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Metallfreie Forschungsumgebung

Den Tiefenströmungen der Ozeane auf der Spur

Das neue Speziallabor des ICBM an der Universität Oldenburg ermöglicht Spurenelementanalysen von Meerwasser- und Sedimentproben.
Das neue Speziallabor des ICBM an der Universität Oldenburg ermöglicht Spurenelementanalysen von Meerwasser- und Sedimentproben.
Die fünf Arbeitsplätze sind absolut metallfrei und bieten Partikelfreiheit auf dem Niveau der Klassen 4 und 5 gemäß DIN EN ISO 14644.
Die fünf Arbeitsplätze sind absolut metallfrei und bieten Partikelfreiheit auf dem Niveau der Klassen 4 und 5 gemäß DIN EN ISO 14644.
Über integrierte Touch-Displays wird die Lüftungs- und Versorgungstechnik an den Arbeitsplätzen individuell gesteuert.
Über integrierte Touch-Displays wird die Lüftungs- und Versorgungstechnik an den Arbeitsplätzen individuell gesteuert.
Auf eine Einfärbung der Kunststoffe wurde weitgehend verzichtet; die in den Farben enthaltenen Oxide könnten die Raumluft kontaminieren.
Auf eine Einfärbung der Kunststoffe wurde weitgehend verzichtet; die in den Farben enthaltenen Oxide könnten die Raumluft kontaminieren.

Für die Probenaufbereitung zur Spurenelementanalytik von Meerwasser- und Sedimentproben verfügen die Wissenschaftler an der Universität Oldenburg seit 2015 über einen vollkommen metallfreien Spezialraum mit Reinraumbedingungen. Dort können jetzt hochempfindliche Proben für die Analyse von Spurenelementkonzentrationen und -isotopen vorbereitet werden, mit denen sich Tiefenströmungen in den Ozeanen und ihre geschichtliche Entwicklung nachverfolgen lassen.

Die Strömungsmuster in den Weltmeeren spielen eine entscheidende Rolle im Klimasystem der Erde; doch die maritimen physikalischen und chemischen Prozesse sowie ihre Einbindung in das Klimageschehen sind zu großen Teilen noch unbekannt. Die Wissenschaftler der Max-Planck-Forschungsgruppe Marine Isotopengeochemie an der Universität Oldenburg begeben sich darum auf die Spuren des Meerwassers. Sie untersuchen dazu radiogene Isotope von Strontium und Neodym im Wasser und in fossilen marinen Sedimenten. Als Sedimente bezeichnen die Forscher alles, was im Meer auf den Grund herabsinkt und sich dort ablagert – von organischen Partikeln bis zum durch Wind von den Kontinenten eingetragenen Gesteinsstaub.

Da sich die Zusammensetzung dieser Isotope in den verschiedenen Regionen der Ozeane stark unterscheidet, kann die Forschungsgruppe mit ihrer Hilfe die Herkunft von Wassermassen und Staub verfolgen und entschlüsseln. Gewonnen werden die Proben von Bord deutscher und internationaler Forschungsschiffe aus bis zu 6.000 Metern Wassertiefe. Während die Spurenelemente im Meerwasser Aufschluss über Prozesse und Wassermassenverteilungen im heutigen Ozean liefern, erlauben die Sedimente den Einblick in die erdgeschichtliche Entwicklung der Gewässerzirkulation und ihren Zusammenhang mit globalen Klimaschwankungen.

Reinraumbedingungen schützen Proben

Die Herausforderung dabei: Die Konzentration der Isotope in den Proben ist extrem gering – als vermischte man einen Tropfen Farbe in mehreren Schwimmbecken von olympischen Abmessungen. Die kleinste Verunreinigung durch mikroskopische Staubpartikel von Gestein oder korrodierenden Metallen würde die Forschungsergebnisse grundlegend verfälschen, denn diese enthalten die analysierten Spurenelemente in um ein Vielfaches höheren Konzentrationen. Seit 2015 verfügt das Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) der Universität Oldenburg darum über ein Speziallabor mit Arbeitsplätzen, an denen Partikelfreiheit bis zu Reinraumklasse 4 gemäß DIN EN ISO 14644 herrscht und das zugleich absolut frei von jeglichen Metallen ist.

Dieser Spezialraum unterscheidet sich damit wesentlich von herkömmlichen Laboren und Reinräumen, wo zahlreiche Oberflächen in Edelstahl ausgeführt sind. „Schon die Dämpfe der hochkonzentrierten Säuren, die wir nutzen, um Proben von Sedimentgestein für die Analyse aufzubereiten, würden jedes Metall angreifen“, erläutert Dr. Katharina Pahnke-May, Leiterin der Forschungsgruppe Marine Isotopengeochemie. „Kleinste Metallpartikel würden in die Raumluft gelangen und könnten unsere Proben unbrauchbar machen.“

