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Patrick Pick
Digital gebaut, real im Betrieb: Roche setzt neue Standards
Schlank gebaut, von weitem sichtbar: Mit 205 Metern reckt sich das Roche-Hochhaus Bau 2 über Basel in den Himmel. 2020 löste es Bau 1 mit 178 Metern als höchstes Gebäude der Schweiz ab. Der zweite Roche-Turm setzt neue Maßstäbe in der kollaborativen Planung: Noch bevor sich Bau 2 Etage um Etage den Weg nach oben bahnte, konnte man im digitalen Zwilling bereits das Gebäude vom Keller bis ins Dach hinauf erkunden.
Was hinter diesem digitalen Zwillingsbruder steckt, ist alles andere als trivial. Ideen, Entwürfe, Simulationen, Zeitpläne, Pflichtenhefte, Budgets, Baugenehmigungen – um das alles zu koordinieren, muss das Zusammenwirken aller Beteiligten ausgesprochen gut funktionieren. Für einen reibungslosen Projektablauf setzen Bauherr, Architekt, Planer und ausführende Firmen auf Building Information Modeling, kurz BIM.
Digitales Abbild eines Bauwerks mit großer Informationstiefe
Der Begriff Building Information Modeling entspricht am ehesten der Übersetzung Bauwerksdatenmodellierung. Darunter fällt längst nicht nur der Einsatz der passenden Software. Vielmehr geht es um Planungsmethoden und Prozesse, um für alle Bauakteure zugängliche, digitale Gebäudedatenmodelle zu erstellen, zu koordinieren und zu übergeben. Damit ist BIM vor allem eine Informations-, Koordinations- und Managementmethode, um planungs-, ausführungs- und nutzungsrelevante Bauwerksinformationen in gewerkespezifischen Fachmodellen und Datenbanken zusammenzuführen. Hierunter fallen beispielsweise die verschiedenen Planungsbereiche wie Architektur, Tragwerk, Fassade oder TGA. Bei BIM zeichnen die Verantwortlichen nicht, sondern konstruieren, ähnlich wie in der Automobilproduktion, ein digitales Modell des späteren Gebäudes aus einzelnen Elementen.
Vereinfacht folgt BIM dem zwar schlichten, aber äußerst bewährten Motto: „Erst planen, dann bauen“. Ein grundlegender Unterschied zu herkömmlichen CAD-Planungsmodellen: Mit BIM lässt sich nicht nur ein einfaches digitales Abbild eines Bauwerks erstellen, sondern eines mit großer Informationstiefe. Neben der virtuellen Beschreibung der Geometrie einer Konstruktion werden die Daten der einzelnen Gebäudeelemente wie Material, Gewicht, Oberfläche, Volumen und Name sowie die Funktion und die Verortung in der Gebäudegeometrie erfasst. Hierzu gehören beispielsweise auch Informationen zur Lebensdauer des Materials, zur Schalldurchlässigkeit, zum Brandschutz oder zu den Kosten. Im Idealfall umfasst BIM ganzheitlich den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks - von der Planung über den Bau und Betrieb hin zur Entsorgung oder Wiederverwertung.
Mit BIM steigt Planungs- und Ausführungsqualität
Mit BIM lassen sich Planungsfehler frühzeitig erkennen und eliminieren, sodass sie im Bauablauf gar nicht erst zum Tragen kommen. So wird es möglich, teure Fehlentscheidungen bzw. Planungsunstimmigkeiten bereits im Vorfeld zu vermeiden. Da Roche einen konsequenten BIM-Kollaborationsansatz verfolgt, wird der gesamte Planungsprozess deutlich effizienter. Beispielsweise werden die Aufgabenverwaltung und Protokollierung der einzelnen Kollisionen bereits während der digitalen Koordinationssitzungen (DKS) durchgeführt. Und indem alle Akteure spezielle cloudbasierte Kommunikationstools verwenden, herrscht zu jeder Zeit höchstmögliche Transparenz und einfache Nachvollziehbarkeit der Koordinationspunkte. Roche kann durch den Einsatz von BIM somit Termin-, Kosten- und Qualitätsrisiken verringern. Darüber hinaus überzeugen Vorteile wie die Konsistenz, die Eindeutigkeit und die Möglichkeit der Mehrfachverwendung der BIM-Modell-Daten.
