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Dr. Regina Junker
Sauber genug? Die neue PDE-Welt der Reinigungsvalidierung
PDE, was tun? Das war die entscheidende Frage, die den Teilnehmern des PTS Connect Webinars PDE Reinigungsvalidierung am 1. Juni 2016 beantwortet wurde.
Mit den neuen Kapiteln 3 und 5 und dem Anhang 15 des EU GMP-Leitfadens ist ein neues Zeitalter für die Ermittlung der gesundheitsbasierten Grenzwerte für die Reinigung von Mehrzweckanlagen eingeläutet. PDE, was tun? Das war die entscheidende Frage die den Teilnehmern des PTS Connect Webinars PDE Reinigungsvalidierung am 1. Juni 2016 beantwortet wurde.
Neben den Grundlagen als Werkzeug zur Anwendung des PDE als Akzeptanzkriterium für die Reinigungsvalidierung wurde anhand mehrerer Fallbeispiele das erworbene Wissen praxisnah vertieft. Auch für Nicht-Toxikologen war die Aufbereitung in verständlicher Sprache eine gute Einführung in die Toxikologie.
Die Teilnehmer hatten während des Webinars die Möglichkeit, Fragen über den Chat an den Referenten zu stellen, die dann direkt beantwortet wurden. Am Ende des Webinars konnten sich die Teilnehmer dann auch per Stimme zu Wort melden, wodurch verschiedene Fragestellungen auch direkt mit dem Referenten diskutiert werden konnten.
reinraum online: Ersetzt das PDE Kriterium die alten Kriterien (1/1000 und 10 ppm)? Diesbezüglich haben wir widersprüchliche Infos von unserer Behörde bekommen. Diese ist der Meinung, dass jetzt das Minimierungsprinzip aus den 3 Kriterien gilt.
Ja, die neue Guideline verlangt explizit einen sicherheitsbasierten Grenzwert. Diese Bedingung wird durch das 1/1000stel Kriterium als auch das 10 ppm-Kriterium nicht erfüllt.
Der PDE ist ein solcher sicherheitsbasierter Grenzwert. Diese Guideline erlaubt auch andere Methoden, die dennoch ausreichend begründet werden müssen (z.B. TTC oder Benchmarking).
Bei uns ist das PDE Kriterium weniger streng als die alten Kriterien. Dies trifft für gut 90% der Substanzen zu. Der PDE wird sich also in den meisten Fällen positiv auswirken. Interessanter Aspekt: „Paradigmenwechsel bei der Festlegung von Grenzwerten für die Reinigungsvalidierung“ [Pharm.IND.78, Nr.4 564-566 (2016).
reinraum online: Was ist mit Hilfsstoffen? Muss für jeden Inhaltsstoff ein PDE berechnet werden?
Langfristig gesehen sollten alle Bestandteile und nachgewiesenen Verunreinigungen entsprechend bewertet werden und durch Aufreinigung auf ein Limit begrenzt werden, sodass die Gesundheit des Patienten dadurch nicht gefährdet wird.
Excipients sind jedoch aufgrund ihrer begrenzten pharmakologischen Wirkung toxikologisch eher unbedenklich und somit auch im Kontaminationsfall von geringer Bedeutung. Ich würde empfehlen die von der Guideline geforderten APIs und Lösungsmittel aus dem Reinigungsverfahren zu fokussieren.
reinraum online: Wir haben shared facilities auf welchen auch Kosmetika produziert werden. Diese haben keine Wirkstoffe. Wie bekommt man dafür ein PDE?
Es gibt zwei unterschiedliche Szenarien, zum einen der Transfer eines APIs in ein Kosmetikum, und zum anderen die Verunreinigung eines Arzneimittels durch Bestandteile des Kosmetikums.
Bei ersterem stellt sich die Frage: Unterliegen Kosmetika den gleichen Regularien wie Pharma-Produkte? Hier bin ich kein Experte und würde Ihnen daher raten diesen Fall mit Ihrem RP abzusprechen. Generell sollte für die Wirkstoffe ein entsprechender Grenzwert bereitstehen. Daher wäre es unverantwortlich, einen solchen (auf dermale Exposition bezogenen) Grenzwert zu überschreiten, da hierdurch die Gesundheit Ihrer Kunden gefährdet werden kann.
Im umgekehrten Fall ist die Sachlage etwas einfacher. Hier können Sie sich an die ICH-Guidelines halten und entsprechende Qualifizierungs-/ und Quantifizierungsgrenzwerte beachten.
reinraum online: Wie würden Sie bei homöopathischen Wirkstoffen vorgehen?
Die GMP-Guideline und die EMA machen keine Unterschiede zwischen homöopathischen, pflanzlichen oder chemischen Wirkstoffen. Die generelle Anforderung lautet basierend auf Daten einen sicherheitsbasierten Grenzwert abzuleiten. Natürlich steht bei Homöopathika nur ein sehr begrenzter Datensatz zur Verfügung, aber dies entbindet nicht von der Anforderung.
reinraum online: Als Extrakthersteller haben wir Toxikologen unsere Produkte anschauen lassen und da wurde festgestellt: alle Produkte sind nicht toxisch und nicht allergen..."
Dies entspricht im Prinzip der benötigten Bewertung. Der Toxikologe hat also eine Aussage aufgrund vorhandener Daten getroffen. Bitten Sie ihn diese Aussagen schriftlich festzuhalten und entsprechend zu begründen.
reinraum online: Was ist, wenn der Schaden nicht immer die gleiche Wirkung hat. z.B. bei Kindern?
