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Klaus Eckardt
7. Symposium von VIP 3000 - Keep it simple in einer komplexen Pharmawelt
Über 60 Fachleute diskutierten in Frankfurt über den Pharmabau der Zukunft
„Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden – aber auch nicht einfacher", hat Albert Einstein schon vor vielen Jahren erkannt. Ein Satz, der in unserer hochkomplexen Welt offenbar viel zu oft vergessen wird. Grund genug für den „Verein Interessengemeinschaft Pharmabau 3000“, kurz VIP 3000, sein diesjähriges Symposium bei „Imtech“ in Frankfurt unter das Motto "Keep it simple" zu stellen und mit hochkarätigen Referenten und rund 60 Teilnehmern aus der Reinraumbranche und ihrem Umfeld nach neuen Wegen im Pharmabau zu suchen.
Lösungen statt Produkte verkaufen
Mit dem seit vielen Jahren in den Niederlanden lebenden Architekten Thomas Rau hatte VIP 3000 einen Auftaktredner eingeladen, der die „Cradle-to-Cradle-Philosophie“ vertritt, die sich der unbedingten Nachhaltigkeit verschrieben hat. „Die Erde ist ein geschlossenes System, da ist kein unendliches Wachstum möglich“, mahnte Rau.
Müllverbrennungsanlagen beispielsweise geißelte er als „Krematorien für Rohstoffe“ und forderte, bei jeder Planung und Entwicklung die weitere Verwertung der eingesetzten Stoffe einzubeziehen und sich wieder auf die Lebens- und nicht die Performancedauer von Gütern zu konzentrieren. „Wer kauft denn das iPhone 6, weil das 5-er kaputt ist?“ Rau sprach sich für einen grundlegenden Perspektivenwechsel aus: Innovative Unternehmen würden Lösungen verkaufen und keine Produkte. „Denn wer von einem Ort an den anderen will, bucht ja auch nur einen Flug und kauft kein Flugzeug.“
Gemeinsam zur richtigen Lösung
Etwas pragmatischer ging Prof. Dr. Enrico Grothe von der Hochschule Albstadt-Sigmaringen das Thema an. Er zeigte die Veränderungen, denen viele Bereiche der Wirtschaft unterworfen sind, anhand von vier Faktoren auf: Dem Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt sowie vom nationalen Wettbewerbsmarkt zum globalen Partnermarkt, der steigenden Umweltverträglichkeit von Produktion und Produkten und dem Übergang von einer produktbezogenen zu einer aufgabenbezogenen Organisation.
All dies schlage sich bei der Planung neuer Fabriken auch im Pharmabereich nieder. Dass die besten Lösungen nur gemeinsam zu finden sind, machte Grothe an einem Zitat des Philosophen Karl Popper fest, der den von ihm begründeten Kritischen Rationalismus als eine Lebenseinstellung beschrieb, „die zugibt, dass ich mich irren kann, dass du recht haben kannst und dass wir zusammen der Wahrheit vielleicht auf die Spur kommen können.“
„Wissenschaft braucht Kommunikation“
Eher rhetorisch gemeint war der Titel des Vortrags von Dr. Christoph Heinekamp, Geschäftsführer der „Dr. Heinekamp Labor- und Industrieplanung GmbH“: „Labore - Dynamische Entwicklung oder Stillstand“. Das Labor der Zukunft vereine Wissenschaften wie Chemie, Biologie und Physik wieder im Goethe’schen Verständnis der Naturwissenschaften und biete den Wissenschaftlern gleichzeitig freien Zugang zu ihren Arbeitsräumen und die Möglichkeit, sich zurückzuziehen.
Nicht wegzudenken seien Begegnungsräume, denn „Wissenschaft braucht Kommunikation“, so Heinekamp. Da die Entscheidung, wie ein Labor gebaut werde, lange Zeit wirke, empfahl er zum einem, flexibel zu planen und zum anderen, Platz für Erweiterungen vorzusehen.
„Mehr Gehirnschmalz investieren“
Wie sich dieser Gedanke in die Praxis umsetzen lässt, zeigte Christoph Bohn, Senior Technical Manager der Holopack Verpackungstechnik GmbH, die mit ihrem Projekt „Pharma 2020“ das Motto „Keep it simple and flexible“ in die Praxis umsetzte. Holopack ist nach Bohns Angaben der führende Lohnhersteller für sterile und aseptische Abfüllung mit „Blow-Fill-Seal-Technologie“. Dabei werden Medikamente in Kunststofflaschen abgefüllt, die in einem Arbeitsgang geformt, befüllt und versiegelt werden.
Der Neubau, den das Unternehmen 2012 nach nur 18-monatiger Bauzeit bezog, ist konsequent nach einem Gittermuster aufgebaut, das höchstmögliche Flexibilität gewährleistet. „Als Lohnhersteller wissen wir schließlich nie, was kommt.“ Dank der gewählten Bauweise könne man innerhalb weniger Stunden die Abfüllanlagen kundenspezifisch umrüsten. „Wir mussten zwar im Vorfeld etwas mehr Gehirnschmalz investieren“, sagte Bohn, doch der Erfolg spreche für sich. Das modulare System habe nicht nur Kosteneinsparungen in Höhe von rund 15 Prozent gebracht, sondern auch viel Zeit gespart und zu noch besserer Qualität der Produkte geführt.
