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GMP-Reinraumklassifizierung und Routine-Umgebungsüberwachung
Einleitung
Die Vorgaben der verschiedenen GMP-Leitfäden und internationalen ISO-Normen für GMP-Reinräume sind kompliziert und scheinen oftmals widersprüchlich, sodass es zu Unsicherheiten und mitunter auch Fehlinterpretationen kommt. Für die routinemäßige Umgebungsüberwachung gibt es wenige konkrete Vorgaben und es liegt in der Verantwortung des Reinraumeigentümers, einen geeigneten Überwachungsplan aufzustellen. In der stark von Vorschriften geprägten GMP-Industrie bereitet das Fehlen konkreter Vorgaben den Anwendern Kopfzerbrechen darüber, wie sie vorgehen sollten und erhöht die Versuchung, entweder übermäßig aufwändige Überwachungsprogramme einzurichten oder einfach denselben Überwachungsplan wie für die Klassifizierung zu verwenden. Beides ist falsch: die erste Variante, weil zu aufwändige Überwachungsprogramme zu unnötigen Interventionen in den kritischen Reinraumzonen führen können und das Kontaminationsrisiko erhöhen; die zweite, weil Programme für die routinemäßige Umgebungsüberwachung auf einer Risikobewertung der möglichen Kontaminationen während des Herstellungsprozesses beruhen müssen, was die Klassifizierungsregeln jedoch nicht berücksichtigen. So können beispielsweise, sobald die Risikobewertung aufgezeigt hat, an welchen Stellen des Reinraums das Produkt einem Risiko ausgesetzt ist, die Probenahmestellen zur Überwachung völlig andere sein als diejenigen, die zur Klassifizierung des Raums herangezogen wurden.
Dieser Artikel beleuchtet die Unterschiede zwischen den GMP-Reinraumklassen und der Routine-Umgebungsüberwachung und erläutert, wie Beckman Coulter hierbei unterstützen kann.
Was ist die Reinraumklassifizierung?
Im Gegensatz zur Routine-Umgebungsüberwachung konzentriert sich die Reinraumklassifizierung auf den Reinraum selbst. Wenn der Nutzer die in der ISO 14644-1:2015 definierten Probenahmestellen nicht um weitere ergänzt, werden bei der Klassifizierung keine bestimmten Bereiche im Raum berücksichtigt, in denen der Herstellungsprozess oder das Produkt einem Kontaminationsrisiko ausgesetzt sein könnte. Es handelt sich um eine Momentaufnahme, die zwar zur Ermittlung von Trends bei der Reinraumleistung herangezogen werden kann, doch üblicherweise erfolgt die Reklassifizierung jährlich, sodass die statistische Validität der Daten als gering anzusehen ist. Die Klassifizierung belegt, dass der Reinraum insgesamt an allen Stellen seiner vorgesehenen Luftpartikel-Konzentrationsklasse/-grenze entspricht.
Abb. 1 Die Reinraumklassifizierung nach ISO 14644-1:2015 konzentriert sich auf die Raumleistung, nicht das Risiko für das Produkt
Sowohl EU GMP Anhang 1:20091 als auch die FDA CGMP:20042 geben vor, dass die Klassifizierung nach der in der ISO 14644-1:20153 definierten Methode erfolgen muss. CGMP folgt den in der ISO 14644-1:2015 angegebenen Höchstkonzentrationen für die einzelnen Reinraumklassen. Der GMP-Anhang 1 nennt eigene Partikelgrenzwerte, unter anderem einen für 5-µm-Partikel* sowohl für die Klassifizierung als auch die Überwachung bei Klasse A, während in der ISO 14644-1:2015 für die dortige Entsprechung der Klasse A, ISO-Klasse 5, keine Grenzwerte für 5-µm-Partikel angegeben werden. (Anmerkung: Der neueste Entwurf für den neuen GMP-Anhang 14, der zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels zur öffentlichen Kommentierung veröffentlicht war, fordert den Nutzer nicht auf, nach beidem zu klassifizieren, verlangt allerdings, dass der Nutzer im Rahmen von Programmen zur Routine-Umgebungsüberwachung sowohl auf 0,5- als auch 5-µm-Partikel überwacht.
