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Angelika Schimmel/OTZ

Wenn‘s besonders sauber sein soll

Unternehmen in Ostthüringen

Andreas Voigt führt Montagearbeiten aus. (Foto: Angelika Schimmel, OTZ)
Andreas Voigt führt Montagearbeiten aus. (Foto: Angelika Schimmel, OTZ)
Colandis-Gründer und Geschäftsführer Joachim Ludwig. (Foto: Angelika Schimmel, OTZ)
Colandis-Gründer und Geschäftsführer Joachim Ludwig. (Foto: Angelika Schimmel, OTZ)
Torsten Sander und Ralf Kügler setzen eine Lüfterplatte mit Vorfilter auf. (Foto: Angelika Schimmel, OTZ)
Torsten Sander und Ralf Kügler setzen eine Lüfterplatte mit Vorfilter auf. (Foto: Angelika Schimmel, OTZ)

Es sind nicht nur die großen Namen, die die Unternehmerlandschaft in Ostthüringen prägen und ausmachen. Auch viele kleinste, kleine oder mittlere Firmen leisten Erstaunliches für die Volkswirtschaft. Manchmal sind sogar heimliche Gewinner, sogenannte Hidden Champions, darunter. Die OTZ (Ostthüringische Zeitung) stellt wöchentlich Betriebe und Dienstleister aus Ostthüringen vor. Am 09. Februar 2015 veröffentlichte die OTZ einen Bericht über die Colandis GmbH aus Kahla.

Der Name Colandis hat einen guten Klang. Nicht nur in den Ohren von Pferdeliebhabern. Zwar ist der Westfalen-Wallach gleichen Namens bei Springwettbewerben ziemlich erfolgreich, doch zu so großer internationaler Anerkennung wie sie die Colandis GmbH genießt, hat er es noch nicht gebracht. „Auch unser Name ist in gewisser Weise ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt schmunzelnd Joachim Ludwig.

Für das, was das kleine, mittelständische Thüringer Unternehmen kann, verdient es auf jeden Fall dieses Qualitätsurteil. Denn: Reiner kann‘s kaum einer. Konkret ist hier von Luft die Rede, jener Luft in einem Raum, die besonderen Reinheitsanforderungen entsprechen muss. Etwa im „Backend“-Bereich der Chipherstellung, wenn mikrofeine Golddrähte an Microchips gelötet, richtig heißt es „gebondet“ werden müssen, oder wo für kleinste Sensoren mikromechanische Elemente montiert werden. Da kann jedes Staubpartikelchen zum berüchtigten Sandkorn im Getriebe werden. Auch für manche berührungslose Kontrollmessung wird eine möglichst staub- und partikelfreie Umgebung gebraucht. Und genau die schafft Colandis, die „clean air company“, für ihre Kunden.

„Stellen sie sich einen Würfel von einem Kubikmeter vor, in dem sich zehn Partikel befinden von nur 0,1 Mikrometer Größe. Oder besser, nehmen Sie die Erdkugel. Wenn darin zehn Würfel versteckt sind von je einem Kubikmeter – wir finden sie. Alle zehn“. So beschreibt Firmengründer und Geschäftsführer Joachim Ludwig, was seine Produkte können. Die höchste Luftreinheitsklasse.

In der Fertigungshalle im Gewerbegebiet Im Camisch, am Stadtrand von Kahla, konstruieren und bauen 26 Mitarbeiter Reinraumtechnik, mit der die Kunden zum Beispiel aus den Branchen Oberflächenbeschichtung, optische Industrie, Mikrosystemtechnik, Biotechnologie oder Automobilindustrie später ihre Produkte testen, herstellen oder verpacken können. „Wir haben uns dabei auf die technische Industrie spezialisiert, Medizin, Pharma und Lebensmittel sind nicht unsere Themen“, räumt der 53-jährige Geschäftsführer ein. „Wir gehören nicht zu denen, die alles können (wollen). “