Auftraggeber profitieren zudem von effizienten Arbeitsabläufen, die Planungs- und Ausführungsqualität erhöhen sich. Die Kosten der Bauvorhaben lassen sich durch die Anwendung von BIM genauer vorhersagen und die Bauzeiten verlässlicher planen. So können an Kosten- und Termine gekoppelte Entwurfsvarianten bereits in einer sehr frühen Phase durchgespielt werden. Nicht zuletzt können geometrische Kollisionen zwischen den Gebäudemodellen der verschiedenen Planer frühzeitig festgestellt und somit zu geringen Kosten behoben werden. Simulierte Bau- und Montageabläufe bieten Schutz vor unangenehmen Überraschungen auf der Baustelle.
BIM-Kompetenz entscheidend für den Bauerfolg
Realisieren kann ein Auftraggeber diese und weitere Vorteile jedoch nur, wenn BIM bei seinem Bauvorhaben richtig aufgesetzt und professionell betrieben wird. Das gelingt nur mit den entsprechenden BIM-Experten auf Seiten des Bauherrn, beim Projektmanagement sowie bei den Planern. Denn was bei Einsatz der BIM-Methode eine weit größere Herausforderung als die technische Ausrüstung und die zugrundeliegenden Prozesse darstellt, ist die Kompetenz der Projektbeteiligten. Denn sie müssen nicht nur die dazu notwendige Software beherrschen, sondern sich auch gemeinsam auf BIM-Kommunikations-, Koordinations- und Informationsstandards einigen und sie konsequent im Projekt umsetzen. Es gilt, BIM-Know-how aufzubauen, Verantwortlichkeiten zu definieren und Rollen neu zu verteilen. Beteiligte – ob Bauherr, Architekt oder Planer – müssen finanzielle Mittel und vor allem Zeit investieren, um die Mitarbeiter zu schulen, ihnen Workshops anzubieten und das BIM-Wissen anhand von Pilotprojekten zu praktizieren.
Früh im Projekt von BIM-Arbeitsweise profitieren
Ein Bauherr, der sich erstmalig bzw. anhand eines ersten Pilotprojektes für BIM entscheidet, muss zunächst eine ganze Reihe von Fragen klären. Was ist die Zielsetzung für die Einführung von BIM und damit einer durchgängig digitalen Projektabwicklung? Wie genau sehen die Unternehmensprozesse für Entscheidungen aus? Wer übernimmt welche Rollen, Verantwortlichkeiten und Leistungsbilder der BIM-Methode? Was sind die BIM- und IT-Standards? Was ist jeweils der Informationsbedarf des organisatorischen und technischen Gebäudemanagements? Was ist die vorgesehene Ausschreibungs- und Vergabestrategie?
Bei Roche galten folgende Aspekte als Leitplanken der digitalen Planung, die im BIM Execution Plan (BEP) zusammengefasst wurden:
– Aufbau der Projektumgebung (Owner BIM) und Definition von Datenaustausch und Austauschprozessen (Definition der Datadrops und Koordination des digitalen Planungsablaufs);
– Aufsetzen der BIM-Prozesse in Abstimmung mit den Fachplanern und dem Bauherrn inklusive qualitätssichernder Prozesse sowie Erstellung und Fortschreibung des BIM Execution Plan (BEP) für die verschiedenen Projektphasen;
– Definition und Etablierung der digitalen Kollaborationsprozesse inklusive digitaler Reportings hinsichtlich der Performance der Projektbeteiligten, Fortschrittskontrollen;
– Aufsetzen des Information Delivery Manual (IDM) für die Planungsphasen hinsichtlich der Attributsanforderungen der unterschiedlichen Gewerke und Bauteile, Definition der Lieferzeitpunkte, Definition der Autorenschaft und Aufbau einer zentralen Modellprojektdatenbank;
– Modellbasierte Mengenkalkulation für die Leistungsverzeichnis-Erstellung;
– Qualitätssichernde Prozesse insbesondere hinsichtlich der geometrischen sowie alphanumerischen Modellqualitäten (LOG und LOI) auf Basis der im Projektteam festgelegten Modellierungsregeln.
Sind diese Themen erst einmal beantwortet, dürfen sich Bauherren allerdings schon in sehr frühen Projektphasen auf die Vorzüge BIM-basierter Arbeitsweisen freuen. Das beginnt mit der Grundlagenermittlung und der Vorentwurfsphase, in der mit BIM Massenmodelle in 3D erstellt werden können. Dank BIM haben Projektbeteiligte von Anfang an beispielsweise Zugriff auf die Gebäudekennwerte nach DIN 277 wie Bruttorauminhalt oder Bruttogrundfläche.
