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Messleistung und Spezifikationen richtig interpretieren
Die Qualität eines Messgeräts wird oft auf eine einfache Frage reduziert: Wie genau ist die Messung? So simpel diese Frage auch klingen mag, sie lässt sich nicht immer so einfach beantworten. Für die Wahl des geeignetsten Messgeräts ist nämlich Wissen über die Faktoren erforderlich, die zur Unsicherheit einer Messung beitragen. Nur so lässt sich verstehen, was die Spezifikationen aussagen – und was nicht.
Die Messleistung bestimmt sich durch ihre Dynamik (Messbereich, Ansprechzeit), Genauigkeit (Wiederholbarkeit, Präzision und Empfindlichkeit) und Stabilität (Verschleißfestigkeit, Einsatz bei extremen Umgebungsbedingungen). Genauigkeit gilt dabei oft als wichtigste Eigenschaft, zählt aber gleichzeitig zu den Merkmalen, die am schwierigsten zu spezifizieren sind.
Empfindlichkeit und Genauigkeit
Die Änderung des Wertes der Ausgangsgröße eines Messgeräts bezogen auf die Änderung des Referenzwertes wird als Empfindlichkeit bezeichnet. In der Theorie ist dieses Verhältnis perfekt linear. In der Praxis weisen alle Messungen gewisse Unvollkommenheiten bzw. Unsicherheiten auf.
Häufig wird die Übereinstimmung von Messwert und Referenzwert einfach „Genauigkeit“ genannt, aber das ist eine etwas vage Ausdrucksweise. Spezifizierte Genauigkeit beinhaltet in der Regel Wiederholbarkeit, also die Fähigkeit des Geräts, das gleiche Ergebnis zu liefern, wenn die Messung unter konstanten Bedingungen wiederholt wird. (Abb. 1) Es können aber Hysterese, Temperaturabhängigkeit. Nichtlinearität und Langzeitstabilität enthalten sein. Wiederholbarkeit allein ist meist eine unbedeutendere Quelle der Messunsicherheit. Wenn die Genauigkeitsspezifikation keine anderen Unsicherheiten angibt, kann sie einen falschen Eindruck von der tatsächlichen Messleistung vermitteln.
Das Verhältnis zwischen Messwerten und einem bekannten Referenzwert wird oft als Übertragungsfunktion bezeichnet. (Abb. 2) Bei der Justierung einer Messung wird dieses Verhältnis anhand eines bekannten Kalibrierreferenzwerts feineingestellt. Im Idealfall ist die Übertragungsfunktion über den gesamten Messbereich perfekt linear. Bei den meisten Messungen treten in der Praxis aber Veränderungen bei der Empfindlichkeit in Abhängigkeit von der Messgröße auf. Diese Art der Unvollkommenheit wird oft Nichtlinearität genannt. (Abb. 3) Dieser Effekt verstärkt sich an den Ober- und Untergrenzen (Extrema) des Messbereichs. Es empfiehlt sich daher, nachzuprüfen, ob in der Genauigkeitsspezifikation die Nichtlinearität berücksichtigt ist und ob die Genauigkeit für den vollständigen Messbereich angegeben ist. Ist das nicht der Fall, sind Zweifel an der Genauigkeit im Bereich der Extrema angebracht.
Hysterese ist die Veränderung der Messempfindlichkeit, die von der Richtung der Änderung der Messgröße abhängt. (Abb. 4) Das kann eine wichtige Ursache für Messunsicherheit bei Feuchtesensoren sein, die aus Material mit starker Bindung an Wassermoleküle gefertigt sind. Wenn die angegebene Genauigkeit keinen Hinweis auf die Berücksichtigung der Hysterese enthält, dann bleibt diese Quelle der Messungenauigkeit ungeklärt. Geht die Kalibriersequenz nur in eine Richtung, wird zudem der Hysterese-Effekt bei der Kalibrierung kaschiert. Wenn in der Spezifikation Angaben zur Hysterese fehlen, kann auch unmöglich das Maß an Hysterese in der Messung ermittelt werden. Dünnfilm-Polymersensoren von Vaisala weisen eine vernachlässigbare Hysterese auf, die immer in der spezifizierten Genauigkeit enthalten ist.
