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Autor
Albert Borucki

Quanten- und Raum-Zeit-Forschung

Per Einstein-Elevator in die Schwerelosigkeit

Hannover Institut für Technologie - Skizze (© Jörg Stanzick)
Hannover Institut für Technologie - Skizze (© Jörg Stanzick)
3D-Schnitt Labor
3D-Schnitt Labor
3D-Schnitt Einstein-Elevator
3D-Schnitt Einstein-Elevator
Albert Borucki - Carpus+Partner
Albert Borucki - Carpus+Partner

Das zukunftsweisende Laborgebäude HITec an der Leibniz Universität  Hannover bietet Raum für interdisziplinäre Forschung auf höchstem  Niveau. Turbulenzfreie Reinraumluft, absolute Temperaturstabilität über mehrere Geschosshöhen hinweg  sowie erhöhte Anforderungen an die Schwingungsfreiheit – zumeist  simultan – stellten Architekten, Reinraumplaner sowie Fachleute für Technische Gebäudeausrüstung vor große Herausforderungen.

Die Forscher und Institute des Exzellenzclusters QUEST (Centre for Quantum Engineering and Space-Time Research) an der Leibniz Universität Hannover sind weltweit führend im Quanten-Engineering und der Raum-Zeit-Forschung. Die Wissenschaftler hier entwickeln z. B. Laser-Messinstrumente, die Längenänderungen vom Bruchteil eines Atomkerns registrieren, untersuchen mit hochpräzisen Messsensoren das Schwerefeld der Erde oder überprüfen anhand von Lasermessungen zum Mond Einsteins Relativitätstheorie.

Um die Forschungsbedingungen am Standort Hannover noch weiter zu verbessern und das internationale Spitzenniveau zu festigen, entsteht aktuell das hochmoderne Hannover Institut für Technologie – kurz HITec. Angrenzend an die bestehenden Gebäude im Universitätsbereich Callinstraße/Appelstraße, steht es für eine zukunftsweisende Forschungsinfrastruktur, die – zum ersten Mal in Europa – Grundlagenforschung, angewandte Forschung und Technologieentwicklung interdisziplinär unter einem Dach vereint. Bis zu 120 Wissenschaftler aus den Gebieten Quantenphysik, Festkörperphysik, Geodäsie, Laserentwicklung und Weltraumtechnologie werden hier gemeinsam arbeiten.

In dem neuen zweigeschossigen, teilweise unterkellerten Baukörper befinden sich ausschließlich physikalische Labore, in denen optische Instrumente entwickelt, gefertigt und getestet werden, sowie einige der leistungsfähigsten Forschungsanlagen in Europa und weltweit: etwa eine hochspezialisierte Faserziehanlage für Weltraumausrüstung über insgesamt drei Etagen, eine sog. Atomfontäne, in der die Flugbahnen von Atomen präzise vermessen werden, und – als Highlight für die Wissenschaftler – der Einstein-Elevator, ein Freifallsimulator für Versuche unter Schwerelosigkeit. Dieser ist in einem neben dem Gebäude positionierten, 40 m hohen Turm untergebracht.

„Die Hannoveraner Forscher benötigen für ihre komplexen optischen Anlagen und Aufbauten eine partikelfreie Reinraumumgebung und höchste Temperaturstabilität. Die dazu notwendige TGA (Technische Gebäudeausrüstung) hätte allerdings, wegen der von Lüftungsanlage oder Pumpen verursachten Schwingungen, die Versuche beeinflusst. Hinzu kommen die Störimpulse durch den Freifallsimulator“, schildert Albert Borucki, Projektleiter beim für das HITec verantwortlichen Architektur- und Planungsbüro Carpus+Partner, die Herausforderung bei der Realisierung.

Auch die wissenschaftlichen Großgeräte, die teilweise in den Laboren untergebracht werden müssen, stellten die Planer vor schwierige Aufgaben. Etwa die bereits erwähnte zwölf Meter hohe Ziehanlage für optische Spezialfasern. Sie wird zur Herstellung von laseraktiven Fasern für den Einsatz im Weltraum genutzt. Partikeleinschlüsse gilt es daher unbedingt zu vermeiden. Sie würden die optischen Eigenschaften der Fasern ungünstig beeinflussen und sie unbrauchbar machen. „Also ist die Anlage in einem über insgesamt drei Geschosse reichenden Reinraum der Klasse 7 gemäß EN ISO14644-1 untergebracht“, so Borucki.

Keine einfache Aufgabe: Die Luft muss auf mehreren Ebenen in den Raum eingebracht werden, weil sonst Temperaturschwankungen die Qualität der Hohlfasern herabsetzen. „Hohe Strömungsgeschwindigkeiten dürfen dabei jedoch keinesfalls auftreten. Die Fasern würden zum Schwingen angeregt und beschädigt“, ergänzt Bernd Weiskopf, Projektleiter beim für Lüftung und Kälte verantwortlichen Ingenieurbüro Wolf + Weiskopf. „Um dennoch die erforderlichen Luftmengen zu erreichen, erfolgt die Luftzuführung über textile Luftauslässe, die ringförmig um die Anlage verlaufen. Die Luft strömt dabei durch mikroperforierte Textilschläuche und tritt zugfrei und gleichmäßig über die gesamte Oberfläche aus.“

Zum Schutz der Labore vor den Vibrationen, die z. B. Lüftungs- und Kälteanlagen oder Verdichter verursachen, haben die Planer sie schwingungsisoliert an zwei Orten untergebracht: Für Systeme, die eine räumliche Nähe zur jeweiligen Anwendung erfordern, verfügt das HITec über ein zentrales Technikrückgrat, das sich über die gesamte Länge des Gebäudes zieht und von jedem Labor aus leicht erreichbar ist. Darin sind die Systeme jeweils auf Elastomerlagern aufgestellt. Zentrale Einrichtungen der TGA hingegen befinden sich im schwingungstechnisch vollständig vom Laborteil entkoppelten, so genannten Technik-Rucksack. Hier befindet sich auch der Lastenaufzug, der für den Transport schwerer Forschungsinstrumente zu den Messeinrichtungen auf dem Gebäudedach benötigt wird. Die Labore bleiben so auch vor den beim Auf-und-ab-Fahren emittierten Schwingungen bewahrt.