Gemäß ISO 14644-1:2015:
i. wird die zur Klassifizierung eines Reinraums erforderliche Anzahl der Probenahmestellen anhand einer Tabelle bestimmt;
ii. müssen die Probenahmestellen gleichmäßig über den Reinraum verteilt sein;
iii. muss sich die Probensonde auf derselben Höhe wie der Arbeitsgang befinden, der in dem betreffenden Teil des Reinraums stattfindet;
iv. muss, wenn ein unidirektionaler Luftstrom vorhanden ist, eine isokinetische Probensonde verwendet werden und diese in Richtung der Quelle des Luftstroms weisen, d. h. von dem unidirektionalen Luftstrom direkt angeströmt werden.
v. muss das Mindest-Probenahmevolumen an jeder Probenahmestelle ausreichend sein, um darin mindestens 20 Partikel zu erfassen, wenn die entsprechende Stelle bei der maximal zulässigen Luftpartikelkonzentration für die betreffende Reinraumklasse betrieben wird, z. B. wäre bei einer maximalen Luftpartikelzahl von 100/m3 ein Probenvolumen von 0,2 m3 ausreichend, um 20 Partikel zu erfassen, wenn die Stelle bei der maximal zulässigen Luftpartikelkonzentration betrieben wird;
vi. müssen die Proben gemittelt werden, wenn an einer Probenahmestelle mehrere Proben genommen werden;
vii. gilt die Klassifizierung des Reinraums als bestanden, wenn alle Probenahmestellen weniger als die für die angestrebte Reinraumklasse maximal zulässige Luftpartikelkonzentration aufweisen.
EU GMP Anhang 1 schreibt eine Klassifizierung sowohl im Ruhe- als auch im Betriebszustand vor:
i. Die Reinraumklassifizierung muss im Ruhezustand ohne Anwesenheit des Bedienungspersonals sowie im Betriebszustand, in dem die Anlage in der vorgesehenen Art mit der festgelegten Personenzahl betrieben wird, durchgeführt werden.
Die FDA CGMP betont die Wichtigkeit der Klassifikation im Betriebszustand (in CGMP als „dynamische Bedingungen“ bezeichnet):
i. „Es ist wichtig, bei der Qualifizierung und Klassifizierung von Bereichen das größte Gewicht auf Daten zu legen, die unter dynamischen Bedingungen generiert werden, d. h. bei Anwesenheit von Personal, installierten Anlagen und laufendem Betrieb. Ein geeignetes Programm zur Überwachung aseptischer Herstellungseinrichtungen umfasst auch die routinemäßige Beurteilung der Einhaltung der vorgegebenen Reinheitsklassen unter dynamischen Bedingungen.“
Was ist Routine-Umgebungsüberwachung?
Anders als die Klassifizierung wird die Routine-Reinraumüberwachung in den kritischen Zonen täglich und in den weniger kritischen Bereichen wöchentlich durchgeführt, sodass anhand der Daten ein Trend des Gesamtkontaminationszustands des Reinraums über die Zeit ermittelt werden kann. Bei der Wahl der Probenahmestellen liegt das Augenmerk in erster Linie auf der Überwachung des Kontaminationsrisikos an Stellen, an denen der Herstellungsprozess oder das Produkt einem erhöhten Kontaminationsrisiko ausgesetzt sein könnte. Die Überwachung dient dem Nachweis, dass die Bereiche mit Kontaminationsrisiko sowohl vor Herstellungsbeginn als auch während der Herstellung selbst ordnungsgemäß funktionieren.
Im Gegensatz zur Reinraumklassifizierung, bei der die Mindestanzahl und die Lage der Luftpartikel-Probenahmestellen genau definiert sind, sind die Probenahmestellen bei der Routineüberwachung nicht fix vorgegeben. Stattdessen sind sie spezifisch für die einzelnen Prozesse und müssen vom Prozesseigner mithilfe einer Risikobewertung bestimmt werden, d. h. die Probenahme für die Routine-Umgebungsüberwachung muss an Stellen erfolgen, die das Produkt einem Kontaminationsrisiko aussetzen könnten. Beispiele für Stellen, an denen ein Risiko für das Produkt bestehen könnte:
– Füllzonen
– Trichter für Flaschenstopfen
– Durchstechflaschen-Descrambler
– Verarbeitungsanlagen
– Stellen, an denen Bedienereingriffe stattfinden können
Es gibt mehrere Leitfäden zur Risikobewertung, beispielweise das FDA Q9 Quality Risk Management Guidance Document4 und die WHO Guidelines on Quality Risk Management TRS-9815.