Zwar sind sowohl der Aufbau als auch die Pflege des BIM-Datenmodells gerade in den frühen Projektphasen aufwendiger als bei der herkömmlichen 2D-Planung, doch das lohnt sich schon deshalb, weil in den folgenden Phasen der Genehmigungs- und Ausführungsplanung vieles halbautomatisiert aus dem Modell abgeleitet werden kann.
In der Folge können die Projektbeteiligten beispielsweise dem Auftraggeber unter Einbeziehung von Mengen- und Kostenanalysen mehrere, einfach visualisierte Entwurfsalternativen als gute Entscheidungsgrundlage vorstellen. Der Auftraggeber wiederum kann auf dieser Basis die Kostenunterschiede der zum Beispiel in Gebäudeform, Material und Ausstattung veränderten Alternativen einfach miteinander vergleichen. So kann er in der frühen Planungsphase beispielsweise die Gebäudeform im Hinblick auf die spätere Funktion des Gebäudes optimal abstimmen.
Zielsetzung bestimmt Auswahl der BIM-Strategie
Welche BIM-Strategie ein Bauherr verfolgen sollte, hängt vor allem von dessen Zielsetzung ab. Geht es beispielsweise um ein energieoptimiertes Gebäude, profitiert er von modellgestützten Energiesimulationen. Ist er nach Fertigstellung auch Betreiber, gilt es frühzeitig das Computer-Aided Facility Management, kurz CAFM, in das BIM einzubinden. Wer Gebäude für große Personengruppen - wie beispielsweise Veranstaltungsstätten - baut, für den sind sicher auch die Simulation von Personenbewegungen und Klimatisierungsvarianten relevant.
Für den Bauherrn ist es daher wichtig, die anzuwendende Komplexität der BIM-Methode rechtzeitig festzulegen. Will er von Vorteilen wie einer automatisierten Datenübergabe, der Verringerung der Planungszeit und der -kosten oder der Kollisionsprüfung und Minimierung von Fehlern profitieren, so muss er auf eine disziplinübergreifende Standardisierung der BIM-Modellierung zurückgreifen können.
Digitales Gedächtnis fürs Gebäude
Außerdem können die mit BIM erstellten Modell-Ansichten für die Präsentation des Planungsstands bei Nutzern und Öffentlichkeit verwendet werden. So wird die Qualität der Abstimmungen erheblich verbessert. Angefangen bei den Mitarbeitenden der verschiedenen Abteilungen, über politische Stakeholder bis hin zu Presse und Öffentlichkeit sind beim Roche-Neubau eine Vielzahl an unterschiedlichen Anspruchsgruppen beteiligt. Deren stringente Einbindung ist in einem solchen Großprojekt ein äußerst wichtiger Aspekt – nicht nur um die optimale Funktionalität des Gebäudes sicherzustellen, sondern auch, um eine frühzeitige Identifikation mit dem Projekt und damit Akzeptanz zu schaffen. Visualisierungen des Gebäudes, seiner Umgebung, der Zufahrten aus den realen Planungsdaten und Simulationen von Arbeitsabläufen, Verkehrssituationen etc. sind dafür äußerst hilfreich. Die dreidimensionalen Ansichten, die aus dem BIM-Modell erstellt werden, sind intuitiv verständlich und die Nutzerinnen und Nutzer erhalten einen realistischen und plastischen Eindruck der prozessualen Funktionsbereiche sowie des gesamten Gebäudes. Bei Roche ist sogar eine virtuelle Begehung mittels VR-Brille möglich. Hier kann man sich frei im virtuellen Raum bewegen, Prozessabläufe durchspielen und so qualitativ fundierte Entscheidungen zur Ausstattung, den betrieblichen Abläufen und Aufteilung der Räume treffen.
Nach Abschluss des Bauvorhabens dient das modellbasiert in der Cloud abgebildete Gesamtmodell als Basis für das Facility- und Life-Cycle-Management – und erleichtert so den wirtschaftlichen Betrieb des Gebäudes. Der Facility Manager kann die Modellsystematiken als eine Art „Ordnungssystem" zur Gebäudeverwaltung nutzen. Gleichzeitig können alle künftigen Betriebsdaten – Wartungsarbeiten, Umbau oder Sanierung –auf dieser Datenbasis erfasst und die für Facility-Management-Belange erforderlichen Daten kontinuierlich fortgeschrieben werden, was einen wirtschaftlichen Betrieb ermöglicht. Aus den „as designed“- und „as-built“-Modellen der Planungs- und Bauphase wird so ein „as-performed“-Modell – ein digitaler Gebäudezwilling, der einen besonders ressourcenschonenden und effizienten Immobilienbetrieb ermöglicht – ein Gebäudeleben lang.
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