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Prof. Dr. Andreas Gerdes, Frank Bähr

Durchdachte Bodenwahl schont Ressourcen und Budgets

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Frank Bähr, nora Marktsegment-Manager für Industrie, betreut Schlüsselkunden in Süddeutschland und der Schweiz. Er ist Ansprechpartner für Spezialbereiche wie Labore, Reinräume und ESD-Bereiche.
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Prof. Dr. Andreas Gerdes, Wissenschaftlicher Leiter KIT Innovation HUB hat mit seinem Team ein wissensbasiertes Auswahlverfahren zur Auswahl nachhaltiger Böden für die pharmazeutische Industrie entwickelt.
Prof. Dr. Andreas Gerdes, Wissenschaftlicher Leiter KIT Innovation HUB hat mit seinem Team ein wissensbasiertes Auswahlverfahren zur Auswahl nachhaltiger Böden für die pharmazeutische Industrie entwickelt.

Nachhaltigkeit und der sorgfältige Umgang mit Ressourcen werden in der produzierenden Industrie immer wichtiger. Dies hat nicht nur Einfluss auf die Fertigungsprozesse an sich, sondern wirkt sich auch auf die Gestaltung von Reinräumen und GMP-Bereichen aus. Bei der Auswahl von Bodenbelägen sind in eine ganzheitliche Betrachtung verschiedene Faktoren einzubeziehen: die Eigenschaften der Produkte, ihre Nutzung bzw. die Performance im Bauteil Reinraum sowie die ökologischen Auswirkungen auf das Gesamtbauwerk.

Funktionale und ökologische Anforderungen an den Boden

Eine sorgfältige Produktauswahl, die genau auf die jeweiligen Prozessanforderungen zugeschnitten ist, steht bei der Ausstattung von Reinräumen und GMP-Bereichen im Vordergrund. An die Bodenbeläge dort werden hohe Anforderungen gestellt. So dürfen die verwendeten Bodenmaterialien nur sehr geringe Partikelemissionen aufweisen und müssen ein geringes Ausgasungsverhalten (TVOC) besitzen. Unerlässlich ist es auch, dass sich die Böden leicht reinigen lassen und über eine hohe Medienbeständigkeit verfügen. Daneben kann auch die elektrostatische Ableitfähigkeit für einen umfassenden ESD-Schutz (Electrostatic Discharge) gefordert sein. Für die Wahl von Reinraumböden ist der EG-GMP-Leitfaden bzw. die Klassifikation nach ISO 14644 maßgebend.  Neben diesen vielfältigen funktionalen Anforderungen nehmen für Planer und Bauherrn inzwischen auch ökologische Faktoren einen großen Stellenwert ein. Dabei gilt: Die Baustoffe, in diesem Fall die Bodenmaterialien, lassen sich in Bezug auf ihre Umweltauswirkungen und ihre Nachhaltigkeit erst im Gebäudekontext vergleichen, also vor dem Hintergrund ihrer konkreten Einbausituation und der an sie gestellten technischen Anforderungen während der Nutzung. Umweltproduktdeklarationen (EPD) ermöglichen die Beurteilung der Umweltleistungen einzelner Produkte auf Grundlage einer Ökobilanz (LCA). Sie enthalten genaue Informationen über die messbaren Umweltauswirkungen unter Berücksichtigung der Herstellungsprozesse. Die EPD basieren auf internationalen Normen, in der Bauproduktindustrie gilt die EN 15804.

