medical Devices“. Nach der erfolgreichen Premiere im letzten Jahr wird diese Vortragsreihe fortgesetzt, die gezielt die Zusammenarbeit im Bereich der Medizintechnik zwischen Komponenten- und Geräteherstellern sowie Anwendern aus Europa und den USA fördern soll. Besonders die Verbindung zu den Medizintechnikfirmen, die auf der benachbarten MEDICA ausstellen, sorgte im letzten Jahr für fachliche Breite und effektive Kontaktanbahnung. Die Session wird am 14.11. ganztägig für Messepublikum von MEDICA und COMPAMED angeboten und mit einem internationalen Networking abgerundet. Inhaltlich besonders interessant sind weiterhin die erste Session (Scale Up, don't Screw Up: Design for Manufacturing in Printed Electronics and 3D Printing) in der das finnische VTT mit Partnern stets brandaktuelle Highlights aus der Forschung präsentiert, sowie die „Hands-on-Session“ zum Thema „Mikrofluidik“, die am Mittwochnachmittag (15.11.) stattfinden wird.
Gemeinschaftsstand des IVAM – die Vielfalt der Mikrotechnik
Der Gemeinschaftsstand des IVAM umfasst in diesem Jahr 48 Beteiligungen aus Industrie und Forschung, die elf Nationen repräsentieren (Deutschland, Schweden, Frankreich, Griechenland, Schweiz, Niederlande, Taiwan, UK, USA, Japan Finnland). „Es freut uns, dass auch die asiatischen Firmen nach den Pandemiejahren jetzt wieder dabei sind“, betont Dr. Thomas R. Dietrich, CEO des IVAM. Vor Ort gibt es erneut vielfältige miniaturisierte Komponenten (mikroelektronisch, optoelektronisch, mikrooptisch, mikrofluidisch), Sensoren, Aktoren und Sensorsysteme, Mikropumpen, Beschichtungen, smarte Textilien sowie Fertigungs- und Bearbeitungsverfahren zu sehen. Zu den Highlights der IVAM-Fläche dürfte auch in diesem Jahr wieder das junge Medizintechnik-Unternehmen CorTec (aus Freiburg) zählen mit modernster Technologie für die nächste Generation aktiver Implantate, welche die Kommunikation mit dem Nervensystem zur Heilung von Krankheiten ermöglicht. CorTec ist spezialisiert auf Implantate zur Langzeitaufzeichnung und Stimulation neuronaler Aktivität.
Starke Fraunhofer-Beteiligung auch bei der COMPAMED
Nicht nur bei der parallelen MEDICA, sondern auch immer stärker vertreten bei der COMPAMED, ist die Fraunhofer-Gesellschaft. Die weltweit führende Organisation für anwendungsorientierte Forschung liefert Ideen und Entwicklungen für die Medizintechnik, die Gesundheit bezahlbar machen und innovative Behandlungsansätze ermöglichen soll. Die gezeigten Themen umfassen Werkstoffentwicklungen für die Medizin- und Oberflächentechnik, schnell herstellbare und kostengünstige Lab-on-a-Chip-Systeme und Innovationen im Bereich der Ultraschallbildgebung sowie der gedruckten 3D-Mikro- und Makrooptiken. Nanotinten für die Medizintechnik, Knochenersatzmaterialien und In-vitro-Testsysteme runden das Angebot am Fraunhofer-Messestand ab. Hier präsentieren sieben Fraunhofer-Institute und -Einheiten ein breites Spektrum an Forschungsprojekten und -ergebnissen (Halle 8a, Stand G10).
Bessere Heilung bei Knochenbrüchen
Dazu zählt etwa das Projekt SCABAEGO, das die Heilung von Knochenbrüchen ohne Komplikationen zum Ziel hat. Nach Knochenbrüchen und anschließender stationärer Behandlung in der Klinik treten bei vielen Patientinnen und Patienten in der Heilungsphase noch Komplikationen auf. Darunter Pseudoarthrosen oder Knochendefekte. Für die Betroffenen ist dies eine große Belastung, zumal die Heilung deutlich länger dauert. Für Krankenhäuser und das gesamte Gesundheitswesen entstehen Mehraufwand und enorme Kosten.
Das Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM hat hierfür gemeinsam mit der Firma BellaSeno und der Universitätsklinik Heidelberg eine Lösung entwickelt. Dabei kommt ein Komposit aus Polycaprolacton (PCL) und Bioglas zum Einsatz. Das degradierbare Polymer PCL bietet die stabile Stütz-, Gefäß- und Führungsstruktur, das Bioglas hemmt das bakterielle Wachstum und stimuliert die Knochenneubildung. In den gebrochenen Knochen eingesetzt, trägt das zu einer schnelleren und komplikationsfreien Heilung bei.
Keine Angst mehr bei Zahnwurzelbehandlungen
Ein weitere Fraunhofer-Innovation ist ein intelligentes Ultraschallsystem, das die Zahnwurzelbehandlung verbessert (Projekt IPUCLEAN). Forschende des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme IKTS haben eine Technik entwickelt, die Wurzelbehandlungen beim Zahnarzt spürbar erleichtert. Bei der Behandlung reinigen Zahnärztinnen oder Zahnärzte die Wurzelkanäle mit einer Feile. Ein piezokeramischer Stapelaktor verbindet die Rotation der Feile mit einer Schwingungsbewegung, um das Verkleben im Wurzelkanal zu verhindern. Die Feile muss nicht so häufig gereinigt werden, und die Behandlung ist schneller zu Ende. Die Technologie lässt sich auch für weitere medizinische Anwendungen nutzen, beispielsweise in der Diagnostik oder bei der Krebsbehandlung.
