- Planung
Dipl.-Ing. (FH) Gabriele Schmeer-Lioe, Dipl. Ing. (FH) Hygienetechnik Margarete Witt-Mäckel
Frührentner? Wie lange Reinraumwischbezüge tatsächlich eingesetzt werden können
Höchste Anforderungen an Produktsicherheit und Produktqualität erfordern besonders in Reinräumen definierte Produktionsumgebungen und spezielle Anforderungen an die dort eingesetzten Betriebsmittel und Verbrauchsmaterialien. Werden Betriebsmittel und Verbrauchsmaterialien mehrfach eingesetzt und dazu wiederaufbereitet, stellt sich dem Anwender natürlich die Frage, wie lange diese Materialien wieder eingesetzt werden können. Abhängig von der Art der Betriebsmittel und Verbrauchsmaterialien gilt es daher, einen Nutzungszeitraum zu definieren, innerhalb diesem der Erhalt der Qualität und Funktionalität dieser Mittel und Materialien zugesichert werden kann.
Bevor eine Aussage zum Nutzungszeitraum getroffen werden kann, muss die Aufgabe der Betriebsmittel und Verbrauchsmaterialien sowie der Einsatzbereich und Einsatzzweck definiert werden. Daraus ergeben sich die notwendigen Eigenschaften, die das Material beschreiben. Diese Eigenschaften oder Parameter dürfen sich über den Einsatzzeitraum nicht oder ggf. bedingt verändern. Tritt eine entscheidende Änderung ein, beispielsweise der Verlust einer gewünschten Funktion, so ist das Ende des Einsatzzeitraums erreicht, d.h. das Material geht in Rente.
Die Empfehlungen zum Nutzungszeitraum bzw. zur Lebensdauer von Mehrwegwischbezügen beruhten bisher aufgrund fehlender analytischer Methoden und Bewertungen auf Erfahrungswerten aus der Industrie und auf internen Qualitätsprüfungen durch Reinraumwäschereien. Viele Betreiber von Reinräumen in Bereichen mit hohen Qualitätsanforderungen neigten daher bisher dazu, ein Textil eher frühzeitig in Rente zu schicken.
Im Rahmen eines AIF ZIM-Forschungsprojektes, gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages, wurden nun die Erfahrungswerte in einem Praxistest überprüft, so dass jetzt auch ein dokumentierter und quantifizierter Nachweis über die Alterung der Mehrwegwischbezüge bei unsteriler und steriler Aufbereitung in Reinraumwäschereien vorliegt. Ziel des Praxistests war, eine mögliche Veränderung der Wischbezüge durch die hohe Belastung in den Wasch- und Sterilisationsprozessen und durch den Gebrauch festzustellen und die bisherigen Empfehlungen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Neben Prüfmethoden, die aus dem Bereich der Reinraumbekleidung bekannt sind, wurden weitere, möglichst praxisnahe Parameter definiert und Prüfmethoden ausgearbeitet.
Definition der Eigenschaften und der Prüfparameter
Zunächst wurden die Eigenschaften und damit die Prüfparameter definiert. Diese beruhen auf dem Einsatzzweck eines Wischbezugs im Reinraum und beschreiben, welche Qualitätsmerkmale ein Wischbezug haben muss, damit es nicht zu einer Beeinträchtigung des Reinheitsgrades der Produktionsumgebung sowie zu einem Qualitätsverlust der hergestellten Produkte kommen kann. Bei der Festlegung der Prüfparameter wurden die Empfehlungen zur Reinheitstauglichkeit gem. VDI 2083, Blatt 9.2, berücksichtigt.
Die definierten Parameter wurden über den gesamten Lebenszyklus geprüft und die Ergebnisse über diesen Zeitraum verglichen, um eine mögliche Veränderung durch Alterung, insbesondere durch die Aufbereitung, zu erkennen. Eine signifikante Verschlechterung würde bedeuten, dass der Bezug zu diesem Zeitpunkt nicht mehr dem Aufbereitungsprozess zugeführt werden kann und der Endpunkt der Wiederaufbereitung erreicht ist.