Nun, die Aussage der gleichen Wirkung der Substanz bei wiederholter Gabe und bei der Gabe an verschiedene Individuen hat trotzdem Bestand. - Sieht man Kinder als eigenen Subgruppe, so würde man eine vergleichbare Wirkung bei der Gabe an verschiedene Individuen innerhalb dieser Gruppe erwarten.
Es gibt metabolische Unterschiede, welche erklären, warum Kinder gelegentlich anders auf einen Wirkstoff reagieren.
reinraum online: Wenn ein NOAEL vorhanden ist, ist Das dann = pod?
Keinesfalls. Pro Studie kann man mehrere NOAELs erhalten, je nachdem, welche Untersuchungen man durchführt. So kann z.B. in einer Studie der NOEAL für Effekte auf das Herz bei 200 mg/kg liegen, der NOAEL für Effekte auf die Leber jedoch schon bei 10 mg/kg.
Sie sehen, man kann jedes Organsystem isoliert betrachten, aber auch einen gesamt-NOAEL angeben. Daher meine Warnung, die reine Angabe „NOAEL = 200 mg/kg“ ist ohne weitere Informationen keine exakte Angabe. Solche Aussagen sollten nach Möglichkeit immer überprüft werden.
reinraum online: Oftmals hat man mit Fokus auf HSE von vielen Produkten bereits OEL Werte. Wie sehen Sie die Zusammenhänge zwischen PDE und OEL? Kann man diese Werte durch einen Faktor (z.B. „10“) vergleichbar machen, oder sind die Berechnungen unterschiedlich?
Die Basis beider Grenzwerte ist identisch. Beide Werte basieren auf denselben wissenschaftlichen Daten und beschreiben ein Limit, unterhalb dessen eine Exposition mit einem Wirkstoff als ungefährlich erachtet werden kann.
Der Unterschied besteht im Expositionsszenario. Beim OEL wird auf die inhalative Exposition im Arbeitsumfeld fokussiert (8h Workshift entspricht etwa 10 m³ Atemluft, daher der Faktor 10). Man kann diesen Wert umrechnen, sollte sich dabei aber immer der Datenbasis vergewissern und auch kinetische Parameter mit einbeziehen, wenn der PDE für eine andere Exposition (Parenteral, dermal, oral) verwendet werden soll.
reinraum online: Wie ist die Akzeptanz von Werten aus Onlinedatenbanken?
Es spricht nichts dagegen Werte aus Internet-Recherchen und öffentlichen Portalen zu verwenden. Natürlich sollten Sie Ihre Datenquelle immer dazu angeben und ggf. auch die Aussagekraft und Glaubwürdigkeit entsprechend bewerten.
reinraum online: Wenn ich jetzt 3 verschiedene Werte finde, welchen soll ich dann nehmen?
Versuchen Sie die Datenbasis der Werte zu überprüfen. Gibt es Quellenangaben? Werden unterschiedliche Studien/Daten als Basis der Bewertung verwendet? Wie steht es um die Aktualität der verwendeten Daten? All diese Informationen könnten Ihnen bei der Auswahl helfen. Allerdings auch hier gilt, welchen Weg auch immer Sie einschlagen – begründen Sie es schriftlich.
reinraum online: Welcher "Lebenslauf" ist denn nötig, damit man PDE-Bewertungen vornehmen kann? Facharzt? Berufserfahrung?
Dies wird weder in den PDE-Guideline noch in den GMP-Regularien genauer definiert. Die Anforderung besagt, dass das Ausweisen der entsprechenden Expertise mittels Unterschrift und Lebenslauf notwendig ist.
reinraum online: Phytopharmaka: Wir können ja meistens gar nicht genau sagen, was da wirkt ...
Wenn Sie ein mehr oder weniger gut definiertes Substanzgemisch haben, so werden Sie Dieses auch in entsprechenden Studien getestet haben oder auch Daten zur Sicherheit nach der Marktzulassung haben. Pharmakovigilanz, Anwendungsbeobachtungen, Historische Beobachtungen… all das kann in die Bewertung miteinfließen. Die Bewertungen des HMPC (Herbal Medicinal Product Committee) geben sehr gute Beispiele welche Daten zur Verfügung stehen können.
reinraum online: Ist es zulässig mit den 50kg Körpergewicht zu rechnen, auch wenn das Folgeprodukt möglicherweise einem Kind verabreicht wird?
Es wird lebenslange Exposition berechnet.
reinraum online: Die lebenslange Exposition ist doch sehr theoretisch. Kann man da was machen?
Beide Fragen beziehen sich aufeinander und lassen sich gemeinsam erklären: Es sollte pro Expositionsweg nur einen PDE geben, der allgemeine Gültigkeit haben sollte (und hier ist per Guidance 50 kg Körpergewicht definiert).
Basierend auf der Vorgestellten Formel: Risk = Hazard x Exposition kann man jedoch begründen: Wenn die Exposition anders ist (weniger als täglich, kürzer, anderes Körpergewicht), kann ein anderer (realistischerer) Wert eingesetzt werden.
Auch hier gilt: Schriftlich begründen (definierter Anwendungsbereich des Nachfolgeproduktes) und Einflussfaktoren beachten (kinetische Parameter, Metabolische Unterschiede).
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