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Autor
Paul Jochem

Krankenhaus kontra Reinraum

Ist das Krankenhaus von heute noch zukunftsorientiert, oder wird die Technik den Operationssaal von morgen revolutionieren!?




Paul Jochem
Paul Jochem

Ein Bericht vom 11. Aug. 2016 im Stern mit dem Thema: „Gefährliche Keime“ haben in mir wieder Erinnerungen geweckt. Mit diesem Thema habe ich mich bereits mit zwei Berichten befasst. Dazu stelle ich mir immer wieder die gleiche Frage: Hat das heutige Krankenhaus noch Zukunft? Oder werden wir in absehbarer Zeit Operationen in Reinräumen vornehmen?

Der Verfasser des o.g. Berichtes G. M., ist ausgebildeter Arzt, der sicherlich weiß von was er spricht, berichtete über einen tragischen als auch evtl. vermeidbaren Vorfall in einem städtischen Klinikum in Deutschland.

Hier seine Recherchen zu einem nicht ganz neuen, aber wie ich meine zu einem vermeidbaren tragischen Vorfall (die Namen der betroffenen Personen sind aus datenrechtlichen Gründen geändert):

Sarah Wertmüllers Mutterglück währte nur kurz. Sie war in der 26. Schwangerschaftswoche, als sie weger einer geplatzten Fruchtblase in ein großes städtisches Klinikum kam. Ihr Baby holten die Ärzte per Kaiserschnitt, es war ein Junge. Drei Tage nach der Geburt fanden sich multiresistente Bakterien in der OP-Wunde der jungen Frau – Keime, gegen die nur wenige Antibiotika wirken. Drei Wochen später hatten sie ihren geschwächten Körper überschwemmt. Sarah Wertmüller starb an Multiorganversagen.

Wer war schuld? Wer trug die Verantwortung dafür, dass sie sich mit den lebensgefährlichen Keimen infizierte? Diese Frage treibt Ehemann Hermann Wertmüller bis heute um. Er glaubt, dass in der Klinik geschlampt wurde.

Noch vor 15 Jahren war eine solche Information so selten wie eine Marslandung! Was hat sich in unseren Krankenhäusern verändert? In Zeiten, in denen die Technik von heute, nächste Woche bereits überholt ist. Geändert an den Abläufen einer Operation, kann es nicht liegen, im Gegenteil die werden stets innovativ verbessert.

Immer wieder kommt es in Kliniken zu schweren Infektionen und sogar zu Todesfällen durch resistente Keime. Vor allem bei Frühchen, alten Patienten und Schwerkranken ist das Infektionsrisiko sehr hoch. Wie kann ich mich als Patient, als Besucher oder als Mitarbeiter dagegen schützen!?

Resistente Keime haben Abwehrstrategien gegen Antibiotika entwickelt. Sie bilden z.B. Enzyme, die Antibiotika unwirksam machen. Gegen multiresistente Keime sind sogar mehrere Antibiotika unwirksam. Besonders gefährlich sind diese für Menschen, deren Immunsystem geschwächt ist. Einer der häufigsten Krankenhauskeime ist der sogenannte „MRSA“. Das Bakterium macht viele Antibiotika (z.B. Penicilline) unwirksam.

Was können die Folgen von Keim-Infektionen sein?

-    Blutvergiftung
-    Lungenentzündung
-    Harnwegsinfektionen
-    Wundinfektion

Laut Europäischem Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) sterben mindestens 37.000 Patienten pro Jahr an Keimen und ihren Folgeerkrankungen.

„Hygiene ist ein zentraler Bestandteil von ärztlichen und pflegerischen Tätigkeiten. Damit auch die Patientinnen und Patienten ihren Teil dazu beitragen, die Übertragung von multiresistenten Erregern zu verhindern, ist es wichtig, sich zu informieren und zu sensibilisieren“.

Seit der Novellierung der Apotheken-Betriebsordnung (12.06.2012) sind Apotheker gehalten Veränderungen bei der Herstellung von Parenteralia eine ganze Reihe Neuerungen anzuwenden.  Apotheken müssen erstmals Herstellungsräume (Reinräume) einrichten. Außerdem werden Anforderungen an die Reinheit der Raumluft definiert. Für alle Anfertigungen wird zudem ein Qualitätsmanagement-System (QMS) verpflichtend.