Zuverlässige und sichere Nutzbarkeit von Reinräumen

Bei der nachhaltigen Bodenauswahl für Reinräume und GMP-Bereiche spielt die Performance der Böden, insbesondere im Hinblick auf Widerstandsfähigkeit, Reinigungsfähigkeit und Desinfektionsmittelbeständigkeit, eine wesentliche Rolle. So tragen Reinigung und Sanierung, die je nach Bodenmaterial über den gesamten Lebenszyklus sehr unterschiedlich ausfallen, mehr zur Ökobilanz bei als die eigentliche Herstellung der Produkte. Noch größer sind die ökologischen Auswirkungen bei einem vorzeitigen Werkstoffversagen, ganz abgesehen von den Störungen im Produktionsprozess. Allgemein gilt: Prävention ist besser als Instandsetzung. Eine gezielte Materialauswahl kann dazu beitragen, Ausfallzeiten zu verringern, den Unterhalts- und Wartungsaufwand zu optimieren und somit die ökonomischen und ökologischen Lebenszykluskosten des Bodenbelags zu reduzieren. Eine große Hilfe für Bauherrn kann ein wissensbasiertes Auswahlverfahren zur Auswahl nachhaltiger Böden darstellen, das vom KIT Innovation Hub für die pharmazeutische Industrie entwickelt wurde. Nach der Erstellung eines objekt- und nutzungsspezifischen Anforderungsprofils für das individuelle Objekt werden die verschiedenen Bodenmaterialien gegebenenfalls noch ergänzenden Tests unterzogen, beispielsweise zum Reinigungsverhalten oder um einen künstlichen Alterungsprozess zu simulieren und dadurch die Frage zu beantworten, wie die Oberfläche der Böden in zehn Jahren aussehen wird. Für einen nachhaltigen, wirtschaftlichen Unterhalt von Reinräumen sind Bodenbeläge ohne temporäre Beschichtungen, wie Kautschuk, besonders geeignet. Dadurch entfallen Beschichtungssanierungen ebenso wie die damit verbundenen kosten- und arbeitsintensiven Grundreinigungen. So werden Shutdown-Zeiten oder gar Produktionsausfälle vermieden. Ein weiterer Vorteil: Während der gesamten Lebensdauer des Fußbodens können große Mengen hochalkalischer chemischer Reinigungs- und Beschichtungsmittel eingespart werden – gut für Gesundheit, Ökonomie und Ökologie.

Stärkere Fokussierung der Gebäudeplanung auf Ökologie und Ökonomie

Ein weiterer Aspekt ist die Langlebigkeit von Materialien, die gleichzeitig einen Einfluss auf die Lebenszykluskosten (LCC) von Gebäuden hat. Generell gilt: Lebens- bzw. Nutzungsdauer und Nachhaltigkeit stehen in einem proportionalen Verhältnis: Je widerstandsfähiger ein Bodenbelag ist und je länger er genutzt werden kann, umso nachhaltiger und wirtschaftlicher ist er. Denn das Herausreißen des Altbelags, der neue Bodenaufbau inklusive zementgebundener Spachtelmasse, die Neuverlegung mit Verklebung und die anschließende Entsorgung der Altbeläge bedeutet finanziellen Aufwand und stellt zusätzlich eine wesentliche Belastung für die Umwelt dar. Es macht sowohl in ökologischer als auch in ökonomischer Hinsicht einen großen Unterschied, wie oft der Boden während der Nutzungsphase eines Gebäudes ausgetauscht werden muss. In der Berechnung einer Ökobilanz von 50 Jahren kann das einmal, zweimal oder sogar mehrfach der Fall sein. Ein langlebiger Bodenbelag, der exakt auf die Prozessanforderungen zugeschnitten und wirtschaftlich im Unterhalt ist, kann zu nachhaltigen Produktionsgebäuden einen entscheidenden Beitrag leisten: Wer hier vorausschauend plant, kann im Laufe der Zeit erheblich sparen. Derzeit wird ein EU-weites Klassifizierungssystem für die Bewertung ökologischer Nachhaltigkeit von wirtschaftlichen Aktivitäten etabliert, die sogenannte Taxonomie . Ziel dieses 2022 in Teilbereichen bereits eingeführten Regelwerks ist es, das Vertrauen bei Investoren zu stärken, grüne Investitionen transparenter und attraktiver zu machen sowie die Anleger vor Greenwashing zu schützen.

1 Quelle: DI Verein Deutscher Ingenieure, Cleanroom technology - Compatibility with required clean-liness and surface cleanliness, 2021,  VDI 2083 Blatt 9.1 - Reinraumtechnik - Reinheitstauglichkeit und Oberflächenreinheit | VDI
2 Quelle: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22_711, 2022


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