Multifunktionales Dosiersystem hilft Naturfasern und Kunststoffe miteinander zu verbinden
Für die Entwicklung innovativer klima- und ressourcenfreundlicher Verfahren und Werkstoffe für den Fahrzeugbau, den Holz- und Möbelbau sowie zahlreiche weitere Anwendungen, wurde an der Hochschule Rosenheim eine bundesweit einzigartige Anlage mit Pilotcharakter installiert. Ziel des Investitions-Projektes ist es, die Vorteile von Holz- bzw. Naturfasern mit denen von Kunststoffen zu verbinden, um technologisch innovative Produkte aus Naturfaser-Kunststoff-Composites sowie dafür geeignete Fertigungstechnologien zu entwickeln.
„MUNACU“ – eine fakultätsübergreifende Forschungskooperation
Die Initialzündung für das fakultätsübergreifende Kooperationsprojekt „MUNACU – Multi-funktionale Naturfaser Kunststoff Composites“ war eine Bekanntmachung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Demnach unterstützt das BMBF im Rahmen der Fördermaßnahme „FHInvest“ Fachhochschulen, die ihr Forschungsprofil bzw. einen Forschungsschwerpunkt mit Hilfe von Investitionsprojekten zur Bereitstellung und Anwendung von Forschungsgeräten ausbauen wollen.
„Unsere Ausgangsüberlegung war, die klassische Holzverarbeitung mit der bewährten und effizienten „One-Shot-Technik“ des Spritzgießens zu verknüpfen“, erläutert Peter Karlinger, Professor an der Hochschule Rosenheim, den Werdegang des Projekts. Karlinger betreut unter anderem das Fachgebiet Spritzgießen und forscht in den Bereichen Prozesstechnik beim Spritzgießen, Leichtbau und Reinraumtechnik. Gemeinsam mit seinen Kollegen Dr.-Ing. Michael Schemme, dessen Spezialgebiet Faserverbundwerkstoffe ist, sowie Dr. Andreas Michanickl von der Fakultät Holztechnik und Bau konzipierte er das Projekt „Multifunktionaler Leichtbau mit natürlichen Roh- bzw. Werkstoffen, speziell mit nachwachsenden Fasern.“
Ganzheitliche Anlagenkonfiguration
Bei der Anlagenkonfiguration haben die Forscher ein ganzheitliches Konzept verfolgt – das zugleich dem übergeordneten Leitthema „Vom Rohstoff über die Fasern zum Bauteil“ entspricht. Entsprechend komplex ist die Pilotanlage, die aus mehreren Komponenten in verschiedenen Bereichen besteht:
- Refineranlage im Labor für Holzwerkstofftechnik für die Herstellung von definierten Fasern aus natürlichen Rohstoffen
- DCIM-Spritzgießcompounder im Technikum Kunststoffverarbeitung
- Gravimetrische Synchrondosier- und Mischstation mit vier Dosiermodulen zur Beschickung des Compounders
- Vertikale Schließeinheit die sich zugleich als Prägepresse einsetzen lässt
- Zusatz-Spritzgießaggregat (Bolt-On-Aggregat)
- IMC-Spritzgießcompounder mit einer kontinuierlich gravimetrischen Dosierung
- 6-Achs-Roboter, Versuchswerkzeuge und Prüfeinrichtungen
Materialaufbereitung und Verarbeitung mit DCIM-Technologie
Beim Direct Compounding Injection Moulding (DCIM) erfolgen die Aufbereitung der Ausgangsmaterialien und die anschließende Formgebung in einem Fertigungsschritt.
Dazu arbeitet ein Einschnecken-Compoundier-Extruder kontinuierlich einer Standard-Plastifizier- und Einspritzeinheit zu. An der Spitze des Extruders ist ein Umschaltventil, über das die Materialzufuhr zur Plastifizier- und Einspritzeinheit geregelt wird. Ein Schmelzereservoir ist hier nicht erforderlich; auch bleibt der Spritzgießprozess selbst unverändert.
Die Direktverarbeitung in einer Wärme hat sowohl technische als auch wirtschaftliche Vorteile. Zu nennen sind etwa eine bessere Materialqualität aufgrund der geringeren ther-mischen und mechanischen Belastung (geringere Scherbelastung) des Materials. Auch lassen sich beispielsweise längere Fasern einarbeiten und schonend homogen verteilen, was im Hinblick auf die Verarbeitung von Naturfasern wichtig ist. Durch den Wegfall der zusätzlichen Halbzeugstufe ergeben sich zudem Kosten- und Energieeinsparungen. Die DCIM-Technologie ist eine Gemeinschaftsentwicklung von KraussMaffei, Motan-Colortronic und dem Compoundentwickler Exipnos.