Individuelle Lösungen nach Kundenwunsch

Dabei sind die Räume, die mit Colandis-Technologie und Technik rein werden, sehr unterschiedlich. „Wir haben für eine Airbus-Tochter schon einen neun Meter hohen Reinraum gebaut, in den eine Kabelkrananlage integriert werden musste“, erzählt Ludwig. Das sei schon eine mächtige Herausforderung gewesen. Doch ein Reinraum von Colandis kann auch nur die Größe einer gängigen Mikrowelle haben. „Es kommt immer darauf an, welches Problem der Kunde lösen will.“

Nicht immer müsse man einen ganzen Raum „partikelfrei“ halten, manchmal reiche auch eine lokale Einheit dafür aus, weiß der Fachmann. Und so stellt das Unternehmen auch Reinraummodule und so genannte Minienvironments her, in denen die Prozesse abgeschottet zur Umgebung unter höchster Reinheit ablaufen können. Damit erreiche man auch eine Kostenersparnis, wenn nicht immer der gesamte Reinraum auf dem hohen benötigten Reinheitsniveau gehalten werden muss. Sogar ein Reinraum-Zelt haben die Entwickler von Colandis entworfen, das überall dort zum Einsatz kommen kann, wo zum Beispiel Reparaturen an empfindlichen Anlagenteilen nötig werden, die Umgebungsbedingungen jedoch dafür ungeeignet und eine Demontage zu kostspielig wären.

„Unser technisches Knowhow, unsere Erfahrung und unsere Flexibilität kommen uns da zweifelsfrei zugute“, sagt Ludwig. Statt Produkte von der Stange bietet er seinen Kunden sehr individuelle und spezifische Lösungen an.

Und die Kahlaer Spezialisten für reine Luft haben auch eine praktikable Lösung für Kunden gefunden, die nur für begrenzte Zeit einen Reinraum brauchen. Den können sie bei Colandis mieten. Diese Variante des High-Tech-Produktes passt in zwei Transportcontainer und wird von zwei Colandis-Mitarbeitern in nicht einmal einer halben Stunde dort aufgebaut, wo er gebraucht wird. „Ist die Colandis-Lüfter und Filtertechnik dann ebenfalls montiert, wird die Luft im Mietraum im Handumdrehen rein.“ Weil die Nachfrage groß ist, hat Colandis jetzt das fünfte Exemplar des Mietreinraums „Clean air to go“ gebaut.

Mit dieser Produkt- und Firmenphilosophie hat Colandis sich bei denen, die unter Reinraumbedingungen produzieren, einen guten Namen gemacht. Im Inland wie auch im Ausland, in Russland, den USA oder aus Malaysia. „Wir haben im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Umsatz von 3,6 Millionen Euro realisiert, den größten, den wir je hatten“, sagt Ludwig nicht ohne Stolz. Im Vergleich zum Jahr 2013 wurde ein Zuwachs von 50 Prozent erreicht.

Dabei war es eher Zufall, dass Ludwig mit der Reinraumtechnik in Berührung kam. „Als ich nach dem Studium 1988 bei Carl Zeiss als Entwicklungsingenieur angefangen habe, wurde nicht viel gefragt, wo man vielleicht hin wollte. Ich kam in die Leiterplattenentwicklung – nicht gerade mein Traumgebiet“., erzählt Ludwig. Doch dann sei doch ein Tausch in eine andere Abteilung möglich geworden. „Da gab es verschiedene Arbeitsbereiche als Angebot, auch Reinraumtechnik. „Ich wusste nicht, was das ist und habe es deshalb genommen“, erinnert er sich. Ludwig arbeitete dann an Aufgabenstellungen für die Fotolithographie mit. „Wir haben da schon die höchste Reinheit in einem definierten Umfang erreicht“, sagt er.

Neustart nach den Wendewirren

Doch in den Wendewirren kam auch für den Zeissianer Joachim Ludwig das Aus. Mit der „letzten Entlassungswelle 1995“ musste auch er gehen. Er gründete kurzerhand ein Ingenieurbüro, denn er sei überzeugt gewesen, dass Reinraumtechnik eine zunehmend wichtige Rolle spielen würde. „Im Wohnzimmer in unserer Jenaer Wohnung standen zwei große Schreibtische und ein Reißbrett, da habe ich die ersten Lösungen für Kunden konzipiert. Die Kinder fanden das immer spannend“, sagt Ludwig.