Sie fragen sich jetzt, was hat die Apotheke mit einem Krankenhaus zu tun? Dazu muss ich anmerken, dass in diesem Falle der Begriff „Innovation“, wörtlich genommen wurde. Der Hygienestandard wurde um mehrere Hausnummern zum positiven geändert. Die Herstellung von Parenteralia – von der Plausibilitätsprüfung der Verordnung bis zur Abgabe der Zubereitung wird erstmals in einem Paragrafen behandelt. Im QMS muss unter anderem festgelegt werden, wie Kreuzkontaminationen und Verwechselungen vermieden werden und wie der Herstellungsraum gereinigt wird. Ebenso werden „Festlegungen zu den Herstellungsanweisungen und Herstellungsprotokollen“ gefordert.

Für die Luftqualität in Reinräumen schreibt die Novelle erstmals Mindestanforderungen vor. Um die Reinraumklassen zu erreichen, benötigen die Apotheker aufwendige Raumluftanlagen: Die Zuluft in den Räumen selbst muss strömungs- und partikelfrei sein, eine spezielle Druckverteilung muss das Eindringen partikelbelasteter Luft aus den Außenbereichen unterbinden – auch die Schleusen müssen also in die Anlagen integriert werden. Der Reinraum selbst muss laut Novelle leicht zu reinigen und „von angemessener Größe sein“:

Alternative Verbesserungen:

Nach deren Erfahrungen haben auch andere Punkte Einfluss auf die Produktqualität und –sicherheit von Zytostatika.

Verfahrenskontrolle: Eine ständige, mindestens periodische Überprüfung des Verfahrens, besonders während der Anlernphase neuer Mitarbeiter, sollte verpflich- tend durchgeführt und ständig kontrolliert werden.

Fachpersonal: Vor allem gut ausgebildetes pharmazeutisches Fachpersonal, das mehr über die Tücken des Verfahrens weiß als angelernte Hilfskräfte, gewährleistet die Qualität.

Im § 35 Herstellung von Arzneimitteln zur parenteralen Anwendung, wird speziell auf sehr wichtige Hinweise zur Hygiene verwiesen, die im QMS nach § 2a insbesondere festzulegen sind.

So z.B.:

- organisatorische Maßnahmen, um Kontaminationen, Kreuzkontaminationen und Verwechslungen zu vermeiden…
- zur Validierung der die Produktqualität beeinflussenden Prozesse, Methoden und Systeme und zur Revalidierung,…
- zum hygienischen Verhalten des Personals am Reinen Arbeitsplatz und zur Art der Schutzbekleidung für die Arzneimittelherstellung, einschließlich der Art und Weise und der Häufigkeit der Umkleidevorgänge.
- Das Personal muss für die Tätigkeiten ausreichend qualifiziert sein und regelmäßig geschult werden; die Schulungsmaßnahmen sind zu dokumentieren…

Um nochmals auf den tragischen Bericht des Herrn B. A. zurück zu kommen ist zu erkennen, dass die Hygiene nicht nur im Krankenhaus ein wesentlicher Bestandteil unseres täglichen Lebens ist. Ein noch wichtigerer Hinweis ist die richtige Anwendung. Bei der Händedesinfektion geht es vor allem darum, die möglicherweise an den Händen haftenden Krankheitserreger abzutöten oder zu inaktivieren, um auf diese Weise die Übertragung von Infektionskrankheiten zu verhindern. In besonders gefährlichen Bereichen, so bei der Chirurgie bzw. Herstellung steriler Arzneimittel sind sterile Schutzhandschuhe vorgesehen.