Abb. 2 Die Routine-Umgebungsüberwachung konzentriert sich auf Stellen, an denen das Produkt einem Kontaminationsrisiko ausgesetzt sein könnte
Nachstehend einige relevante Auszüge zur Luftpartikelzählung aus dem FDA-CGMP-Leitfaden:
i. „Ein geeignetes Programm zur Überwachung aseptischer Herstellungseinrichtungen umfasst auch die routinemäßige Beurteilung der Einhaltung der vorgegebenen Reinheitsklassen unter dynamischen Bedingungen.“
ii. „Die Luft in der unmittelbaren Nähe von exponierten sterilisierten Behältnissen/Verschlüssen und Füll-/Verschließarbeitsgängen ist von geeigneter Partikelqualität, wenn sie pro Kubikmeter eine Partikelzahl von maximal 3520 im Größenbereich von 0,5 µm und größer aufweist und die Zählung an repräsentativen Stellen, die sich normalerweise nicht mehr als 1 Fuß (305 mm) vom Arbeitsort entfernt befinden, innerhalb des Luftstroms und während des Füll-/Verschließbetriebs erfolgt.
iii. „Eine regelmäßige Überwachung muss während jeder Produktionsschicht erfolgen.“
Abb. 3 Die Sonde für die Routineüberwachung muss sich < 1 Fuß (305 mm) s. o. vom exponierten Produkt entfernt befinden
Nachstehend einige relevante Auszüge zur Luftpartikelzählung aus dem EU-GMP-Leitfaden:
i. „Reinräume und Reinluftanlagen sollten routinemäßig im laufenden Betrieb überwacht werden. Die Überwachungspunkte sollten auf einer formalen Risikoanalyse und den Ergebnissen, die bei der Klassifizierung der Räume und/oder Reinluftanlagen erhalten wurden, basieren.“
ii. „Das Probenvolumen bei der Überwachung mittels vollautomatisierter Systeme hängt üblicherweise von der Probenahmerate des verwendeten Systems ab. Das Probenvolumen bei der Überwachung muss nicht notwendigerweise das gleiche wie im Falle der formalen Klassifizierung der Reinräume und Reinluftanlagen betragen.“
iii. „Der Klasse-B-Bereich sollte so häufig und mit angemessenem Probevolumen überwacht werden, dass Änderungen im Level der Kontamination und jede Verschlechterung des Systems erfasst wird und Alarm ausgelöst wird, wenn die Warngrenzen überschritten werden.“
iv. „In Bereichen der Klassen A und B hat die Überwachung der Zahl der Partikel ≥ 5,0 μm eine besondere Bedeutung, da diese ein wichtiges Nachweisinstrument für die frühzeitige Aufdeckung von Fehlern ist. Eine gelegentliche Anzeige von gezählten Partikeln ≥ 5,0 μm kann aufgrund elektronischer Einflüsse, Streulicht, Zufall, etc. fehlerhaft sein. In jedem Fall ist eine aufeinander folgende oder regelmäßige niedrige Zählrate ein Anzeichen einer möglichen Kontamination und sollte untersucht werden.“
Wie kann Beckman Coulter Life Sciences helfen?
Die Planung und Validierung Ihrer SOPs für die Routine-Umgebungsüberwachung und die Klassifizierung von Reinräumen ist zeitaufwändig und komplex. Mithilfe der transportablen Luftpartikelzähler MET ONE 3400+ kann sichergestellt werden, dass SOPs eingehalten werden und die Zahl der Datenfehler minimieren, indem man beide Prozesse bis zu einem gewissen Grad automatisiert:
– Elektronische SOP-Pläne
o Der Probenahmeplan, der als Teil der SOP in das Gerät geladen wird, führt die Benutzer durch das Programm der täglichen Überwachung.
– Interaktive SOP-Pläne
o Die Bildschirmanweisungen zu den einzelnen Probenahmestellen geben den Technikern vor, wie und wo die Probe an der jeweiligen Stelle zu nehmen ist. Nach der Probennahme wird die betreffende Stelle grün, sodass der Benutzer auf einen Blick sieht, was noch abzuarbeiten ist.
– Elektronische SOP-Versionskontrolle
o Der Administrator verwaltet SOP-Versionen mithilfe von elektronischen Signaturen im Gerät. Aktualisierte SOPs werden automatisch an alle Geräte übertragen.
– Prüfung und Genehmigung
o Nach Abschluss der Probenahme können die Ergebnisse im Gerät vom Vorgesetzten aus der Ferne über einen Browser geprüft und genehmigt werden.
– Elektronische Aufzeichnungen
o Nach der Genehmigung wird der endgültige Bericht mit einer elektronischen Signatur versehen und wird dann in einem sicheren elektronischen Format exportiert.
