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Für eine schnellere Entwicklung von Medikamenten

Forschende an der HS Aalen erhalten rund zwei Millionen Euro Förderung

Auf dem Bild von links: Prof. Dr. Harald Riegel, Max-Jonathan Kleefoot, Lena Kruse, Prof. Dr. Christian Neusüß, Sebastian Funken und Ann-Katrin Schwenzer neben dem neu angeschafften Ionenmobilitäts-Massenspektrometer. © Hochschule Aalen | Andrea Heidel
Auf dem Bild von links: Prof. Dr. Harald Riegel, Max-Jonathan Kleefoot, Lena Kruse, Prof. Dr. Christian Neusüß, Sebastian Funken und Ann-Katrin Schwenzer neben dem neu angeschafften Ionenmobilitäts-Massenspektrometer. © Hochschule Aalen | Andrea Heidel

Die weltweite COVID-19-Pandemie hat es mehr als verdeutlicht: Eine der wesentlichen Herausforderungen unserer Gesellschaft auf dem Gesundheitssektor stellt die schnelle Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe dar. Insbesondere fehlen in der Analyse antikörperbasierter Wirkstoffe effektive und hochpräzise Systeme. Hier setzt ein frisch gestartetes Forschungsprojekt an der Hochschule (HS) Aalen an: Das interdisziplinär zusammengesetzte Team hat sich das Ziel gesetzt, die Impfstoff- und Medikamentenentwicklung wesentlich zu beschleunigen. Das Projekt „ProCeVen“ wird mit rund zwei Millionen Euro durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und ermöglicht drei Studierenden die Promotion an der HS Aalen.

Nach über zwei Jahren mit dem Coronavirus dürfte den meisten von uns der Umgang mit den Antigen-Schnelltests mehr als vertraut sein. Doch die wenigsten haben sich wohl tiefergehend damit beschäftigt, wie diese Tests eigentlich funktionieren: „Sie weisen vereinfacht gesagt nach, ob bestimmte Virusproteine im Rachenraum einer getesteten Person vorhanden sind“, erklärt Max-Jonathan Kleefoot, Doktorand am LaserApplikationsZentrum (LAZ) der Hochschule Aalen.

Die Untersuchung von Proteinen spiele aber nicht nur hierbei, sondern im gesamten Bereich der Medizin eine entscheidende Rolle – sowohl in der Diagnostik von Krankheiten als auch bei der Entwicklung neuer Medikamente. Biopharmazeutische Unternehmen, also die Hersteller von Medikamenten, testen etwa die Wirksamkeit von so genannten antikörperbasierten Wirkstoffen, indem sie im Blut der Patienten nach bestimmten Proteinen suchen. „Der Erfolg und die Sicherheit dieser neuartigen Proteinwirkstoffe und damit der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung hängen stark von den Möglichkeiten der Bioanalytik ab“, gibt Prof. Dr. Christian Neusüß, Leiter des Instituts für Analytische und Bioorganische Chemie an der HS Aalen, zu bedenken.

Leider stießen die bisher gängigen Methoden und Techniken zur Analyse antikörperbasierter Wirkstoffe schnell an ihre Grenzen und verzögerten oftmals eine individuell angepasste Medikamentenentwicklung. Dies wollen Forschende in Aalen nun in einem vor kurzem gestarteten, interdisziplinären Projekt ändern: Sie arbeiten an einem neuartigen Analytiksystem, mit dem Proteine in biopharmazeutischen Wirkstoffen künftig wesentlich effektiver und mit einer bisher nicht erreichten Genauigkeit untersucht werden können. Zum ersten Mal kooperieren dabei Forschende des Instituts für Analytische und Bioorganische Chemie und des LaserApplikationsZentrums (LAZ) in einem gemeinsamen Vorhaben.

Das Team koppelt dabei erstmalig zwei wichtige instrumentelle Analyseverfahren aneinander, die bisher so nicht miteinander kombinierbar waren: die so genannte Kapillarelektrophorese mit der Ionenmobilitäts-Massenspektrometrie und dem Wasserstoff/Deuterium-Austausch. „Diese kompliziert klingenden Methoden dienen dazu, detaillierte Strukturinformationen über die Proteine und damit auch über ihre medizinische Wirkung zu bekommen. Zudem liefern sie auch Informationen zu den herstellungsbedingten Varianten der Proteine “, führt Projektkoordinator Neusüß aus.

