Klaus Jopp, freier Wissenschaftsjournalist (Hamburg)
COMPAMED 2015: Trend zur Miniaturisierung der Medizintechnik hält an
Zulieferer bieten Lösungen für verschiedenste Anwendungen
In Zukunft Realität? Nanoroboter als Arznei-Taxi für das Vordringen in den Tumor
„Aus der engen Verzahnung von Entwicklungsprozessen auf Seiten der Zulieferer sowie auf Seiten ihrer Kunden, erklärt sich der Erfolg der COMPAMED“, bringt es Joachim Schäfer, Geschäftsführer der Messe Düsseldorf, auf den Punkt, warum im Hinblick auf Medizintechnik-Innovationen neben dem Besuch der weltgrößten Medizinmesse MEDICA auch der der international führenden Fachmesse für den Zuliefermarkt der Medizintechnik eine einzigartige Chance darstellt für den Blick in die Zukunft und auf aktuelle Trends. Mit jährlich immer neuen Top-Werten in Bezug auf die Zahl der Aussteller und Besucher hat sich die COMPAMED längst zur international führenden Markt- und Kommunikationsplattform für die Zulieferer der Medizintechnik-Industrie entwickelt. Erstmals wird die COMPAMED vom 16. bis 19. November 2015 komplett zeitgleich zur MEDICA stattfinden. Bislang endete die COMPAMED stets einen Tag früher. Neu sind ab diesem Jahr auch die Laufzeit-Wochentage Montag bis Donnerstag.
Das Plus an Zeit für Gespräche mit ihren Kunden aus der Medizintechnik-Industrie, nämlich maßgeblich den rund 4.500 MEDICA Messe Ausstellern, dürfte den erneut mehr als 700 Ausstellern der COMPAMED (in den Messehallen 8a und 8b) sehr entgegenkommen. Denn der Markt für Medizintechnik und Medizinprodukte ist ein sehr dynamischer. Der Innovationszyklus ist deutlich kürzer als in anderen Branchen. Dabei bildet oft bereits die Entwicklungskompetenz der Zulieferer den Ausgangspunkt für teils bahnbrechende Innovationen hinsichtlich einer effizienten und wirkungsvollen medizinischen Versorgung.
Das gilt etwa für die weiter zunehmende Miniaturisierung. Ein besonders ausgefallendes Beispiel, das derzeit noch an Science Fiction erinnert, sind Nanoroboter in der Blutbahn, die selbstständig Operationen durchführen. Entsprechende Vorstellungen hat das Max-Planck-Institut (MPI) für Intelligente Systeme (Stuttgart) mit zwei verschiedenen Mikroschwimmern entwickelt. Dabei handelt es sich einerseits um eine Art Muschel, die sich durch Öffnen und Schließen fortbewegt, sowie um eine Schraube, die durch Rotation vorankommt. Ihr Durchmesser liegt bei nur 100 Nanometern, ihre Länge bei 400 Nanometern. Ein rotierendes Magnetfeld, das von außen angelegt wird, bringt die Minischraube in Bewegung. Das Herstellungsverfahren für die speziellen Schwimmer ist der 3D-Druck, der bei der COMPAMED für verschiedenste Anwendungen immer mehr an Bedeutung gewinnt. Alle eingesetzten Materialien wie Polydimethylsiloxan sind biokompatibel und körperverträglich. Die Forscher stellen sich vor, dass die Nanoroboter eines Tages zum Beispiel Tumortherapeutika direkt bis in den Tumor bringen. „Theoretisch ist bei der Größe unserer Konstruktion sogar eine Verwendung innerhalb von Zellen denkbar“, erläutert Peer Fischer, Leiter der Arbeitsgruppe Mikro-, Nano- und Molekulare Systeme am MPI für Intelligente Systeme. In jedem Fall sollen die Winzlinge dazu beitragen, Eingriffe minimal zu gestalten, ihre Effektivität zu verbessern und die dafür notwendige Zeitspanne zu verkürzen. Allerdings dürfte es noch eine Reihe von Jahren dauern, bis diese Science-Fiction Realität wird.
