Klaus Jopp, freier Wissenschaftsautor (Hamburg)
COMPAMED setzt ihren Erfolgskurs fort – Zulieferer treiben die Entwicklung im Diagnostik-Bereich stark voran
In optischen Verfahren steckt viel Potenzial für eine Optimierung der Behandlungsprozesse
Die COMPAMED in Düsseldorf, die international wichtigste und größte Zulieferermesse für die Medizintechnik, setzt in Parallelität zur mit mehr als 4.800 Ausstellern weltgrößten Medizinmesse MEDICA ihren Erfolgskurs fort. Auch in diesem Jahr konnte sie mit 724 Ausstellern eine neue Rekordmarke verzeichnen. Weiterhin groß ist auch das Interesse der Fachbesucher. Von den insgesamt fast 130.000 Fachbesuchern, die zur MEDICA 2014 (Laufzeit: 12. – 15.11.) und zur COMPAMED (Laufzeit: 12. – 14.11.) kamen, strömten rund 17.000 in die Hallen der COMPAMED (Hallen 8a und 8b). Einen Trend-Schwerpunkt bildeten dort diesmal optische Verfahren, die seit Jahren schon Einzug in den Geräte- und Produktmarkt der Medizintechnik-Industrie halten und immer mehr zum zentralen „Erfolgsgarant“ werden.
„Grund dafür sind unter anderem stetig steigende Ansprüche an Genauigkeit und Präzision, die mit Hilfe von Optik, Photonik und Lasern besonders effektiv zu erreichen sind“, bestätigt Dr. Thomas R. Dietrich, Geschäftsführer des Fachverbands für Mikrotechnik IVAM. Darüber hinaus haben sich optische Verfahren zum Beispiel durch minimal invasive Diagnostik oder in der Bildgebung als besonders patientenfreundlich erwiesen. Optische Mikrokomponenten sind daher inzwischen unabdingbar für die Herstellung von Diagnosegeräten, die am Markt erfolgreich sind. Das zeigt eindrucksvoll auch eine Neuentwicklung des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme (IKTS), die Ärzten in nur 90 Sekunden anzeigt, ob Prostatagewebe von einem Karzinom befallen ist oder nicht. Bisher mussten Laboranten aus Biopsieproben hauchdünne Gewebeschnitte anfertigen – eine mühselige Arbeit, die mindestens einen Tag in Anspruch nimmt. Anschließend gehen die Proben an einen Pathologen, der sie unter dem Mikroskop untersucht – häufig mit unklarem Ausgang, weil die Unterscheidung zwischen gut- oder bösartig verändertem Gewebe selbst für erfahrene Ärzte schwierig ist. Künftig geht die Untersuchung einfacher, präziser und schneller: „Der Arzt legt die entnommene Gewebeprobe auf ein Unterlegplättchen, schiebt dieses in das Gerät und drückt einen Knopf – und erhält innerhalb von eineinhalb Minuten eine zuverlässige Aussage, ob das Gewebe gut- oder bösartig ist“, erklärt Dr. Jörg Opitz, Wissenschaftler am IKTS. Das Verfahren beruht auf der Auto-Fluoreszenz, die humanes Gewebe abgibt, weil es Fluorophone enthält. Diese Moleküle leuchten kurz, wenn ein bestimmtes Licht auf sie fällt. Mit Beginn der Messung regt ein dosierter Laserimpuls die Fluorophone an, die ihrerseits wieder Licht abgeben. Wie diese Fluoreszenzstrahlung abnimmt, unterscheidet sich bei gut- oder bösartig verändertem Gewebe und ist der Schlüssel für die neue „Blitzanalyse“, für die bereits ein Prototyp-Gerät vorliegt. Zwei klinische Studien hat es schon erfolgreich absolviert.
Ebenfalls auf optischen Effekten beruht das Messsystem „µsurf expert“, das die Firma NanoFocus unter anderem für die Rauheitsermittlung von Implantaten bei der COMPAMED vorgestellt hat. „Unser Gerät arbeitet wie ein 3D-Mikroskop. Ein optischer Filter im Strahlengang sorgt dafür, dass nur Strahlen aus dem Brennpunkt abgebildet werden“, erklärt Dr. Jürgen Valentin, Technologievorstand der NanoFocus AG. Gerade an Gelenkimplantate werden besondere Anforderungen im Hinblick auf die medizinische Verträglichkeit, Haltbarkeit und Verschleiß gestellt. Die optisch-konfokale 3D-Oberflächenmesstechnik von NanoFocus eignet sich ebenso zur Oberflächenanalyse wie zur Produktionskontrolle und Produktentwicklung. Dabei werden Metall-, Kunststoff- und Keramikoberflächen gleichermaßen zuverlässig erfasst und Kratzer, Oberflächenfehler oder Rauhigkeitswerte als farbig unterlegte Topografien wiedergegeben.