Da weder sterile noch unsterile Schutzhandschuhe für Patienten, Besucher, Wartungs- bzw. Reinigungspersonal usw. vorgesehen sind, sollte zumindest der Händedesinfektionsspender bei jedem Betreten des Krankenzimmers richtig (Bedienung mittels Ellenbogen) benutzt werden. Dabei ist es absolut wichtig den Bedienhebel des Desinfektionsspenders nicht mit den Händen zu betätigen. Denn bis ein Besucher das Krankenhauszimmer erreicht, hat der Besucher: unterschiedliche Türklinken, Haltegriffe, Fahrstuhlköpfe, evtl. Spülknöpfe, oder andere Flächen mit den Händen berührt. Also sind die Hände mit allen nur erdenklichen Infektionskeimen belastet. Die bei der Begrüßung des Patienten (evtl. durch eine OP geschwächtes Immunsystem) übertragen wird, wenn die vorhandenen Desinfektionsspender nicht oder nicht richtig angewendet werden.

Jetzt kommt noch erschwerend hinzu, dass der Hygienestandard dem Reinigungspersonals (teils der deutschen Sprache kaum mächtig) immer mehr des Zeitmanagement zum Opfer fallen. Hier geht es nicht mehr um die Gesundheit des Menschen, sondern nur noch um Kostenoptimierung. Dies ist nicht nur beim Reinigungspersonal, sondern auch beim Pflegepersonal sichtbar. Wo der Zeitdruck den Alltag prägt, sind Vorschriften bzw. Vorgaben kaum noch einzuhalten.

Nach den PIC-Richtlinien (Pharmaceutical Inspection Cooperation Scheme) sollte das gesamte, im aseptischen Bereich eingesetzte Personal (einschließlich der Wartungsdienste) eine Ausbildung in den entsprechenden Fachgebieten betreffend die erfolgreich Herstellung von sterilen Produkten einschließlich  der Hygienebelange und zumindest der Grundlagen der Mikrobiologie erhalten. Der Grundausbildung sollten geeignete Wiederholungskurse nachfolgen.

„Denn hohe Anforderungen an die persönliche Hygiene und Sauberkeit sind unumgänglich“.

Für den Krankenhaussektor gibt es eine Kommission, die sich, im Auftrag des Bundesgesundheitsamtes, mit der Erstellung von Rahmenrichtlinien zur Hygieneüberwachung in Krankenhäusern beschäftigt. Würden sich alle an die in den Lehrbüchern beschriebene Bedeutung des Begriffes „Asepsis“ orientieren, würde sich ein Großteil unserer Probleme nicht einstellen. Unter Asepsis versteht man die Gesamtheit aller Maßnahmen zur Verhütung einer mikrobiellen Kontamination.

Die moderne Reinraumtechnik hat in den letzten Jahren wesentliche Vorteile in Bezug auf das „Streuen“ einer Kontamination im reinen Raum gelegt. Die geschieht durch:

1. eine weitgehend turbulenzarme Verteilung der gereinigten Luft im Raum,
2. Vermeidung von Geschwindigkeitsgradienten, die zur Wirbelbildung führen und Vermeidung von starken Umlenkungen des Luftstromes,
3. einen Luftwechsel, bei dem die nachfolgende Luft die vorhergehende verdrängt, wobei Keime aus dem Raum entfernt und nicht – wie bei konventionellen Systemen – zunächst darin verwirbelt werden.

Das kennzeichnende Merkmal ist dabei die weitgehende Unterdrückung von Quertransportvorgängen im Sinne der Vermeidung von Mischzonen. Denn ein reiner Bereich oder Reinraum ist ein Raum oder eine Reihe von Räumen mit festgelegter, umgebungsbezogener Kontrolle hinsichtlich partikulärer und mikrobieller Verunreinigung. Das heißt: Die modere Reinraumtechnologien dienen dazu die Hygiene zu verbessern, dabei werden auch die Infektionen verhindert und auftretende Keime in Operationssälen werden nachhaltig, nahezu vollständig ausgeschlossen.

Dies wird im Nachhinein unserer jungen Mutter nicht mehr helfen, aber es könnte die Diskussion, Operationen in Reinräumen vorzunehmen wieder ins Gespräch bringen.

Quellen: Bericht im Stern vom 11. Aug. 2016, ApoBetr.O, Keimidentifizierung-Betriebshygiene Georg Thieme Verlag Stuttgart- New York, Handbuch der Reinraumpraxis Reinraumtechnologie und Human-Ressourcen Hauptman-Hohmann


ReinraumTechnik-Jochem
66538 Neunkirchen
Deutschland


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