Vielleicht war es deshalb für Tochter Ina auch ganz normal, nach Schule und Ausbildung im väterlichen Betrieb einzusteigen. Sie betreut hier heute den Bereich Kunden und Projekte, Ehefrau Andrea Ludwig hält die Fäden im Chefbüro zusammen.

In der ersten Zeit jedoch managte Ludwig das Geschäft allein. Dann holte er sich einen der früheren Kollegen und Stück für Stück wuchs die Belegschaft. Eine Garage und ein 40 Quadratmeter großes Büro waren die nächste Firmenstation, zwei Jahre später wurde in ein 200-Quadratmeter-Objekt umgezogen. „Und auch dort wurde es ganz schnell wieder zu eng“, berichtet Ludwig. Der Entschluss, im Gewerbegebiet Jena-Maua zu bauen, wurde 2001 gefasst. „Wir haben lange verhandelt, letztlich scheiterte das Projekt, weil die Stadt uns nicht unterstützen wollte“, bekennt er.

Der Weg nach Kahla war nicht so weit – „und dort wurden wir ganz anders als in Jena behandelt“, erzählt der Unternehmer. „Bürgermeister Leube hat uns Montag früh um 8 Uhr selbst die Rathaustür aufgeschlossen, wir haben unser Vorhaben vorgetragen – und eine Woche später den Grundstücksvertrag unterschrieben“.

Mit dem Firmenobjekt wuchs das Unternehmen Stück um Stück. Ludwig verschweigt jedoch nicht, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise 2009/2010 auch das Kahlaer Unternehmen erreichte. Aufträge gingen zurück, Mitarbeiter mussten entlassen werden.

In jener Zeit hat sich das Unternehmen als Serviceanbieter in Sachen Reinraumtauglichkeitsprüfung ein zweites Standbein geschaffen. Die Zahl der Firmen wächst, die Materialien oder Produkte herstellen, die von anderen unter Reinraumbedingungen eingesetzt werden. Und sie müssen den Nachweis erbringen, dass die eigenen Produkte und Werkstoffe dafür geeignet sind“, beschreibt Ludwig diese Dienstleistung. „Die Reinraumtauglichkeit wird mehr und mehr zum Qualitätsmerkmal“. Und es gibt außer Colandis nur einen Mitwettbewerber, der die entsprechenden Prüfungen vornehmen und ein Zertifikat ausstellen kann, ein Fraunhofer-Institut in Stuttgart.

Und noch ein neues Geschäftsfeld hat sich Colandis erschlossen, die Reinigung von Maschinen und Anlagen. „Ein Reinraum wird ständig gereinigt – aber die Maschinen darin werden oft vergessen. Und überlegen Sie nur einmal, wie viel Dreck allein ein Computer-Lüfter anzieht – und natürlich wieder verteilt“, macht er die Dimensionen deutlich. Mit einem kleinen Staubsauger könne man dem, anders als zu Hause, aber nicht zu Leibe rücken.

Um für die aktuellen und zukünftigen Aufgaben gerüstet zu sein, bildet Colandis Lehrlinge aus. „Heute ist es allerdings nicht so einfach, passende Bewerber zu finden“, sagt Ina Henze-Ludwig. Dabei hat das Kahlaer Unternehmen einiges zu bieten. Spannende Aufgaben und Herausforderungen haben andere Unternehmen in Thüringen zwar auch für junge Leute. Aber kostenfreie Englischkurse und eine wöchentliche Rückenschule während der Arbeitszeit, bei der auch der Chef mitturnt, wenn er mal nicht im Ausland unterwegs ist, sowie eine betriebliche Altersversorgung sind da schon wieder Alleinstellungsmerkmale.

Und einen Unternehmer, der seinen Kunden einmal im Jahr einlädt und sie dabei eigenhändig bekocht, den gibt es wahrscheinlich auch nicht so oft. Seine Kochkünste hat Joachim Ludwig allerdings nicht eingesetzt beim Großen Preis des Mittelstandes 2014. Finalist ist er dabei trotzdem geworden.

 

 



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