Chip-Ventil funktioniert wie eine Drehtür

Darüber hinaus stellt das Team aus dem Bereich der instrumentellen Bioanalytik dafür ein neuartiges, Chip-basiertes Ventil aus Glas mit dem Durchmesser etwa eines Tischtennisballs her, das im Analysegerät das bisherige Kunststoffbauteil ersetzen wird. „Dieses runde Ventil kann man sich wie eine Drehtür vorstellen. Es nimmt kleinste Mengen an Flüssigkeiten im Nanoliter-Bereich präzise auf und transportiert sie mit einer Drehbewegung weiter“, erklärt Kleefoot. Da das Ventil nicht nur eine, sondern mehrere dieser Öffnungen und winziger Kanülen in seinem Innern hat, kann es nacheinander mehrere Tropfen aufnehmen und dann einzeln der anschließenden weiteren Trennung mit Charakterisierung durch das Massenspektrometer zuführen.

„Für dieses Ventil brauchen wir bewegliche Glasteile, die eine hochpräzise Fertigung erfordern. Die Ultrakurzpulslasertechnologie mit präziser Pulsenergie und einstellbarer Wellenlänge macht es möglich, diese Glasteile herzustellen, ihre Oberflächen weiter zu funktionalisieren und darin individuell angepasste Analysetechniken zu integrieren“, fügt Neusüß an. Den Part der Laserbearbeitung übernimmt das Team aus Forschenden am LAZ unter der Leitung von Prof. Dr. Harald Riegel. Das Projekt ermöglicht darüber hinaus drei Studierenden der HS Aalen ihre Promotionsvorhaben umzusetzen: So wird Sebastian Funken, Studierender an der Hochschule Aalen, über seine Forschung im Bereich der Lasermaterialbearbeitung von Glas im Rahmen des Projekts seine Dissertation verfassen.

Zwei Doktorandinnen, Lena Kruse und Ann-Katrin Schwenzer, promovieren parallel auf dem Gebiet der instrumentellen Bioanalytik in der Arbeitsgruppe Neusüß. „Ebenfalls werden Studierende insbesondere aus den Studiengängen Biopharmazeutische Wissenschaften, Maschinenbau/Produktion und Management und Optoelektronik bereits im frühen Bachelorstudium durch direkte Mitarbeit im Labor mit den Promovierenden an die top-aktuellen Themen der Forschung heran- und somit in das wissenschaftliche Arbeiten eingeführt“, betonen die Professoren Neusüß und Riegel unisono.

„Glas ist als Ersatz für das bisherige Bauteil aus Kunststoff wesentlich geeigneter, da es beständiger, verunreinigungsresistenter und damit langlebiger und nachhaltiger ist“, beschreibt Funken. Mit dem Laser können im Glaskörper hochgenaue, geometrisch definierte Strukturen und Mikrokanäle erzeugt werden. Zudem kann der Laser trennscharfe Kanten und Löcher schneiden, sowie optische Elemente in den Glaskörper integrieren. Rund 500.000 Euro werden aus der Gesamtförderung in Höhe von rund zwei Millionen Euro in die Forschung der Laserbearbeitung am LAZ fließen und weitere 800.000 Euro in die Erweiterung der Ausstattung der Hochschule Aalen investiert, beispielsweise um einen Ionenmobilitäts-Massenspektrometer (auf dem Foto) sowie um ein Laserscanning-Mikroskop zu beschaffen. Mit dem Ionenmobilitäts-Massenspektrometer sollen dabei in der weltweit erstmaligen Kopplung mit der Kapillarelektrophorese Unterschiede in der räumlichen Struktur von biopharmazeutischen Proteinen erforscht werden. Diese beiden Geräte wurden inzwischen installiert und ergänzen die vorhandene Geräteausstattung und werden in Folgeprojekten weiterhin in der Forschung eingesetzt werden.


Hochschule Aalen - Technik und Wirtschaft
73430 Aalen
Germany


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