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Dr.-Ing. Udo Gommel
Lüftungsanlagen im Test
Erste Erkenntnisse der »Healthy Air Initiative«
Führende Aerosolforscher sind sich einig: Die größte Ansteckungsgefahr mit Covid-19 besteht in geschlossenen Innenräumen. Daher müssen zur Vorbeugung folgende Fragen beantwortet werden: Können Lüftungs- und Luftreinigungsanlagen vor der Ansteckung mit dem Virus schützen? Wie müssen sie dafür konstruiert werden? Und wie müssen Hygiene- und Lüftungskonzepte gestaltet sein, damit die Virenübertragung durch Aerosole reduziert wird? Seit Februar diesen Jahres geht ein Forschungsteam der Fraunhofer-Institute IBP, IGB und IPA diesen Fragen im Rahmen der »Healthy Air Initiative« [https://www.initiative-gesunde-raumluft.de/] auf den Grund.
»Wir freuen uns über großes Interesse aus der Industrie«, berichtet Dr. Udo Gommel vom Fraunhofer IPA. Im bisherigen Verlauf sind im Beratungszentrum der »Healthy Air Initiative« fast 200 Anfragen zu Prüfungs- und Beratungsleitungen von Herstellern (2/3) und Anwendern von Luftreinigern (1/4) eingegangen. Etwa ein Drittel der Anfragen mündete in Beratungsleistungen und zwei Drittel in die Durchführung von prüftechnischen Bewertungen unter Referenzbedingungen. Neben Unternehmen haben sich auch Ingenieurbüros, Behörden und öffentliche Einrichtungen gemeldet, zum größten Teil aus Baden-Württemberg.
Durchführung der Tests von Luftreinigern
Neben den Beratungsleistungen wurde ebenfalls eine Vielzahl (ca. 40) an Produkten in der eigens für die Initiative eingerichteten Prüfumgebung [Lesen Sie mehr dazu im Beitrag »Ein Cape für alle Fälle«] am Fraunhofer-Campus in Stuttgart getestet. Bei den untersuchten Luftreinigern handelt es sich zum größten Teil um mobile Geräte, die mit unterschiedlichsten Technologien arbeiten, um Corona-Viren in der Luft unschädlich für den Menschen zu machen. Sie gelten als schnell umzusetzende Alternative zu festinstallierter Gebäudelüftungstechnik. Um Partikel (hier auch Aerosole) aus der Raumluft herauszufiltern, sind häufig hocheffiziente Schwebstofffilter in den Geräten verbaut. Diese Filter werden teilweise kombiniert mit Aktivkohlefiltern, germizider Bestrahlung (meist UV-C und Fern-UV-C), Ionisationstechnologien (Plasmabestrahlung), Ozonbehandlung oder der Erhitzung des Luftvolumenstroms.
Vor der Analyse und Bewertung erfolgt die Aufteilung der eingereichten Luftreinigungsgeräte in Abhängigkeit ihres Leistungsprofils, ihres Wirkprinzips und der angefragten Leistungspakete durch die Hersteller. Bewertet werden unter anderem die Effizienz der Virenabreicherung, die Partikelabscheiderate, Schallemissionen und Schalldruckleistungen, sowie chemische Beiprodukte wie Ozon, VOC und Aldehyde. Die räumliche Analyse der Aerosolausbreitung im Raum erfolgt mithilfe von bis zu zwölf optischen Partikelzählern, die an unterschiedlichen Raumpunkten und -höhen aufgestellt sind. Zur Analyse des Einflusses von Menschen im Raum, die durch ihre Wärmeabgabe die Aerosolausbreitung beeinflussen, werden speziell präparierte Wärmelastdummies in möblierten Realräumen eingesetzt.
Expertenpapier in Arbeit
Um Rückschlüsse ziehen zu können, ob der Einsatz von Luftreinigern (generell und) effektiv zur Reduzierung der Infektionsgefahr beiträgt, wird zurzeit mit Hochdruck an übergreifenden Prüfverfahren und vereinheitlichten Bewertungsmethoden gearbeitet. Diese und weitere Fragestellungen werden theoretisch und experimentell im Rahmen eines Expertenpapiers von Fraunhofer IPA und IBP untersucht und bewertet. Dafür wurden bisher mehr als 600 Literaturquellen recherchiert und diverse Simulationen durchgeführt, die aktuell durch den Abgleich mit empirischen Ergebnissen validiert werden. »Unser Ziel ist es, Verbrauchern und Nutzern am Ende eine möglichst repräsentative und aussagekräftige Beurteilung an die Hand zu geben.« erläutert Gommel.
Kostenfreie Luftreiniger-Bewertungen bis Ende des Jahres
Das Forschungsvorhaben der »Healthy Air Initiative«, in welchem Gerätehersteller und Betreiber kostenneutrale bzw. stark bezuschusste Leistungen durch die Fraunhofer-Experten und Infrastrukturen der beteiligten Institute IPA, IBP und IGB erhalten können, läuft nur noch bis Ende dieses Jahres. Sowohl Beratungen bei Unternehmen und Firmen vor Ort, als auch über die Hotline der Initiative sind für die Anfragenden kostenlos, da die baden-württembergische Landesregierung alle Aufwendungen vollständig übernimmt.
Für die Durchführung von Luftreiniger-Bewertungen in den Test- und Prüfumgebungen der Fraunhofer-Gesellschaft in Stuttgart, fallen auch für die vergleichende Querauswertung keinerlei Kosten bei Unternehmen und Betreibern aus Baden-Württemberg an. Sofern detailliertere, firmenspezifische Dokumentationsunterlagen der Prüfergebnisse zur eindeutigen Kommunikation oder zur Geräteoptimierung gewünscht sind, können diese individuell erstellt und entsprechend budgetiert werden. Die temporäre Infrastruktur der ca. 100 m2 großen Prüfumgebung steht nur noch bis zum Projektende im Dezember dieses Jahres zur Verfügung. »Gerätehersteller haben jetzt noch die Möglichkeit sich bei uns zu melden, um ihre Luftreinigungsgeräte bewerten zu lassen. Wir freuen uns auf Anfragen und die Vergabe der letzten noch offenen Prüfkontingente.«, so Gommel.
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
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