4fach-Labline-Dosierung – Präzision beim Dosieren der Komponenten
Die Materialversorgung des Compoundier-Extruders erfolgt mit einer gravimetrischen Synchrondosier- und Mischeinheit aus der Graviplus-Baureihe von Motan-Colortronic, Friedrichsdorf. Ausgerüstet ist das Dosiersystem mit vier Labline-Dosiermodulen. Wäh-rend ein Dosiermodul mit einem Metro-Fördergerät automatisch befüllt werden kann, sind die übrigen drei manuell zu befüllen. Für die Basisausstattung wurden Dosierschnecken für unterschiedliche Rieseleigenschaften (frei, mäßig und schwer fließend) gewählt. Ein Dosiergerät ist mit einem Doppelschneckenmodul ausgerüstet.
Das modular aufgebaute Dosiersystem lässt sich ohne großen Aufwand schnell an die unterschiedlichsten Dosieraufgaben anpassen, weshalb es sich optimal für den Einsatz bei den geplanten Forschungsaktivitäten eignet. Dazu stehen optional verschiedene Dosiermodule für Granulat, Mikrogranulat, Pulver und Mahlgut sowie für Flüssigkeiten zur Verfügung. Für schwer oder nicht rieselfähige Materialien enthält der „Dosier-Baukasten“ Dosiermodule mit Doppelschnecken und Rührwerken.
Das Graviplus arbeitet nach dem Differential-Wiegeprinzip, das auch als „loss-in-weight-Prinzip bekannt ist. Im Vergleich zu einem Chargen-Dosiergerät weist die Loss-in-Weight-Technik eine wesentlich höhere Dosiergenauigkeit auf, wie Dosierversuche bei einem früheren Projekt zeigten. Dieser Aspekt ist bei schwierig zu dosierenden Materialien von besonderer Bedeutung. Zudem sind durch das direkte Eindosieren in den Compoundier-Extruder Entmischungen nahezu ausgeschlossen. Neben der erforderlichen Dosiergenau-igkeit war dies ein weiterer Grund, der für eine kontinuierlich gravimetrisch arbeitende Dosierung sprach.
Im Betrieb vergleicht die Steuerung den realen Durchsatz mit dem hinterlegten Soll-Durchsatz, wobei sie eventuelle Abweichungen sofort erkennt. Ausgeglichen werden Abweichungen über die Drehzahl der Dosierorgane. Der Materialaustrag erfolgt kontinuierlich und synchron in den Sammelbehälter. Von dort gelangt die so entstandene homogene Mischung in den Materialeinzug des Compounders. Entmischungen sind bei dieser Verfahrensweise nicht zu befürchten.
Weil der Materialfluss kontinuierlich gewichtsbezogen überwacht und geregelt wird, haben Schüttgewichtsschwankungen, Korngrößenänderungen oder wechselndes Fließverhalten bei der Differentialdosierung so gut wie keine Auswirkungen auf die Dosiergenauigkeit. Auch dieser Aspekt spielt bei den anstehenden Untersuchungen in Rosenheim eine wichtige Rolle, denn insbesondere das Dosieren und Fördern von Naturfasern gilt als eine gewaltige Herausforderung.
Gesteuert wird das Dosiersystem über die Gravinet GP-Steuerung, deren Bedienung menügeführt über einen 12,1“-Bildschirm mit TFT-Touchscreen erfolgt. Meldungen und Alarme zeigt die Steuerung im Klartext an.
„Neben der hohen Dosiergenauigkeit und der Reproduzierbarkeit der Ergebnisse war die einfache Handhabung des Systems eine klare Forderung. Mit wenigen Handgriffen kön-nen wir den Versuchsaufbau variieren sowie Materialwechsel vornehmen“ erklärt Karlinger ergänzend.
Geplante Forschungsschwerpunkte
Mit der nun zur Verfügung stehenden Anlagentechnik eröffnet sich den Holz- und Kunststoffexperten ein weites Spektrum für material- und verfahrenstechnische Untersuchungen. Im Mittelpunkt steht die Erforschung und Entwicklung neuer Werkstoffe und Leichtbauverfahren, um Bauteile mit Naturfasern ressourcenschonend, kostengünstig und vielseitig einsetzbar herzustellen. In Verbindung mit dem IMC-Spritzgießcompounder – der ebenfalls mit einem kontinuierlich gravimetrischen Dosiersystem von Motan-Colortronic ausgerüstet ist – sind darüber hinaus vergleichende Untersuchungen zwischen DCIM und dem klassischen gleichlaufenden Doppelschneckenextruder geplant.
motan-colortronic gmbh
61381 Friedrichsdorf
Deutschland