Umgebungsbedingungen wie Temperatur und Druck wirken sich ebenso auf die Messgenauigkeit aus. Wenn die Temperaturabhängigkeit nicht spezifiziert ist und sich die Betriebstemperatur erheblich verändert, geht das unter Umständen zulasten der Wiederholbarkeit. Die Spezifikation kann sich auf den gesamten Betriebstemperaturbereich oder auch nur auf einen spezifischen, eingeschränkten oder „typischen“ Bereich beziehen. Derartige Spezifikationen lassen andere Temperaturbereiche unberücksichtigt.
Stabilität und Selektivität
Die Empfindlichkeit eines Messgeräts kann sich im Laufe der Zeit aufgrund von Alterung verändern. Gelegentlich wird dieser Effekt durch die Einwirkung von Chemikalien noch verstärkt. Wenn die Langzeitstabilität nicht angegeben ist oder wenn der Hersteller keine Empfehlungen zum durchschnittlichen Kalibrierintervall geben kann, dann bezieht sich die Spezifikation lediglich auf die Genauigkeit zum Zeitpunkt der Kalibrierung. Eine langsame Veränderung der Empfindlichkeit (gelegentlich auch Drift genannt) ist gefährlich, da sie unter Umständen kaum wahrnehmbar ist und latente Probleme bei Regelungssystemen hervorrufen kann.Selektivität ist definiert als die Unempfindlichkeit des Messgeräts gegenüber Änderungen von anderen Faktoren als der tatsächlichen Messgröße. Wenn beispielsweise Feuchtemessungen in einer Atmosphäre durchgeführt werden, in der bestimmte Chemikalien enthalten sind, beeinflussen diese chemischen Stoffe unter Umständen das Messergebnis. Dieser Effekt kann reversibel oder irreversibel sein. Die Reaktion auf bestimmte Chemikalien ist gelegentlich extrem langsam und diese Kreuzempfindlichkeit gegenüber der Chemikalie ist leicht mit Drift zu verwechseln. Ein Gerät mit guter Selektivität reagiert nicht auf Änderungen, die nichts mit dem tatsächlichen Messwert zu tun haben.
Kalibrierung und Unsicherheit
Wenn die Messung vom Referenzwert abweicht, kann die Geräteempfindlichkeit korrigiert werden. Dieser Vorgang wird Justierung genannt. Justierung, die an einem einzelnen Punkt vorgenommen wird, wird als Offset-Korrektur bezeichnet: Zwei-Punkt-Justierung ist eine lineare Korrektur von Offset und Gain bzw. Verstärkung (Empfindlichkeit). Wenn die Messung an verschiedenen Punkten justiert werden muss, lässt das unter Umständen auf eine mangelhafte Linearität der Messung schließen, die mit nichtlinearen Mehrpunktkorrekturen ausgeglichen werden muss. Wenn zudem die Justierpunkte mit den Kalibrierpunkten übereinstimmen, bleibt die Messqualität zwischen den Justierpunkten ungeprüft.
Sobald das Gerät justiert wurde, wird es kalibriert, um seine Genauigkeit zu überprüfen. Kalibrierung, die gelegentlich mit Justierung verwechselt wird, ist der Vergleich des Messwertes mit einem bekannten Referenzwert, der als Arbeitsstandard bezeichnet wird. Der Arbeitsstandard ist das erste Glied in der Rückführbarkeitskette, die die Abfolge von Kalibrierungen und Referenzen bis zum Primärstandard bezeichnet. Eine Anzahl von Geräten, die anhand eines bestimmten Messwerts kalibriert wurden, kann zwar in Bezug zueinander genau sein (hohe Präzision), aber wenn die Kalibrierunsicherheit nicht angegeben ist, lässt sich die absolute Genauigkeit bezogen auf den Primärstandard nicht nachprüfen. Die Rückführbarkeit der Kalibrierung bedeutet, dass die Kette von Messungen, Referenzen und damit zusammenhängenden Unsicherheiten bis zum Primärstandard bekannt und fachmännisch dokumentiert ist. So lässt sich die Unsicherheit des Kalibrierreferenzwertes berechnen und die Gerätegenauigkeit ermitteln.