– Barcode-Funktion
Es kann ein Barcode-Leser angeschlossen werden, um die ID der Probenahmestelle, der Herstellungscharge usw. automatisch zu erfassen.
– 21 CFR Part 11
o Für Benutzeranmeldung und elektronische Signaturen nutzt der MET ONE 3400+ Benutzernamen- und Passwortabfragen über Microsoft Active Directory.
o Jeder Probenahmedatensatz enthält die Versionsnummer der SOP, den Benutzernamen, die Bezeichnung der Probenahmestelle, Uhrzeit, Datum, Alarme, Zählerkonfiguration, Probenergebnisse und ID der Herstellungsscharge.
o Die Datenbank ist sicher und verschlüsselt, und der Benutzer hat keinen Zugriff auf das Löschen von Datensätzen.
o Sichere elektronische Aufzeichnungen können direkt aus dem Gerät exportiert werden.
o Der Administrator steuert die SOP-Versionen im Gerät und zeichnet neue Versionen mit elektronischer Signatur ab.
o Der Audit-Trail kann nach Benutzer, Alarmgrenzenüberschreitung, fehlgeschlagenen Anmeldeversuchen usw. gefiltert werden, um während Audits rasch Berichte zu erstellen.
Abb. 4 Mit dem MET ONE 3400+ können die Benutzer direkt auf dem Partikelzähler versionsgesteuerte interaktive SOP-Probenahmepläne erstellen, die die Techniker anweisen, wo Proben zu nehmen sind und wie die Probensonde an der jeweiligen Probenahmestelle angeordnet werden muss. Außerdem wird angezeigt, an welchen Stellen die Probenahme bereits erfolgt ist und Vorgesetzte die Überwachungsergebnisse des Tages aus der Ferne über einen Browser prüfen und genehmigen.
Fazit
Die Klassifizierung und die Routine-Umgebungsüberwachung von GMP-Reinräumen mittels Partikelzählung sind zwei grundverschiedene Prozesse: Die Klassifizierung dient der Feststellung, dass die Luftqualität im Raum selbst besser als der Grenzwert der angestrebten Klasse ist und erfolgt gemäß ISO 14644-1, während mit der Überwachung bestimmt werden soll, ob die Luftqualität an mittels Risikoanalyse bestimmten Stellen, an denen das Produkt einem Risiko ausgesetzt sein könnte, besser als der Grenzwert der jeweiligen Klasse ist. Beide Prozesse können komplex sein, sodass eine gewisse Automatisierung mithilfe des MET ONE 3400+ zu einem geringeren Risiko beitragen kann, dass falsche SOPs verwendet werden, die SOP nicht richtig eingehalten wird und es durch menschliche Fehler zu Datenfehlern kommt. Außerdem unterstützt das Gerät die Erstellung von geprüften und genehmigten elektronischen Aufzeichnungen, die den ALCOA-Vorgaben der 21 CFR Part 11 entsprechen.
Quellen
1. European Commission. EudraLex. The Rules Governing Medicinal Products in the European Union. Volume 4. EU Guidelines to Good Manufacturing Practice. Medicinal products for human and veterinary use, Annex 1: Manufacture of Sterile Medicinal Products, 14. Februar 2008. European Commission Enterprise and Industry Directorate-General, B-1049 Bruxelles / Europese Commissie, B-1049 Brussel – Belgium.
2. Food and Drug Administration. Guidance for industry. Sterile drug products produced by aseptic processing – current good manufacturing practice, 2004. U.S. Department of Health and Human Services Food and Drug Administration Center for Drug Evaluation and Research (CDER) Center for Biologics Evaluation and Research (CBER) Office of Regulatory affairs (ORA) Division of Drug Information, HFD-240 Center for Drug Evaluation and Research Food and Drug Administration 5600 Fishers Lane Rockville, MD 20857 USA
3. ISO 14644-1:2015 Cleanrooms and associated controlled environments — Part 1: Classification of air cleanliness by particle concentration. Stand 19.03.2020: https://www.iso.org/standard/53394.html
4. Food and Drug Administration: Q9 Quality Risk Management Guidance Document; https://www.fda.gov/regulatory-information/search-fda-guidance-documents/q9-quality-risk-management, aufgerufen am 15. Mai 2020
5. Weltgesundheitsorganisation: Guidelines on Quality Risk Management TRS-981; https://www.who.int/medicines/areas/quality_safety/quality_assurance/Annex2TRS-981.pdf, aufgerufen am 15. Mai 2020
Beckman Coulter GmbH
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eMail: info@beckmancoulter.de
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