Marc Kleinklaus, Philippe Roulet-Dubonnet
Ziel: Null Fehler!
Die Freigabe einer Charge auf Basis einer absolut zuverlässigen Prüfung jedes einzelnen Produktes ist das Ziel eines jeden Leiters der Qualitätskontrolle. Aber die technischen Spezifikationen der Pharma- und Medizintechnikunternehmen beinhalten immer restriktivere Qualitätsanforderungen …
Seit 50 Jahren entwickelt und produziert Union Plastic Produkte, Geräte und Verpackungen aus gespritzten Kunststoffen für die Gesundheitsindustrie. Während eines halben Jahrhunderts erlebte dieser Familienbetrieb mit, wie sich die Maßstäbe in Bezug auf Qualitätsbedingungen ständig verschärften. Heute berichtet dieser Spezialist (ISO 9001, 13485 und 15378 zertifiziert), mit 200 im Reinraum produzierenden Mitarbeitern, über ergriffene Maßnahmen, um den wachsenden Forderungen seiner Kundschaft gerecht zu werden.
„Bis in die 80er Jahre waren noch die klassischen Stichprobenverfahren bei der Herstellung von medical devices völlig ausreichend. Diese Kontrolle bei Schichtbeginn und Schichtende war damals der Standard, um die Qualitätsforderungen von Healthcare-Artikeln zu erfüllen“, erwähnt Geschäftsführer Fabrice Bourdier.
In den 90ern führten die Automobilbauer neue Maßstäbe ein. Zur Bewertung des Anteils an produzierten NIO-Teilen pro Million Stück führten sie den Begriff „ppm“ (10-6) als Qualitätsindikator ein. Um Menschenleben zu sichern, übernahm auch die Medizin- und Pharmaindustrie diese Bewertung. Wer in der Top-Liga bestehen wollte, musste dementsprechend seinen gesamten Produktionsprozess neu gestalten.
„Um in vielen kleinen Schritten an das Ziel „zero default” heran zu kommen, setzte auch Union Plastic Bewertungsmethoden wie FMEA und Berechnungsmodelle für Cpk und Ppk ein. Unsere statistischen Zuverlässigkeitsanalysen zeigten aber, dass die bisher getroffenen Maßnahmen diese neuen Forderungen nie ausreichend erfüllen können würden. Kontrollen konnten nicht mehr dem Menschen allein überlassen werden, sie mussten automatisiert werden“, so Bourdier.
Die vorgenommenen Risikoanalysen zur Steigerung der Zuverlässigkeit der Produktionsprozesse brachten dem Unternehmen zwei wesentliche Erkenntnisse. Die eine führte zur Integration von 100% automatischen Kontrollen, die andere zur Qualifizierung aller Maschinen durch Ermittlung der Toleranzfenster auf Basis von Versuchsmatrizen.
So wurden an den zwei Produktionsstandorten, an denen Teile gespritzt und montiert werden, Stationen zur 100%-igen Kontrolle in jeder Produktionslinie integriert. Je nach hergestelltem Produkt basieren sie auf unterschiedlichen Technologien und prüfen Montagemasse, Reibungs-, Zug- oder Haltekraft, Weg, Hub, Durchfluss, Dichtheit, Dosis oder Oberflächenqualität.
Kamerakontrollen haben sich im letzten Jahrzehnt stark entwickelt. Sie profitieren von der steigenden Rechengeschwindigkeit der Mikroprozessoren, der digitalen Bildverarbeitung, der Vereinfachung der Bedienbarkeit und der Verkürzung der Inbetriebnahmezeit. Gleichzeitige Kontrollen von Masse, Toleranzen, Oberflächen und Bedruckungsqualität sind nun in sehr kurzen Zykluszeiten möglich.
IVD: Mikrofluidik im 30µ-Bereich
Vor 9 Jahren wurde ein Visionssystem mit mehreren Kameras zur Kontrolle eines komplexen Teils im Bereich Mikrofluidik für die In-Vitro-Diagnostik in Betrieb genommen. Die kurze Taktzeit inkl. Produktwechselzeit vor den Kameras erforderte, dass 52 verschiedene Maße mit Toleranzen von 30 µm auf unterschiedlichen Produktebenen ohne Fokuswechsel kontrolliert werden mussten.
Dieses Jahr wurde die Produktionskapazität dieser IVD-Teile erhöht, so dass zur Prüfung der 52 Maße nun 60% weniger Zeit zur Verfügung stand. Die Inspektion erfolgt jetzt „fliegend“, während die Teile mit dem Roboter vom Spritzgießwerkzeug in die Paketierungsvorrichtung nach Kavität sortiert werden.
Kontrolle auf Vorhandensein schwarzer Punkte < 100µ
Eine 2 ml-Spritze benötigte einen Kolben mit einer besonderen Dichtung. Letztere ließ sich aber kaum ohne winzige Spritzgrate herstellen. Beim Ausspreizen der Dichtung während ihrer Montage innerhalb von nur 280 ms lösten sich Schwimmhäute, so dass schwarze Pünktchen auf dem Produkt verblieben.
Heute sichern mehrere Kameras eine hundertprozentige Qualität: Am Ende der Montage der Spritze entdecken sie auf 360° das Vorhandensein aller Verunreinigungen (Größe < 100µ) auf der Kolbenfläche.
Qualitätskontrolle einer O-Ring-Montage
Im Reinraum ISO 8 produziert Union Plastic einen Luer-Verschluss. Die Gehäuseteile kommen nach dem Spritzen direkt in eine Montagemaschine. Dort werden u.a. O-Ringe aus Silikon zugeführt, komprimiert und in die innere Nut des Gehäuses mit einer Leistung von 160 Stück pro Minute montiert. Ein feinfühliger Tastkopf kontrolliert anschließend das Vorhandensein des O-Ringes in der Nut.
Die Risikoanalyse zeigte allerdings, dass Materialfehler oder Verletzungen der O-Ringe, auch wenn sie sehr selten vorkommen, nicht erfasst werden. Als Konsequenz wurde eine Kamera integriert, die Montagefehler sowie O-Ring-Verletzungen nach 5 Schweregraden kontrolliert.
Qualitätsleiter Bruno Dutertre erklärt: „Eine Qualitätsmatrix steuert selektiv auf Basis von zwei Kontrollverfahren die Ausschussquote: Das eine erfasst binär (IO/NIO) die Gesamtzahl an NIO-Teilen und löst einen Alarm bzw. Maschinenstopp aus. Das andere führt eine Kritikalitätsanalyse nach verschiedenen Schweregraden auf Basis der letzten 200 Kontrollen durch. Dadurch zeigt sich ein Trend, der dem Anlagenführer signalisiert, ob eine mechanische Verstellung oder ein Werkzeugverschleiß vorliegt. Letzterer bewirkt dann bei Union Plastic eine vorbeugende Wartung, bevor die Qualitätsgrenze erreicht wird.“
Fazit
Visionssysteme erfüllen heute viele Kontrollaufgaben und sind, besonders in hoch automatisierten Produktionsbetrieben, nicht mehr wegzudenken. Sie sichern die zuverlässige Prüfung jedes einzelnen Produkts und senken somit die Unfallrate im Gesundheitswesen.
Union Plastic Deutschland
82319 Starnberg
Deutschland