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Neuer Review vermittelt Überblick zur Anwendung europäischer Normen für wirksame Desinfektionsstrategien


Treten plötzlich Erreger in Gesundheitseinrichtungen, Nutztierhaltungen oder Lebensmittelbetrieben auf, müssen sofort wirksame Hygieneprotokolle zur Infektionsprävention zur Verfügung stehen. Dies gilt besonders dann, wenn diese – wie SARS-CoV-2 Anfang 2020 – noch kaum erforscht sind. Im Bereich der Desinfektion stehen zahlreiche Produkte mit unterschiedlichen Wirksamkeitsauslobungen zur Verfügung. Bei der Auswahl ist es hilfreich zu wissen, worauf diese Auslobungen basieren und was das europäische Normenwerk dazu beiträgt. Doch bei der Vielzahl von Standards und Normen kann man schnell den Überblick verlieren. Ein aktueller Übersichtsartikel bietet nun eine gute Orientierung und erklärt unter anderem, wie die im Desinfektionsmittelbereich relevanten Normen erarbeitet werden, welche Bedeutung Surrogat-Testorganismen haben und inwiefern davon Maßnahmen zur Infektionsprävention beeinflusst werden. [1]

Technisches Komitee für chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika federführend bei Erarbeitung von Normen

Innerhalb des Europäischen Komitees für Standardisierung (CEN) verantwortet das sogenannte Technische Komitee 216 (CEN/TC 216) für den gesamten Bereich der chemischen Desinfektion und Antiseptika sämtliche Aktivitäten zur Standardisierung von Terminologie, Anforderungen, Testmethoden, Anwendungsempfehlungen und Kennzeichnung [2]. Diesem Komitee unterstehen vier Arbeitsgruppen, in denen Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Behörden, Laboren und Industrie zusammenarbeiten und die erforderlichen Standards erarbeiten. Während eine Arbeitsgruppe den humanmedizinischen und eine weitere den veterinärmedizinischen Bereich abdeckt, beschäftigt sich die dritte Arbeitsgruppe mit Lebensmittelhygiene sowie häuslichen und institutionellen Anwendungen und die vierte mit strategischen Aspekten und übergeordneten Themen wie beispielsweise der Harmonisierung europäischer Normen. Als übergeordnete Norm gilt dabei die EN 14885 [3], in der u.a. allgemeine Aspekte der unterschiedlichen Anwendungsbereiche sowie die Anforderungen der jeweiligen Normen aus den verschiedenen Arbeitsgruppen zusammengefasst sind. Diese Norm stellt somit auch innerhalb des Zulassungsverfahrens für Medizinprodukte die grundlegende Anforderung dar.

Anforderungen an Testmethoden und Voraussetzungen für Auslobungen

Instrumenten-Desinfektionsmittel und teilweise auch Flächen-Desinfektionsmittel müssen beispielsweise für den humanmedizinischen Bereich in Europa als Medizinprodukt zugelassen werden. Der Übersichtsartikel geht hierzu auf alle wichtigen Standards bzw. Testmethoden und die Voraussetzungen für mikrobizide Auslobungen ein [1]. Allgemein erfolgt die Wirksamkeitsprüfung gemäß eines 3-stufigen Prüfverfahrens. Phase 1-Tests werden während der Entwicklung durchgeführt. Phase 2-Tests sollen die Anforderungen an Desinfektionsmittel an die jeweiligen Anwendungsbereiche bestmöglich nachahmen. Man unterscheidet Phase 2, Stufe 1-Tests, quantitative Suspensionsversuche zum Nachweis der verschiedenen Wirksamkeiten unter simulierten praktischen Bedingungen sowie Phase 2, Stufe 2-Tests, quantitative Labortests zur Prüfung von Produkten auf sogenannten Trägern, um die praktische Anwendung der Desinfektionsmittel nachzuahmen. Im Falle von Hände-Desinfektionsmitteln sind die „Träger“ z.B. die Hände von Probanden. Zukünftig sollen auch Phase 3-Tests für Feldversuche unter realen Bedingungen erarbeitet werden. Für die Auslobung antimikrobieller Wirksamkeit müssen die geprüften Desinfektionsmittel festgelegte Anforderungen an die logarithmische (log-) Reduktion definierter Testorganismen erfüllen. Dabei werden sogenannte Surrogat-Organismen verwendet, die stellvertretend für andere Organismen sind (z.B. Candida albicans für Hefen; stellvertretend auch für Candida auris) und Rückschlüsse auf die bakterizide, levurozide, sporizide, fungizide oder viruzide Wirksamkeit erlauben. So können auch im Falle neu auftretender Krankheitserreger wirksame Desinfektionsmittel schnell ausgewählt werden. [1]

Fazit

Die Autorinnen des Übersichtsartikels bieten einen verständlichen und umfangreichen Einblick in die europäische Normenwelt, die für den Desinfektionsmittelbereich relevant ist. Die Standards stellen ihrer Meinung nach eine solide Basis für die Auswahl wirksamer Desinfektionsmittel dar und erfordern keine zeitaufwändigen neuen Testungen bei neu auftretenden Erregern.

Quellen:

1. Bolten A et al. (2022) Use of the European standardization framework established by CEN/TC 216 for effective disinfection strategies in human medicine, veterinary medicine, food hygiene, industry, and domestic and institutional use - a review. GMS Hyg Infect Control 17: Doc14. https://doi.org/10.3205/dgkh000417
2. European Committee for Standardization. https://standards.cencenelec.eu/dyn/www/f?p=205:7:0::::FSP_ORG_ID:6197&cs=10A8D4C3DCD7472E41B4ECBDD9E3C6A82 (aufgerufen am 27.10.2022)
3. EN 14885:2022 Chemical disinfectants and antiseptics - Application of European Standards for chemical disinfectants and antiseptics.


PAUL HARTMANN AG
89522 Heidenheim
Deutschland


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