Sind PFAS in der Medizintechnik ersetzbar?
Intensiv diskutiert werden dürfte im Rahmen der COMPAMED 2023 auch das Thema PFAS. Innerhalb der EU droht ein pauschales Verbot dieser wichtigen Industriechemikalien, die gerade in der Medizintechnik vielfach angewendet werden. Die per- und polyfluorierten Alkylverbindungen mit hoher Langlebigkeit verursachen nachweislich Schäden für Umwelt und Gesundheit, retten andererseits aber Leben in vielen Hightech-Produkten. In der Medizintechnik sind sie insbesondere in der Endoskopie und der minimalinvasiven Chirurgie unverzichtbar. „Die breite Regulierung ganzer Stoffgruppen – unabhängig von deren nachgewiesenem Risiko – würde Europa, seinen Bürgerinnen und Bürgern und seiner Industrie irreparable Schäden zufügen“, sagt Jörg Mayer, Geschäftsführer des Industrieverbands SPECTARIS. In Summe gibt es rund 3.000 betroffene Produkte in der Medizintechnik – Endoskope, Herzkatheter, Implantate, Stents, MRT, CT oder Dialysemaschinen. In vielen Fällen fehlen Alternativen zu den bisher eingesetzten PFAS. Anzustreben wäre deshalb eine Lösung, die alle Interessen gleichermaßen berücksichtigt und sorgfältig Nutzen und Risiken gegeneinander abwägt.
Auch „MDR“ und „IVDR“ sorgen weiter für Diskussionen
Ein weiteres Regulierungsthema dürfte ebenfalls für Gesprächsbedarf sorgen – die Verordnungen über Medizinprodukte (MDR) und In-vitro-Diagnostika (IVDR), die von der EU erlassen wurden und seit 2021 bzw. 2022 gelten. Immerhin sind rund 500.000 Arten von Medizinprodukten auf dem Markt – die Intention der EU mit den Verordnungen war es, diese für die Patienten sicherer und transparenter zu machen. „Keine Frage, bei der vollständigen Umsetzung fehlt noch eine ganze Menge“, kommentiert Stefan Bolleininger, CEO der Beratungsfirma be-on-Quality, die bei allen Fragestellungen zu regulatorischen Anforderungen und Qualitätsmanagement in der Medizintechnik hilft. „Die Anzahl der arbeitsfähigen `Benannten Stellen´ muss noch zunehmen, weitere Guidelines wären hilfreich, damit wir das Richtige tun, aber auch der Mut der Unternehmer ist gefordert, eigene Entscheidungen zu treffen“, erklärt der Fachmann. Da die Verordnungen eine komplexe Materie darstellen, ist der Umgang für alle Beteiligten ein andauernder Lernprozess. Ohne Zweifel ist der Aufwand gegenüber den vorher geltenden Bestimmungen gestiegen. „Aber die Dokumentationsqualität und am Ende die Produktsicherheut für die Patienten sind eindeutig besser“, betont Bolleininger. „Die Forderungen des BVMed und des VDGH nach mehr Transparenz und Effizienz, mehr Berechenbarkeit und Schnelligkeit, mehr internationale Anschluss- und Wettbewerbsfähigkeit, eine gute Verwaltungspraxis sowie die vorgelegten Änderungsvorschläge, um ein Abwandern der Medizintechnik-Industrie aus Europa zu verhindern, unterstützen auch wir“, ergänzt IVAM-CEO Dr. Thomas Dietrich.
Kein Holzweg: Bioabbaubare Leiterplatten aus Cellulose
Elektronische Finessen, intelligente Sensoren, Streitthemen wie PFAS und neue Verordnungen über Medizinprodukte – die COMPAMED bleibt eine Plattform mit einer großen Fülle an Innovationen und kreativen Auseinandersetzungen. Dazu gehört auch das „Dauerbrennerthema“ Nachhaltigkeit. Im multinationalen EU-Projekt „Hypelignum“ geht es um eine besonders verblüffende Lösung in diesem Sinne. HyPELignum steht für die Erforschung von Holzmaterialien in der hybriden gedruckten Elektronik: ein ganzheitlicher Ansatz für funktionelle Elektronik mit Netto-Null-Kohlenstoffemissionen. Die schnell wachsende Verfügbarkeit von preiswerter Unterhaltungselektronik führt zu immer größeren Mengen an Elektronikabfällen. Das von der EU geförderte Vorhaben will mit einem ganzheitlichen Ansatz zeigen, dass die Kombination von additiver Fertigung, holzbasierten Materialien (hier genau gesagt mit Cellulosefuibrillen), reichlich vorhandenen Übergangsmetallen und einer fortschrittlichen nachhaltigen Bewertung zur Konzeption und Herstellung von kohlenstofffreier Elektronik führen kann. „Wir arbeiten mit Holzsubstraten, die wir im Anschluss für Platinen verwenden können“, konstatiert Dr. Thomas Geiger von der schweizerischen EMPA (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt), im Projekt verantwortlich für die Basismaterialien. Auch dieser Ansatz, ein Uralt-Stoff ganz neu zu denken, ist typische für die COMPAMED.
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