Forschungsbau im FAZ-Feuilleton
Von einem sowohl für Wissenschaftler wie auch für Architekten erfreulichen Paradigmenwechsel berichtete Markus Hammes, der mit seinem Partner in Stuttgart das auf Forschungsbauten spezialisierte Büro „hammeskrause architekten“ betreibt. Inzwischen habe sich vielerorts die Erkenntnis durchgesetzt, dass die äußeren Rahmenbedingungen eine wesentliche Rolle spielen, wenn es darum geht, weltweit im Kampf um die besten (Forschungs)-Köpfe mitzuhalten. Während Forschungsbauten früher kaum wahrgenommen worden seien, habe es sein Büro mit dem Neubau des „Center for Free Electron Laser Science“ in Hamburg sogar zu einer Besprechung im Feuilleton der FAZ gebracht. Gemeinsam ist allen Bauten von hammeskrause, dass sie hell und durchscheinend sind. Transparenz in der Wissenschaft ist hier nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch gemeint. Zudem legen die Architekten großen Wert auf Begegnungsflächen, seien es ausgewiesene Treffpunkte wie Cafeterien oder weite, offene Treppenhäuser zum Sehen und Gesehen-Werden. Einen großen Markt sieht Hammes auch im Umbau bestehender Gebäude. Aktuellen Zahlen zufolge seien in Deutschland schon bald die Hälfte aller Gebäude über 50 Jahre alt.
Besser planen durch Simulationen
Quasi ein Heimspiel hatte Dr. Bruno Lindemann, der beim Gastgeber des VIP 3000-Symposiums, der Imtech Deutschland GmbH & Co KG, für Simulationen in der Forschung und Entwicklung zuständig ist. Er zeigte anhand praktischer Beispiele, wie sich mittels komplexer Computersimulationen der Energieverbrauch in Industriegebäuden berechnen lässt, um so bestmögliche und kostengünstige Lösungen zu finden. So lässt sich beispielsweise die Abwärme aus der pharmazeutischen Produktion so steuern, dass die darin enthaltene Energie zum Beheizen der Räume genutzt werden kann. Musste man früher in dieser Hinsicht viel experimentieren, „so liefern Simulationen heute exakte Ergebnisse“, erklärte Lindemann. Ganz im Sinne von „Keep it simple“.
„Wir müssen uns bei der Inbetriebnahme hochtechnisierter Gebäude vom Prinzip Hoffnung verabschieden“, forderte Dr. Ing. Udo Weber, Geschäftsführer von Weber und Partner in Berlin. Zu häufig würden sich die Verantwortlichen schlicht und einfach darauf verlassen, dass am Ende alles zusammenpasst. Wie trügerisch dies sein kann, erlebe man am Berliner Flughafen, wo es von Anfang an kein Inbetriebnahmemanagement gegeben habe. „Bei hochtechnisierten Gebäuden muss immer von hinten geplant werden“, so Weber. Erst wenn klar sei, welche Anforderungen bei der Inbetriebnahme erfüllt sein müssen, könnten andere Aufgaben festgezurrt werden. Unabdingbar sei eine Matrix, die alle Gewerke darstellt, um zu sehen, wie die einzelnen Aufgaben zusammenpassen. „Der Zeitplan muss von der technischen Seite und nicht vom Estrichleger bestimmt werden“, sagte Weber.
Interdisziplinär denken
Wenn es um Reinräume geht, kann Nikolaus Ferstl zwei Sichtweisen verbinden: 15 Jahre lang plante und baute er Reinräume, seit sechs Jahren steht er als Technischer Leiter der Universität und des Universitätsklinikums Regensburg auf der Seite der Betreiber. Die Klinik, die sich auf die Versorgung schwerster Fälle spezialisiert hat, verfügt, wie Ferstl in seinem Vortrag sagte, über rund ein Dutzend Räume, an die Reinraumanforderungen gestellt werden: für die Herstellung von Arzneimitteln, für Laboruntersuchungen oder als Operationssäle. Was „Reinheit“ bedeutet, erklärte er mit einer beeindruckenden Zahl: Während in smogbelasteter Luft pro Kubikmeter eine Milliarde Partikel gezählt werden, die größer als 5 µ sind, dürfen es in einem Reinraum der Klasse A nur noch 3500 sein. Wer sich mit Reinräumen befasse, so Ferstl, müsse immer interdisziplinär denken, „da hier Beteiligte aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen zusammenarbeiten.“ Nur so könne die notwendige Sicherheit in den Reinräumen gewährleistet werden.
Workshops als Ideenschmiede
So schön „Keep it simple“ auch klingt, „die Projekte, an denen wir arbeiten, sind äußerst komplex“, sagte Norbert Schönbrod von der Carpus+Partner AG in seinem Vortrag. Als zentral bezeichnete auch er eine gute Projektorganisation und eine klare Aufgabendefinition. Ebenso wichtig ist es für ihn, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen. Projekte im Pharmabereich seien immer interdisziplinär und auf mehrere Jahre angelegt „Deshalb arbeiten wir am liebsten mit Workshops, in denen sich die Menschen kennenlernen und austauschen.“ Schließlich sei erwiesen, dass 90 Prozent aller guten Ideen im Face-to-Face-Kontakt entstünden.
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