Durchführung der Untersuchung
Die Prüfung der Alterung der Wischbezüge und damit die Ermittlung der Lebensdauer wurden im Rahmen eines Praxistests durchgeführt. Die Aufbereitung der Wischbezüge erfolgte in einem validierten Wasch- und Sterilisationsprozess in einer spezialisierten Reinraumwäscherei. Die Prüfmuster wurden dabei nicht separat, sondern unter den allgemein üblichen Bedingungen für Reinraum-Wischbezüge aufbereitet. Um die Belastung durch die Nutzung zu erfassen, wurden die Bezüge im Reinraum angewendet und anschließend aufbereitet. Die Anwendung erfolgte im Reinraum ISO 6 bzw. GMP C bei üblicher Verschmutzung (Kontaminationen vom Menschen wie Hautpartikel und Keime, Fasern der Bekleidung, Rückstände von Desinfektionsmitteln und sonstigen im Betrieb anfallenden Verschmutzungen) und unter Einsatz eines Desinfektionsmittels auf Basis von Glucoprotaminen. Die Bezüge wurden nach der Vorpräparationsmethode EasyMop GMP getränkt.
Als Prüfmuster wurden zwei Mehrweg-Reinraum-Wischbezüge der Fa. Pfennig Reinigungstechnik GmbH ausgewählt, die seit einigen Jahren erfolgreich im Markt eingesetzt werden. Dabei handelt es sich um einen sog. Schlingenmopp, bestehend aus längeren, geschlossenen Schlingen [Abb. 1], und um einen niederflorigen Bezug, dessen Wischfläche aus Mikrofaservelour mit Borstenstreifen besteht [Abb. 2]. Das Material beider Bezüge ist zu 100% Polyester-Mikrofaser. Die bisherigen Empfehlungen zur Aufbereitung beider Bezüge liegen bei 50 Zyklen für steril aufbereitete Bezüge sowie bei 100 Zyklen für nicht steril aufbereitete Bezüge.
Beide Bezüge wurden nicht steril (Waschen) und steril (Waschen und Autoklavieren) aufbereitet und beide Aufbereitungsarten separat nach festgelegten Aufbereitungszyklen analysiert. Die Analysen wurden durch das Institut für Textil- und Verfahrenstechnik Denkendorf ITV durchgeführt. Diese Untersuchungen umfassten neben bekannten Prüfungen für Reinraumbekleidung auch innerhalb des Projektes weiterentwickelte Prüfmethoden. Die Labor-Untersuchungen des ITV wurden ergänzt durch praxisnahe Prüfungen der Fa. Pfennig Reinigungstechnik GmbH und durch Projektarbeiten an der Hochschule Sigmaringen, Fachbereich LEH, betreut durch Prof. Dr. rer. nat Gerhard Winter.
Beschreibung der Prüfparameter
Partikelemission
Textile Verbrauchsmaterialien wie Wischbezüge geben bedingt durch ihre Grundmaterialien Fasern und Faserbruchstücke ab. Entscheidend für den Gebrauch im Reinraum sind Größe und Menge der abgegebenen Teilchen. Aufgrund von Beschädigungen der Textilfasern durch die hohe Belastung während der Wasch- und Sterilisationsprozesse ist eine Erhöhung der Partikelabgabe durch Ermüdung der Textilien zu erwarten.
Durch den Einsatzzweck des Wischbezugs ist zudem eine Partikelfreigabe während des Wischvorgangs nicht auszuschließen. Die mechanische Anwendung, Reibung zwischen Textil und Oberfläche, kann je nach Beschaffenheit der Werkstoffe zu Abrieb und damit zur Partikelgenerierung führen. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass der Wischbezug in der Regel getränkt eingesetzt wird. Die Flüssigkeit bindet die Fasern und Faserbruchstücke des Textils, die so nicht an die Umgebung abgegeben werden.