Linsen nach dem Vorbild des menschlichen Auges
Unter anderem für die Augenheilkunde hat das Schweizer Unternehmen optotune schnelle, fokusvariable Linsen für die 3D-Mikroskopie auf der COMPAMED vorgestellt, die vielfältige Bio-Imaging-Anwendungen möglich machen. „Die Anwendungspalette reicht von konfokaler Mikroskopie über Multiphoton-Imaging bis zur Optischen Kohärenztomografie“, freut sich Dr. David Leuenberger, Sales Manager bei optotune. Die adaptiven optischen Komponenten aus elastischen Polymeren sind dem menschlichen Auge nachempfunden und könnten eine Revolution einläuten. Durch Anlegen einer elektrischen Spannung ist es möglich, die Krümmung der weichen Linsen zu variieren. Optische Systeme werden so kleiner, günstiger und schneller. Bei bestimmten Anwendungen sind bis zu 30 Volumenscans pro Sekunde erreichbar.
Roadmap zur Normung von Point-of-Care-Diagnostik
Mit der deutschen Normungs-Roadmap „Mobile Diagnostiksysteme“ hat der Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) auf die besondere Bedeutung des „Point-of-Care-Testing“ hingewiesen. Das gilt für Länder wie Deutschland mit hoch entwickelter Medizinversorgung, weil die Menschen immer älter werden, der Ärztemangel auf dem flachen Land zunimmt – bis 2021 gehen 42 Prozent aller Hausärzte in Rente – und Patienten nicht mehr tagelang auf eine Diagnose warten wollen. Auf der anderen Seite sind in Schwellenländern die Wege zum nächsten Arzt oder Labor häufig sehr weit – da ist es kaum möglich, nach wenigen Tagen erneut zu kommen. Dank mobiler Diagnostik soll die Zeitspanne bis zu Ergebnissen, die heute zwischen ein und fünf Tage dauert, auf 15 bis 30 Minuten verringert werden. „Dazu müssen entsprechende Geräte klein und mobil, dezentral einsetzbar und einfach zu bedienen sein“, erklärt Dr. Joerg Schickdanz, Manager Director der QIAGEN Lake Constance. Mit der Roadmap soll die Harmonisierung der Normung in Gang gesetzt werden, um technische und rechtliche Fragen abzuklären. Ohne Frage ergeben die Einzelprobenmessung, der Wegfall einer aufwendigen Probenvorbereitung und die unmittelbare Verfügbarkeit der Messergebnisse sehr vielfältige Einsatzgebiete, die vom Operationssaal bis zur Eigenmessung des Patienten in der häuslichen Umgebung reicht. Doch bis es so weit ist, sind noch viele technologische und regulatorische Hindernisse bei der Methodenentwicklung, Validierung und Verifizierung zu überwinden. Wie dringend Point-of-Care-Lösungen gebraucht werden, zeigt der Ebola-Ausbruch: Überprüfungen von potenziell Kranken wären an Flughäfen in nur 30 Minuten zum Beispiel ideal. Derzeit müssen Reisende, bei denen die Krankheit vermutet wird, drei Tage in Quarantäne.
Innovatives Rückentraining mit Wearables
Ein Thema mit zunehmender Bedeutung sind auch Wearables, also am Körper getragene Messtechnik, die bisher vor allem zur Bestimmung von Vitalparametern zum Einsatz kommt. Ein neues Kapitel haben in diesem Bereich der Auftragsfertiger Cicor und Hocoma aufgeschlagen. Hocoma ist globaler Marktführer in der Entwicklung, Herstellung und Vermarktung von robotischen und sensorbasierten Geräten für die funktionelle Bewegungstherapie. Das Trainingsgerät Valedo erfasst die Bewegung des Rumpfes mit Hilfe von zwei Bluetooth-Sensoren und überträgt die Daten in eine Spielewelt. „So erhalten die Probanden ein Echtzeitfeedback, ob sie die Übung richtig gemacht haben“, sagt Monika Thomann, bei Cicor für Marketing und Kommunikation zuständig. Jeder Sensor nutzt zur Bewegungserfassung von vollen 360 Grad ein 3D-Gyroskop, ein 3D-Akzelerometer und ein 3D-Magnetometer. Mit der Entwicklung gewann Cicor beim dritten Devicemed-Award den Preis in der Kategorie Auftragsfertigung. „Bisher taten sich Bewerber hier relativ schwer, deshalb freuen wir uns über zunehmend mehr gute Einsendungen gerade in der Auftragsfertigung, die in der Medizintechnik immer mehr an Bedeutung gewinnt“, so Peter Reinhardt, Chefredakteur des Fachmagazins Devicemed, das den Preis während der COMPAMED vergab.
