- Normen, Richtlinien
Norbert Otto
VDI 2083 Blatt 3:2020-02 - Entwurf versus DIN EN ISO 14644-3:2020-08
Fachbeitrag zur Reinraum-Messtechnik
VDI 2083 Blatt 3:2020-02 - Entwurf
Reinraumtechnik - Messtechnik
versus
DIN EN ISO 14644-3:2020-08
Reinräume und zugehörige Reinraumbereiche - Teil 3: Prüfverfahren (ISO 14644-3:2019, korrigierte Fassung 2020-06); Deutsche Fassung EN ISO 14644-3:2019
Kurzfassung
Die Normen, bzw. Richtlinien VDI 2083-3:2020 & ISO 14644-3:2020-08 sind als Regelwerke für die messtechnische Überprüfung von Reinräumen zum Beispiel im Rahmen der Qualifizierung, als auch der Requalifizierung der Fachwelt hinlänglich bekannt.
Die Norm ISO 14644-3 wurde bis 2019 vom internationalen Gremium zuerst überarbeitet und danach die Richtlinie VDI 2083-3 vom nationalen Komitee.
Einleitung
In der Regel sind im ISO-Komitee bei den jeweiligen Sitzungen zwischen 6-10 Nationen beteiligt. Zwischen diesen Nationen muss ein Kompromiss zu den jeweiligen Änderungen, Erweiterungen, etc. bis zum finalen Text gefunden werden - und zwar einstimmig!
Hinzu kommt zwischenzeitlich ein immenser Zeitdruck und dadurch nahezu eine gewisse Fehlerquote fast unumgänglich wird.
Es gab in allen Absätzen, bzw. in deren Anhängen mehr oder weniger ausschlaggebende Änderungen & Korrekturen zu den Vorgängerversionen.
Ein bezeichnender Fehler kam in der ISO 14644-3:2020-08 im Abschnitt B.7.3 Verfahren für die Leckprüfung der eingebauten Filtersysteme mittels kontinuierlicher Abtastung durch einen LSAPC (Partikelzähler) zum Tragen und wird un. gen. separat beschrieben.
Die VDI Richtlinie sollte hierzu praxisnaher gestaltet werden. Diesem Komitee sind ausschließlich die DACH-Länder mit ihren jeweilig gewählten Mitarbeitern angeschlossen und entscheiden gemeinsam und ebenfalls einstimmig.
Welche Änderungen sind nun für die Betreiber der Reinräume relevant geworden?
1) Im Abschnitt VDI 2083-3: Absatz 6.2.2
wird im TAV-Bereich auf Messungen zur Homogenität der Luftgeschwindigkeit auf Arbeitshöhe hingewiesen, welche in der ISO 14644-3 nicht genannt werden.
Unter Anmerkungen wird erklärt, dass die Anforderungen bei einer Nennluftgeschwindigkeit von 0,45 m/sec (+/-20%) des Schwebstofffilters auf einer Arbeitshöhe, welche i. d. R. einen Abstand von 0,5 mtr. - 2 mtr. zur Luftaustrittsfläche beträgt, physikalisch nicht möglich ist. Es wird im Anschluss daran auf eine weitere Möglichkeit der Messungen zur gerichteten Strömung hingewiesen.
a. In diesem Zusammenhang sei kurz der Absatz 6.7.5 erwähnt, welcher die wesentlichen Prüfschritte beschreibt.
Tabelle 1
b. Die Strömungsvisualisierung wird mit Prüfnebel, bzw. Prüfsubstanz als eine qualitative Methode zur Bewertung der Strömungsverhältnisse an real aufgebauten Systemen herangezogen. Sie dient u.a. dazu, Auditoren davon zu überzeugen, dass die Strömungsverhältnisse unter allen relevanten Betriebsbedingungen so sind, dass die erforderlichen Schutzfunktionen erfüllt werden. Neu ist nicht nur die methodische und klar beschriebene Vorgehensweise, sondern auch eine umfangreiche Beschreibung, der Akzeptanzkriterien bei Produktschutzanforderungen.
Die Möglichkeiten der Prüfsubstanzen, bzw. Möglichkeiten ohne die erforderlichen Prüfnebel wurde mit dem "Schlieren System" erweitert. Sie basiert auf der Ablenkung von Lichtstrahlen durch Brechungsindexgradienten in transparenten Medien. Die Variation des Brechungsindex kann durch Wärmeströmungen oder durch Gasgemische mit unterschiedlichem Brechungsindex hervorgerufen werden. Eine Thermikströmung kann daher, ohne Zugabe von Gas, sichtbar gemacht werden.
Eine weitere Möglichkeit hierzu sollte die 3D-Geschwindigkeitsmessung mit Positions- und Lageerfassung sein. Das zu untersuchende Strömungsfeld wird mit einem Anemometer in drei Richtungen (x, y, z) kontinuierlich erfasst und erfolgt mittels einem speziellen Kamerasystems.
Im Abschnitt VDI 2083-3: Absatz 6.3.3
wird die Leckprüfung am endständigen Filter mittels Abfahren (Scantest) beschrieben und ebenfalls im Pendant der ISO 14644-3: Absatz B.7.3 Verfahren für die Leckprüfung der eingebauten Filtersysteme mittels kontinuierlicher Abtastung durch einen LSAPC
a. die ISO 14644-3 Absatz: B.7.3 beschreibt hier den Filterlecktest mit einem Partikelzähler.