Klein, aber „oho“ und mit höchstem Anspruch an Präzision
Viele „Mini“-Lösungen sind unterdessen jetzt schon Realität, denn die Nachfrage nach immer kleineren Systemen ist in der Medizintechnik ungebrochen. „Die Life-Science-Industrie weist eine steigende Nachfrage zur Miniaturisierung, Mikrostrukturierung und Integration von optischen und elektrischen Funktionen in kostengünstigen Komponenten auf“, bestätigt Peter Kirkegaard, CEO der schweizerischen IMT Masken und Teilungen AG. IMT adressiert diesen Bedarf mit dem Einsatz von Fertigungstechnologien aus der Halbleiterindustrie. Auf Basis von Glas fertigt das Unternehmen Mikrokanäle, Durchgangslöcher, Elektroden, optische und elektrische Beschichtungen, Wellenleiter und Gitter – die kleinsten Strukturen haben winzige Abmessungen bis hinab zu nur noch 150 Nanometern. Ihr Einsatzgebiet sind unter anderem Lab-on-a-Chip-Systeme. Ebenfalls als Auftragsfertiger ist die Micreon GmbH tätig – das Unternehmen gehört zu den weltweit anerkannten Spezialisten für die Mikrobearbeitung mit Ultrakurzlasern im Piko- und Femtobereich. Bei der Herstellung von medizinischen Implantaten, Instrumenten oder Messgeräten in der Medizintechnik nimmt der Laser zunehmend eine wichtige Position ein. Da bei medizinischen Produkten höchste Präzision und Qualität gefordert sind, eröffnen sich gerade für Ultrakurzpuls-Laserverfahren immer neue Anwendungsmöglichkeiten. Beispiel Gefäßwandstützen (Stents) aus organischen Materialien. Da die bioresorbierbaren Polymere sehr temperaturempfindlich sind, ist der Femtosekunden-Laser das einzige Werkzeug, mit dem die extrem fein strukturierten Bauteile ohne Beschädigung gefertigt werden können.
Rekordbeteiligung am IVAM-Gemeinschaftsstand
IMT und Micreon sind mit weiteren rund 50 Ausstellern auf dem Gemeinschaftsstand des Fachverbandes für Mikrotechnik IVAM vertreten, der in Halle 8a erneut einen Schwerpunkt für Mikrosystemtechnik, Nanotechnologien sowie Produktionstechnik und Prozesssteuerung bildet. „Das ist ein neuer Rekord, unsere Fläche liegt damit bei fast 700 Quadratmetern“, erklärt Mona Okroy-Hellweg, Sprecherin des IVAM. Der Fachverband richtet auch dieses Jahr wieder das COMPAMED HIGH-TECH FORUM (Halle 8a) aus. Eine Session behandelt mit dem VTT Technical Research Centre of Finland ein Thema, das immer mehr auch in der Medizintechnik an Bedeutung gewinnt: gedruckte Elektronik. Auch das Thema des diesjährigen Frühjahrsforums „Laser – Optik – Photonic“ wird noch einmal in den Mittelpunkt einer Session gestellt. „Da viele Sensor-Hersteller auf unserem Stand vertreten sind, arbeiten wir zudem an einer Session zum Thema `Smart Sensor Solutions´“, so Okroy-Hellweg.
Parallel in Halle 8b findet wieder das COMPAMED SUPPLIERS FORUM statt, das schon traditionell von der Fachzeitschrift DeviceMed veranstaltet wird. Im Mittelpunkt der zahlreichen Vorträge mit Spezialisten international führender Unternehmen stehen aktuelle Entwicklungen entlang der gesamten Prozesskette. „An allen vier Messetagen informieren Aussteller über technische Neuerungen und weitere Themen im Spannungsfeld zwischen Herstellern, Zulieferern und Ärzten bzw. Anwendern. Beginnend bei innovativen Werkstoffen als Basis vieler technischer Neuerungen über benutzerzentriertes Design medizintechnischer Applikation gemäß IEC 62366 und der Miniaturisierung wird die gesamte Prozesskette bis zu den Themen Packaging sowie Marktzugang und Zulassung dargestellt“, berichtet Peter Reinhardt, Chefredakteur von DeviceMed. Neu sind in diesem Jahr Vorträge zur Lieferperformance in der Medizintechnik, einschließlich der Vorstellung von Stellhebeln für Leistungsverbesserungen. Ebenfalls ein Thema ist der vom Bundeministerium für Bildung und Forschung initiierte „Innovationslotse“, der Innovationsprozesse Schritt für Schritt entlang der Innovationsstufen Forschung – Entwicklung – Zertifizierung – Erstattung – Markt begleitet. Abgerundet wird das Programm durch praktische Anleitungen zum Schutz von Innovationen sowie zur IT Security.