Vor diesem Hintergrund hat Gerresheimer Medical Plastic Systems an seinem Technischen Competence Center eine Pilotproduktion in Serienqualität aufgebaut. Pharmazeutische und medizintechnische Produkte durchlaufen einen langwierigen Zulassungsprozess, für den immer wieder kleine Stückzahlen als klinische Muster oder Stabilitätschargen etc. gefertigt werden müssen. Für die „Small batch production“ stehen elf Spritzgießmaschinen mit einer Schließkraft von 65 bis 420 Tonnen zur Verfügung, darunter zwei 120- bzw. 200-Tonnen-Zweikomponenten-Spritzgießmaschinen. Hinzu kommen projektspezifische Montageanlagen wie Fügeautomaten, Klebevorrichtungen oder Anlagen zum Ultraschallschweißen. Zudem gibt es einen Reinraum Klasse 8. Ein Management Execution System (MES) stellt die effiziente, schnelle und wirtschaftliche Produktion sicher. „Die Small batch production ermöglicht Entwicklungsmuster und klinische Muster bis hin zur Kleinserie auch in Stückzahlen zwischen 500 und 1000 Stück“, erklärt Ulf Kirschner, Key Account Manager bei Gerrresheimer Medical Plastic Systems. Schwachstellen werden frühzeitig im Projekt erkannt, können entwicklungsbegleitend optimiert werden und in die Serie einfließen.
Verpackungsmaschinen immer „intelligenter“
Ganzheitliche Konzepte sind auch bei Verpackungen für die pharmazeutische und medizintechnische Industrie gefragt. Lösungen in diesem Sinne bietet das Unternehmen Harro Höfliger an. „Wir verknüpfen auf engem Raum Abfüll-, Dosier- und Montagetechnik und kombinieren sie mit Siegelungs- und Laminierprozessen“, so Dieter Haberzettl, Division Leader Diagnostics bei Harro Höfliger Verpackungsmaschinen. Auf Basis der Technologieplattform „Varioflex“ kreiert das Unternehmen kundenspezifische Lösungen, die auch verschiedene Reinraumbedingungen erfüllen. Die Maschinen sind dank ihres flexiblen Konzeptes auch für Firmen geeignet, die Verpackungen für neue Entwicklungen benötigen und entsprechende Prozesse etablieren wollen.
Fortschritt liegt häufig auch im Kleinen: Die Weidmann Medical Technology hat Behälter für Laborproben entwickelt, in die ein RFID-Chip integriert sind. Die so genannten Tubes ermöglichen eine kontaktfreie Datenerfassung und lückenlose Rückverfolgung. „Bei bisherigen Verfahren mit Barcode-Labels oder Dot-Matrix-Kodierungen gab es häufig Schwierigkeiten, deshalb haben wir die Chips in das Material der Tubes eingebettet“, betont Kurt Eggmann, Director Sales und Marketing bei Weidmann. Die RFID-Elemente können höhere Datenmengen speichern, aktualisiert und überschrieben werden. Zudem halten sie auch Temperaturen bis minus 20°C stand. Ein Vorteil, weil viele sensible Proben gekühlt aufbewahrt werden müssen.
Noch viel Forschung notwendig beim 3D-Druck in der Medizintechnik
Hörgeräte, die maßgeschneidert für den einzelnen Patienten über 3D-Druck maßgefertigt werden, sind bereits in großen Stückzahlen auf dem Markt. „Auch im Dentalbereich ist der 3D-Druck schon in der Produktion angekommen“, bestätigt Carlos Carvalho, bei der envisionTEC für Prozess- und Materialentwicklung verantwortlich. Das Unternehmen ist daran nicht unbeteiligt, liefert es doch mit dem „3D-Bioplotter“ ein entsprechendes Gerät, das eine Vielzahl an Biomaterialien – von weichen Hydrogelen über Polymerschmelzen bis zu harten Keramiken und Metallen - verarbeiten kann und das es in zwei Versionen für die Fertigung und in einer abgespeckten Version für die Entwicklung gibt. Bei der COMPAMED 2014 wurde der 3D-Bioplotter mit dem ersten Ad-hoc-Award überhaupt von der Devicemed-Redaktion ausgezeichnet. „Wir setzen zum Beispiel thermoplastische Kunststoffe für Produkte ein, die im Körper innerhalb von drei bis sechs Monaten abbaubar sein sollen, keramische Pasten für solche, die sich erst nach zwei bis drei Jahren im Körper auflösen sollen“, so Carvalho. In Hydrogelen lassen sich auch körpereigene Zellen auflösen, ein Ansatz zum Druck von „Ersatzteilen“ für den menschlichen Körper. „In engerer Zukuft sind wir in der Lage, Knochenmaterial zu drucken, mittelfristig auch Haut. In 20 bis 30 Jahren könnte es dann gelingen, auch Organe auf diesem Weg herzustellen“, prophezeit Carvalho. Derzeit ist die Hype um den 3D-Druck in der Medizintechnik etwas abgeebbt – vieles steckt hier noch im Forschungsstadium und wächst erst an den Hochschulen heran. Dennoch dürfte schon heute feststehen, dass das Thema 3D-Druck auch in den nächsten Jahren immer wieder für Aufmerksamkeit auf der COMPAMED sorgen wird.
Die nächste COMPAMED findet vom 16. bis zum 19. November 2015 statt – erstmals an vier Tagen (also in vollständiger Parallelität zur weltgrößten Medizinmesse MEDICA) und künftig stets an den Lauftagen Montag bis Donnerstag.
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