Reinigungseffizienz
Die Aufgabe des Wischbezugs während der Reinigung ist es, die Verunreinigungen durch das Zusammenspiel von Wirkstoffen und mechanischem Abtrag von der Oberfläche abzulösen und vollständig mitzunehmen. Zur Bewertung der Reinigungseffizienz wird der Anteil der ursprünglichen Verunreinigungen, die nach einem Wischvorgang noch auf der Oberfläche sind, gemessen und der prozentuale Reinigungserfolg berechnet. Bei dieser Untersuchung wird auch die mögliche Abgabe unerwünschter Partikel beim Wischgang mit erfasst.
Anwendungstechnische Parameter
Unter diesem Begriff sind die Merkmale Flüssigkeitsaufnahmekapazität, Flüssigkeitsabgabe und Benetzung sowie die damit verbundene Flächenleistung erfasst. Vor allem zur Inaktivierung von Mikroorganismen, aber auch zum Entfernen von Verunreinigungen ist ein gleichmäßiges Auftragen der Wirkstoffe auf die Oberfläche Voraussetzung. Daher muss nicht nur ausreichend Flüssigkeit vom Bezug aufgenommen werden, sondern auch wieder möglichst gleichmäßig abgegeben werden. Wechselwirkungen zwischen Textil und Chemie, u.a. ein Anhaften der Wirkstoffe, müssen berücksichtigt werden.
Reibung
Das Reibungsverhalten beeinflusst die Reinigungseffizienz und kann sich aufgrund der Veränderung der textilen Strukturen durch die Aufbereitung auf den Reinigungsprozess auswirken.
Textile Parameter
Die Funktionalität eines Wischbezugs ist entscheidend abhängig von der textilen Struktur der Wischfläche und der Fasern. Mechanische, thermische und chemische Belastungen während des Gebrauchs und der Aufbereitung führen zu einer Ermüdung der Textilien und damit zu einer Verschlechterung der Eigenschaften. Veränderungen sind beispielsweise eine Aufrauung der Wischfläche, Farbveränderungen, Fleckbildung sowie Steifheit.
Prüfmethoden
Die Ausarbeitungen der Prüfmethoden und die Festlegung der Bewertungskriterien für die definierten Parameter dienen in diesem Projekt zur Ermittlung der Veränderungen über den Lebenszyklus und zur Bewertung der Alterung. Da für einen Vergleich eine Standardisierung der Rahmenbedingungen unerlässlich ist und die Analysenergebnisse sich daher immer auf diese Standardbedingungen beziehen, bleibt der Anwender stets in der Pflicht, eine Eignungs- und Kompatibilitätsprüfung für seine spezifischen Anwendungsbedingungen durchzuführen.
Übersicht der Prüfparameter und der Prüfmethoden
(siehe Tabelle 1)
Fazit
Die Untersuchungsergebnisse bestätigten, dass Mehrwegwischbezüge für den Einsatz im Reinraum nicht in Frührente geschickt werden müssen, sondern dass das empfohlene Rentenalter weiterhin gilt. Das bedeutet, dass die bisher empfohlenen Zyklen für die untersuchten Wischbezüge unter den definierten Standardbedingungen zutreffen.
Mit diesem Praxistest liegen zum ersten Mal Aussagen und Analysen über die Alterung von Mehrwegwischbezügen für die Anwendung im Reinraum vor. Der Aussage, dass Mehrwegbezüge aufgrund der mehrfachen Aufbereitung Leistungsverluste erfahren, kann hiermit deutlich widersprochen werden. Darüber hinaus verfügt der Anwender nun, in Verbindung mit den validierten und chargendokumentierten Aufbereitungsprozessen der Reinraumwäschereien, über eine umfassende Prozesssicherheit, die den hohen Ansprüchen an Dokumentation und Validierung entspricht. Durch diese Untersuchung kann nicht nur der Erhalt der Qualität und Funktionalität der Mehrwegwischbezüge über den gesamten Lebenszyklus bestätigt werden, sondern auch der Vorteil der deutlichen überlegenden Leistung der Mehrwegbezüge gegenüber Einweg gezeigt werden.
Pfennig Reinigungstechnik GmbH
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