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Industrie 4.0 im Reinraum: eine Revolution oder nur ein Schlagwort?

Was Betreiber von Reinräumen aus der Automobilindustrie lernen können   

Alles spricht von „Industrie 4.0“, auch im Zusammenhang mit Reinräumen. Was genau sich dahinter verbirgt, bleibt aber oft ein wenig nebulös. Klarheit schafft ein Besuch der diesjährigen Messe Cleanzone am Dienstag und Mittwoch, den 8. und 9.11.2016, in Frankfurt am Main.  

In der Realität heißt „Industrie 4.0“ im Wesentlichen: Zustandsüberwachung und Anlagensteuerung mit Hilfe von Sensoren und elektronischer Erfassung von Daten sowie deren Verarbeitung. Dies kann im Endeffekt sogar zu selbststeuernden Systemen führen, was durch Vernetzung über die Produktion hinaus auch Warenein- und -ausgang, Logistik, Rechnungsstellung, Controlling und vieles mehr umfassen kann. Erfahrbar wird die Industrie-4.0-Philosophie heute vor allem in Automatisierungskonzepten, und sie führen in puncto Reinraumtechnik direkt zum Kern der Sache. 

Ein Beispiel für die Vorteile eines höheren Automatisierungsgrades demonstrieren weiterentwickelte Filterintegritätstests, wie sie für die Qualitätssicherung der Luft in jedem Reinraum unentbehrlich sind – ob er sich nun im Pharma-, Halbleiter-, Chemie- oder einem anderen Bereich der Industrie befindet.

Problem gelöst: Scan mit höherer Reproduzierbarkeit und mehr Tempo

Für einen funktionsfähigen Reinraum stellen die verbauten Filter entscheidende Erfolgskomponenten dar. Selbst geringe Leckagen können zur Erhöhung der Partikelkonzentration führen. Vorbeugend sind daher regelmäßig Integritätstests an den eingebauten Filtern  

Bei der konsequenten Leckprüfung scannt man das gesamte Filtersystem mit einer Messsonde ab und stellt dabei auch lokal erhöhte Partikelkonzentrationen fest. An den entsprechenden „verdächtigen Stellen“ bringt man nun abermals Prüfaerosol auf und misst sowohl rohluftseitig wie reinluftseitig die Partikelzahl, und zwar mit einer ruhenden Sonde. Schließlich vergleicht man mit der maximal zulässigen Partikelzahl.

Das mit der ruhenden Sonde ist allerdings so eine Sache. In der Regel werden Filterintegritätstests händisch durchgeführt. Dies bedeutet, dass ein Mitarbeiter mit einer Sonde in einem definierten Abstand zum Filter mit einer konstanten Geschwindigkeit entlang scannen muss. Dabei muss er auch noch den aktuellen Partikeleinfall im Auge behalten, um genau an diesen Stellen Nachmessungen durchführen zu können – verbunden mit einer Fülle von potentiellen Ungenauigkeiten. 

Eine Verbesserung von Filterintegritätstests stellen robotergestützte Verfahren dar, mit denen sich der Zustand von endständigen Filtern und Laminar-flow-Einheiten automatisch erfassen lässt. Der Messvorgang erfolgt computergesteuert, und die Messergebnisse werden vollautomatisch ausgegeben – reproduzierbarer und weniger zeitintensiv als beim händischen Scannen. 

Reinraumroboter können sich autonom bewegen

Die fortschreitende Automatisierung manifestiert sich aktuell auch schon in reinraumtauglichen Robotern, die Materialien und Produkte zwischen beliebigen Punkten einer Fabrik befördern, dabei ohne Führungssysteme auskommen und autonom navigieren – die Alternative, wenn Schienen- oder Conveyorsystem nicht realisierbar oder zu aufwändig wären. 

Jenseits der unbestrittenen Vorteile der Automatisierung geht die Utopie „Industrie 4.0“ in einem wesentlichen Punkt über aktuelle Reinraumkonzepte hinaus. Während zurzeit im Wesentlichen Reinraum-Daten dokumentiert werden (Partikelkontamination, mikrobiologische Kontamination), sollte sich idealerweise die Definition der Anforderungen strikt nach dem Produkt und dessen Qualität richten. 

„Im Sinne dieser prozessübergreifenden Maßgabe wird Industrie 4.0 in der Automobilindustrie zum Teil schon gelebt“, urteilt Michael Skerat, Geschäftsführer der skeratschoppe GmbH, eines Spezialisten für Prozessoptimierung, Change-Prozesse, strategisches Management und Produktmanagement.

Auch gibt es in der Automobilindustrie dafür schon zahlreiche Anwendungen in reinen Räumen, die der Herstellung von Streuscheiben, von elektromechanischen Hochpräzisionsteilen von kleinsten Dimensionen, von medienführenden Systemen der Ventiltechnik oder von folienhinterspritzten Teilen dienen. Dies umfasst also eine Reihe von Komponenten aus der Reinraum- oder wenigstens Sauberraumfertigung. Ebenso betrifft es den Einsatz von Robotern, die auf engstem Raum mit Menschen zusammenarbeiten. 

„Der Reinraum wird in Zukunft in bestehende Konzepte zunehmend einbezogen, wobei ich allerdings auch feststellen muss, dass es hier im Moment noch keine greifbaren Paradebeispiele gibt“, so Skerat. „Die Anwendungen kann man von den Prozessabläufen her auch auf die der pharmazeutischen Fertigung übertragen. Hier müssen jedoch die hohen Anforderungen an die mikrobiologische Reinheit gesondert betrachtet werden.“

Eine Hauptaufgabe wird in der Definition von Schnittstellen an den Übergängen zwischen Reinraum und unreiner Umgebung bestehen. Dabei sind die Produkt- und Produktionsdaten um raumspezifische Parameter zu ergänzen. Dazukommen kann aber zum Beispiel auch die Wärmeentwicklung bei einer im Reinraum installierten Spritzguss- oder Tablettiermaschine, wenn sich dies als Qualitätskriterium für die Produktqualität erweist. 

Prozessoptimierung, Digitalisierung und Industrie 4.0 sind Top-Themen auf der Cleanzone 2016. Beispielsweise spricht Michael Skerat auf dem Cleanzone Kongress über die Thematik, wie Prozesse aus der Automobilindustrie auf die Produktion im Reinraum übertragen werden könnnen. Das Deutsche Reinraum-Institut organisiert eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zu „Industrie 4.0: Chance zu Innovation und Zukunft“.


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