Was bedeutet "hinreichende Genauigkeit"?
Bei der Wahl eines Messgeräts muss die erforderliche Genauigkeit in die Überlegungen einbezogen werden. Bei einer Standardlüftungsanlage, die beispielsweise die relative Feuchte für ein angenehmes Wohnraumklima regelt, ist eine Toleranz von ±5 % rF wahrscheinlich ausreichend. Aber bei einer Anwendung wie der Steuerung eines Kühlturms ist eine genauere Regelung mit engeren Grenzwerten zur Steigerung der Betriebseffizienz gefordert.
Dient der Messwert als Steuersignal, sind Wiederholbarkeit und Langzeitstabilität (Genauigkeit) wichtig, die absolute Genauigkeit gegenüber einem rückführbaren Referenzwert spielt hingegen eine untergeordnete Rolle. Dies gilt insbesondere für einen dynamischen Prozess, bei dem die Temperatur- und Feuchte-Variationen groß sind und bei dem die Stabilität der Messung und nicht die absolute Genauigkeit eine entscheidende Rolle spielt.
Wenn aber andererseits mit einer Messung beispielsweise nachgeprüft wird, ob die Testbedingungen in einem Labor mit anderen Laboren vergleichbar sind, dann sind die absolute Genauigkeit und die Rückführbarkeit der Kalibrierung von größter Bedeutung. Ein Beispiel für eine solche Anforderung an die Genauigkeit ist die Norm TAPPI/ANSI T402 „Standard conditioning and testing atmospheres for paper, board, pulp handsheets, and related products“, die die Werte für Testbedingungen in einem Papiertestlabor auf 23 ±1 °C and 50 ±2 % rF festlegt. Wäre die spezifizierte Messgenauigkeit ± 1.5 % rF, aber die Kalibrierunsicherheit ±1.6 % rF, dann würde die Gesamtunsicherheit in Bezug auf den primären Kalibrierstandard außerhalb der Spezifikation liegen. Die Analysen – die stark von der Umgebungsfeuchte in der Testeinrichtung abhängen – wären somit nicht vergleichbar. Eine Bestätigung, dass die Analysen unter Standardbedingungen durchgeführt wurden, wäre in diesem Fall nicht möglich.
Eine Genauigkeitsspezifikation ohne Informationen zur Unsicherheit des Kalibrierreferenzwerts lässt die absolute Genauigkeit des Geräts undefiniert.
Es gehört zum Selbstverständnis von Vaisala, professionelle und vollständige Spezifikationen zu liefern, die auf internationalen Normen, wissenschaftlichen Testmethoden und empirischen Daten beruhen. So können unsere Kunden bei der Wahl geeigneter Produkte auf umfassende und zuverlässige Informationen zurückgreifen.
Checkliste für die Wahl eines Messgerätes
- Beinhaltet die spezifizierte Genauigkeit alle potenziellen Unsicherheiten: Wiederholbarkeit, Nichtlinearität, Hysterese und Langzeitstabilität?
- Bezieht sich die spezifizierte Genauigkeit auf den gesamten Messbereich, oder ist die Genauigkeitsspezifikation auf einen bestimmten Bereich eingeschränkt? Ist die Temperaturabhängigkeit in der Spezifikation aufgeführt und ist der Temperaturbereich in der Genauigkeitsspezifikation definiert?
- Kann der Hersteller ein entsprechendes Kalibrierzertifikat vorweisen? Enthält das Zertifikat Informationen zur Kalibriermethode, zu den verwendeten Referenzwerten und zur fachmännisch berechneten Unsicherheit des Referenzwerts? Sind im Zertifikat mehr als ein oder zwei Kalibrierpunkte enthalten und ist der gesamte Messbereich abgedeckt?
- Wird eine Empfehlung zum Kalibrierintervall gegeben, und ist die Langzeitstabilität in der Genauigkeitsspezifikation enthalten? Welches Maß an Selektivität ist in der vorgesehenen Betriebsumgebung erforderlich? Kann der Hersteller Informationen oder Referenzen hinsichtlich der Eignung des Geräts für die vorgesehene Umgebung und Anwendung liefern?
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