Eine weitere Möglichkeit zu dieser Messung ist die des Photometers, welche aufgrund der hohen Prüfaerosolrate in den DACH-Ländern nicht eingesetzt wird und aufgrund dessen in der VDI 2083-3 auch nicht erwähnt wird.
b. um auf die in der Einleitung genannte Fehlerquote zurück zu kommen, sei hier der Absatz: B.7.2.4 Abnahmekriterien kurz beschrieben:
„Das Abnahmekriterium bei Filtersystemen mit einem integralen
Wirkungsgrad bei MPPS ≥ 99,95 % und weniger als 99,995 % ist jedoch 0,1 %“
Dieser Satz stand in einer der vielen Vorgängerversionen bis zum offiziellen FDIS (Entwurf) und sollte korrekterweise in bei MPPS ≥ 99,95 % und ≤ 99,997 % geändert werden, bevor es zur genehmigten Norm kommt.
Fakt ist nun, dass der H14 Filter aus der Leckrate mit 0,1 % herausfällt und ins gleiche Akzeptanzkriterium der ULPA-Filter hineinfällt.
Zum einen ist das mathematische Zeichen: ≥ (größer gleich) am Beginn des Akzeptanzkriteriums richtig. Am Ende des Akzeptanzkriteriums in diesem Fall mit den Worten "weniger als" zu bezeichnen ist falsch. Richtig hätte hier ebenfalls das mathematische Zeichen: ≤ (kleiner gleich) stehen müssen!
c. Sowohl beim Abtastvorgang als auch bei der Leckdetektion wird in der ISO 14644-3 eine statistische Berechnungsformel zugrunde gelegt. Ein Erkennungswert (NP) wird in der VDI 2083-3 festgelegt. In diesem Zusammenhang sei die weitaus höhere Prüfaerosolkonzentration im ISO - Regelwerk zu erwähnen, welches ich an un. gen. zwei Beispielen mit unterschiedlichen Scangeschwindigkeiten aufzeichnen möchte:
Tabelle 2: Vergleich ISO 14644-3 vs. VDI 2083-3, Quelle: C-tec GmbH
Tabelle 3: Messparameter ISO 14644-3 vs. VDI 2083-3 (SR=5cm/s), Quelle: C-tec GmbH
Tabelle 4: Messparameter ISO 14644-3 vs. VDI 2083-3 (SR=8cm/s), Quelle: C-tec GmbH
d. Ein ebenfalls neuer Aspekt ist der, dass die Rohluftkonzentration in beiden Richtlinien nur noch +/- 15% beträgt, was einen Einsatz von paralleler Messung der Roh- / Reinluftkonzentration unumgänglich macht. Sicherlich macht dies Sinn bei großen Luftmengen und zentraler Prüfaerosolaufgabe bei unterschiedlichen Raumdrücken, etc. Ob dieses Verfahren beim Filterlecktest einer Sicherheitswerkbank ebenfalls Sinn macht, sollte dann zumindest zwischen Auftraggeber & Auftragnehmer schriftlich vereinbart werden.
e. Im Literaturverzeichnis ist noch die VDI 3803-4:2021-09-Entwurf (Gründruck) genannt und sollte im Zusammenhang mit dem Filterlecktest nicht fehlen. Im Absatz: 8.3.5 ist die "Dichtsitzprüfung und Filterlecktest mittels In-situ-Scanverfahren" für Schwebstofffilter im eingebauten Lüf-tungskanalsystem beschrieben. Es ist dann im Absatz: 8.3.6 von einer "Integralen Messung (Integritätstest)", bzw. im Absatz: 8.3.7 eine "Selektiv integrale Messung" was ein selektiver Integritätstest des Schwebstofffilters mit den gleichen Parametern aus der VDI 2083-3 bedeutet.
Auch hier sind Zeichnungen zur Installation der Messsonden mit den jeweiligen Abständen zueinander wiederum sehr praxisnah dargestellt - siehe Beispiel un. gen.
Tabelle 5: Sonden Anordnung bei selektiv integraler Messung (Zentraleneinbau oder Kanalfilter), Quelle: VDI 3803-4
Fazit
Die ISO 14644-3 ist im Falle Absatz B 7.3.3 mathematisch korrekt. In der Anwendung sehr kompliziert und meiner Meinung nach nicht sehr praxistauglich, ins besonders bei der hohen Anzahl von Partikel der Prüfaerosolaufgabe - was ja nicht im Sinne eines Reinraumes sein kann.
Die VDI 2083-3 ist hier sehr praxisnah und leicht verständlich. Alle Beteiligten, welche zu dieser Fassung beigetragen haben, kommen allesamt aus der Praxis.
In diesem Zuge möchte ich als Obmann der Richtlinie allen Mitarbeitern für Ihre Zeit, den hohen finanziellen Aufwand und ihr Engagement nochmals recht herzlich danken.
Literaturnachweis:
VDI 2083-3: 2021-08-Entwurf (Gründruck)
VDI 3803-4: 2021-09-Entwurf (Gründruck)
DIN EN ISO 14644-3: 2020-08
DIN EN ISO 29463-4: 2019-4
Annex 1: 2020-02 Entwurf
FDA, Guidance for Industry – Sterile Drug Products Produced by Aseptic Processing – Current Good Manufacturing Practice (cGMP), September 2004
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Der Autor
Seit mehr als dreißig Jahren ist Norbert Otto im Anlagenbau auf dem Gebiet Reinraum- und Druckluft-technik für Re-, bzw. Qualifizierungsmessungen tätig und in den Verbänden (un. gen.) tätig:
SwissCCS Vorstandsmitglied (vormals Präsident)
VDI 2083-3 Obmann (Vorsitzender)
VDI 3803-4 Mitarbeit
DIN EN ISO 14644-3 deutscher Delegierter
FARRT (Fachausschuss Reinraumtechnik) Delegierter
ISPE Mitglied
C-tec
Cleanroom-Technology GmbH
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