Hightech für dreidimensionale Aufnahmen von Gewebestrukturen
Im Trend liegen weiterhin optische Verfahren für eine bessere Diagnostik. So entwickeln seit April 2015 das Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS, das schon mehrfach auf der COMPAMED vertreten war, die sächsische Firma EDC Electronic Design Chemnitz GmbH und die kanadische Firma Preciseley Microtechnology Corperation gemeinsam ein Mikro-Opto-Elektro-Mechanisches System (MOEMS) für die optische Kohärenztomographie (engl. Optical Coherence Tomography - OCT). Die angestrebte Lösung soll eine hochaufgelöste in-vivo OCT-Diagnostik ermöglichen. Erst durch den Einsatz integrierter piezoelektrischer Sensoren und einer anwendungsspezifischen integrierten Regelungsschaltung kann eine Erhöhung der Präzision des OCT-Verfahrens bei gleichzeitiger Miniaturisierung erreicht werden. Dadurch ist es möglich, einen hochpräzisen Kohärenztomografen in ein Endoskop zu integrieren und nicht-invasiv dreidimensionale Aufnahmen von Gewebestrukturen zu erhalten. Die OCT findet in einer Vielzahl von medizinischen Fachbereichen Anwendung, wie zum Beispiel in der Augenheilkunde. Durch nicht invasive OCT-Untersuchungen lassen sich die Beschaffenheit sowie mögliche Erkrankungen der Netzhaut erkennen. Mittels OCT ist es möglich, dreidimensionale Abbildungen vom Aufbau der Gewebestrukturen zu erhalten. Der Vorteil gegenüber konkurrierenden Verfahren ist die hohe Eindringtiefe in das Gewebe mit hoher Auflösung. Die OCT basiert im Gegensatz zur Sonografie nicht auf einem akustischen Verfahren, sondern auf optischer Interferometrie (Abstandsmessung). Ermöglicht wird das Verbundprojekt durch eine Initiative des Ministeriums für höhere Bildung von Alberta (EAE) und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi).
Beschichtungen, die Bakterien abtöten können
Ein „Dauerbrenner“ auf der COMPAMED sind Beschichtungen, vor allem mit antimikrobieller Wirkung. Biofilme auf Kathetern können zu Infektionen bei Patienten führen. Deshalb werden in den USA bereits zwei Drittel aller gehandelten Katheter antimikrobiell und/oder antithrombogen beschichtet. Auch wenn in Europa eine andere Gesetzgebung herrscht, werden inzwischen auch hier derartige Katheder eingesetzt. Der nordspanische Zulieferer Cikautxo hat nach der so genannten „non leaching method“ Katheder entwickelt, deren Oberfläche mit einer Substanz behandelt ist, die Bakterien abtötet, sobald diese in ihre Nähe kommen. Bei dieser Methode werden also keine Substanzen ins Gefäßsystem abgegeben, so dass auch keine Nebenwirkungen resultieren. Cikautxo arbeitet mit einem antimikrobiellen Überzug aus Polymeren und deren antithrombogener Wirkung auf der Grundlage von Heparin.
Die bevorstehende COMPAMED wird wieder einen Überblick über das gesamte Spektrum der Medizintechnik-Zulieferer geben. Das Angebot für die Besucher reicht von winzigen Sensoren bis zu raumfüllenden Verpackungsmaschinen, von innovativen Materialien bis zu raffinierten Mikrosystemen, vom mobilen Diagnostikgerät bis zum Electronic Manufacturing Services (EMS). In Zukunft dürfte der 3D-Druck ein Schwerpunkt auch auf der COMPAMED werden. Nach einer Umfrage von DeviceMed setzen bereits 31 Prozent der befragten Unternehmen auf das innovative Verfahren, 35 Prozent planen den Einsatz in absehbarer Zeit. Nur ein Drittel der bisher erfassten rund 80 Firmen sieht derzeit keine Anwendungsmöglichkeiten. Auch unter diesem Aspekt lohnt sich der Besuch der Hallen 8a und 8b mit Sicherheit in diesem Jahr, in dem es erstmals für spannende Gespräche und Geschäfte einen Tag länger Zeit gibt.
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