Das macht eine – im Vergleich zu anderen auf höchstmögliche Partikel- oder Keimfreiheit ausgerichtete Reinräume – wesentlich umfassendere Planung erforderlich. „Neben den hohen Ansprüchen, die die Spurenelementanalytik an die Partikelkonzentration im Raum stellt, war auch die gleichzeitige Einhaltung der entsprechenden Laborrichtlinien und Unfallverhütungsvorschriften eine Herausforderung“, sagt Dipl.-Ing. Thomas Lischke, der beim Beratungs- und Planungsunternehmen Carpus+Partner für die Planung und Begleitung der Realisierung des Projekts verantwortlich war. „Die Vorgaben verlangen teilweise die Ausführung bestimmter relevanter Elemente in Metall. Und diesen Widerspruch galt es in Einklang zu bringen.“

Laborsystem aus Kunststoff

Für die Realisierung des Konzepts arbeitete man von Beginn an eng mit dem Unternehmen MK Versuchsanlagen – einem der wenigen Konstrukteure und Hersteller von Kunststoff-Laborsystemen für Reinraumbedingungen – zusammen. Auf Basis der aufgaben- und prozessorientierten Laborplanung gestaltete und fertigte man den Raum und die jeweils individuelle Ausstattung von fünf Arbeitsplätzen, inklusive der lüftungstechnischen Versorgung, Integration der Beleuchtung und Versorgung mit Sondermedien wie vollentsalztem Reinstwasser.

Als Werkstoffe für die Arbeitsflächen, Unterbauten, Zwischendecken, Innenwände oder Rohrleitung kamen ausschließlich säurebeständige Kunststoffe wie Polypropylen, Teflon, PMMA oder PE zum Einsatz. Auf eine Einfärbung hat man bewusst verzichtet, um eine Kontaminierung der Raumluft durch die dabei verwendeten Oxide zu vermeiden. Die Scheiben der geschlossenen Arbeitsplätze bestehen aus hochfestem, glasklarem Polyethylen. Ebenso sind sämtliche Scharniere und andere Tür- und Möbelelemente aus Kunststoff gefertigt.

Carpus+Partner hat das Labor als Raum-im-Raum sowie die Eingangsschleuse und den Technikbereich in einen ehemaligen Seminarraum im Erdgeschoss des Universitätsgebäudes integriert. Die Gesamtfläche beträgt 55 Quadratmeter. Die Luftqualität im Raum selbst entspricht Klasse 6 gemäß DIN EN ISO 14644, an den Arbeitsplätzen liegt die Partikelfreiheit auf dem Niveau der Klassen 4 oder 5. Sensoren überwachen kontinuierlich alle Mess- und Regelsysteme. Horizontale Laminarströmungen verhindern nach dem Verdrängungsprinzip dauerhaft die Kontamination der sensiblen Bereiche. Einströmung und Absaugung erfolgen jeweils durch die Seitenwände aus Gaze, deren Struktur eine gerichtete Strömung erzeugt. „Selbstverständlich sind auch die gesamten Zuleitungen inklusive der Filterelemente und alle weiteren Elemente zur Luftaufbereitung vollständig als Sonderbauteile aus Kunststoff ausgeführt“, betont Lischke die Besonderheiten.

Sonderentwicklungen ermöglichen Forschung

Eine weitere Sonderentwicklung sind die sogenannten Flaps; luftleitende Elemente, die an den Arbeitsplätzen mit zwei übereinander angeordneten Etagen die horizontale Laminarströmung sicherstellen. Sie waren notwendig, weil dort Heizplatten benutzt werden, um Meerwasserproben bei 80 bis 200 °C, oft über viele Stunden, aufzukonzentrieren. Die Wärmeeinwirkung der Heizplatten führt zu ungerichteten, turbulenten Luftströmungen, die die laminare Luftströmung ungewollt verwirbeln und die Gefahr einer Kreuzkontamination der Proben erhöhen. Mit den Flaps wird die Luft so geleitet, dass das nicht passiert.

Die Heizplatten selbst sind eine Eigenentwicklung des hessischen Unternehmens und werden dort seit 20 Jahren gefertigt und weiterentwickelt; der Aluminium-Kern gewährleistet eine absolut homogene Wärmeverteilung über die gesamte Oberfläche. Ihre vollständige Umhüllung mit temperaturbeständigem PTFE sorgt dafür, dass keine Metallpartikel in die Umgebungsluft abgegeben werden.

Der neue Raum stellt für die Mitglieder der Forschungsgruppe um Dr. Pahnke-May eine wesentliche Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen dar. Die Untersuchungen wurden bisher in anderen Laborräumen der Universität durchgeführt, wo nur ein Arbeitsplatz mit einem mobilen Abzug zur Verfügung stand. Partikelfreiheit konnte dort nicht dauerhaft gesichert werden. Jetzt können die Wissenschaftler an fünf jeweils aufgabenspezifisch ausgestatteten Arbeitsplätzen unter bestmöglichen Bedingungen forschen. So sind auch Analysen von Spurenelementen, die besonders kontaminationsgefährdet sind möglich. „Der Gehalt von Eisen oder Blei etwa ist im Meerwasser extrem gering. In Metalloxiden oder Gestein dagegen sehr hoch; so sind sie als Staub immer in der normalen Umgebungsluft enthalten“, erläutert Pahnke-May dazu. „Das machte bis zum Bau des neuen Raums eine Analytik solcher Isotope unmöglich.“


Carpus+Partner AG
52074 Aachen
Germany


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