Ebenfalls vom eigentlichen Baukörper entkoppelt ist der 40 m hohe Turm, in dem sich der Freifallsimulator zur Grundlagenforschung im Bereich der Quantenphysik befindet – Einstein-Elevator genannt. Anders als bisher übliche Falltürme, weltweit existieren nicht mehr als zehn Anlagen dieser Größenordnung, befindet sich in seinem Innern eine Gondel, die mithilfe von drei elektromagnetischen Linear antrieben vertikal beschleunigt und abgebremst werden kann. Dank dieses Antriebskonzepts, lassen sich neben mehrsekündigen Versuchen unter Schwerelosigkeit, auch solche unter Anziehungskräften, wie sie z. B. auf dem Mond oder Mars herrschen, durchführen.

In der Gondel herrschen zwar keine Reinraumbedingungen, sie wird jedoch für die Versuche je nach Bedarf entweder mit einem Schutzgas befüllt oder evakuiert, um ein Vakuum zu erzeugen. Auch darin unterscheidet sich dieser Simulator von anderen Falltürmen, da bei diesen immer die gesamte Fallröhre evakuiert werden muss, um den Luftwiderstand zu eliminieren. So sind bis zu 100 Experimente pro Tag durchführbar – eine Vervielfachung der ansonsten möglichen Zahl.

Bei der Planung des Turms für den Einstein-Elevator ergaben sich für den Architekten und die Ingenieure zwei Herausforderungen: Zunächst muss über die gesamte Höhe von nahezu vierzig Metern eine konstante Temperatur gewährleistet sein, damit sich die hochpräzise Führung der Gondel nicht verzieht. Sie könnte sonst den Aufzug blockieren und die Antriebe beschädigen. Dazu befinden sich auch hier Luftzuführungen auf mehreren Ebenen.

„Aber vor allem entstehen durch die Beschleunigungs- und Abbremsvorgänge Impulse, die sich als Schwingungen auf die Laborräume übertragen würden“, so Borucki. „Darum ist der Turm sowie sein Kontroll- und Versuchsvorbereitungsraum schwingungstechnisch durch eine Trennfuge vollständig vom Rest des Gebäudes getrennt.“ Die beiden Räume befinden sich, wie etwa ein Drittel des Turms, unter der Erdoberfläche und können durch das Kellergeschoss des HITec betreten werden.

Dort, sowie im nicht unterkellerten Bereich des Erdgeschosses, befinden sich auch die Reinraumlabore mit der höchsten Schwingungsentkopplung. Sie erfüllen die Kriterien gemäß VC-E, d. h. der zulässige Schwingungspegel beträgt hier nur 3,1 μm/s. Zum Vergleich: Die menschliche Fühlschwelle liegt bei etwa 100 μm/s. Die mit Zugangsschleusen und Luftduschen ausgestatteten Räume entsprechen ISO-Klasse 5 bis 7. Hier werden u. a. die Rohlinge für die Faserziehanlage hergestellt. Zudem steht ein Kryolabor für Tieftemperaturversuche zur Verfügung. Die Luftzuführung erfolgt über Laminar-Flow-Einheiten. Ein entscheidendes Kriterium bei der Auslegung der Laser- und optischen Labore ist die Vermeidung von Tageslicht sowie der Schutz vor einem Austritt der Laserstrahlen in die Umgebung. Darum haben die Architekten von Carpus+Partner alle Labore so im Gebäude angeordnet, dass sie von einem umlaufenden Flur zusätzlich nach Außen abgeschirmt sind. Ihre Zugangsschleusen können nur von diesem, die Labore komplett umschließenden, Zugangsbereich aus betreten werden. Zugleich dient dieser Flur als Puffer, um die Temperaturstabilität in den Räumen aufrecht zu erhalten.

Der Zugang zum HITec erfolgt über eine Brücke, die das neue Laborgebäude an einen Bestandsbau anbindet. Dort werden weitere Forschungs-, Büro- sowie Kommunikationsräume untergebracht. Die direkte Verbindung der Gebäude mit kurzen Wegen fördert den interdisziplinären Austausch zwischen den Forschergruppen.

„Die Labore, Testumgebungen und die vorgesehenen Großgeräte des Instituts gibt es in dieser Qualität und Bündelung weder an deutschen noch an internationalen Forschungsinstitutionen“, so Prof. Dr. Ertmer, Leiter des Bereichs Atomoptik und Quantensensoren am Institut für Quantenoptik und Vizepräsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). „Mit diesem Forschungsneubau sind wir einen deutlichen Schritt weiter in unserem Bemühen, nicht nur die Leibniz Universität, sondern auch den gesamten Forschungsstandort Hannover in den Forschungsgebieten der Quantenphysik, optischen Technologien und Geodäsie auf internationalem Spitzenniveau zu etablieren“, ergänzt Prof. Dr.-Ing. Erich Barke, Präsident der Leibniz Universität.

Sonstige beteiligte Fachplaner:
- EHS beratende Ingenieure für das Bauwesen GmbH
- Ingenieurbüro Wolf + Weiskopf GmbH
- IKL + Partner Ingenieurgesellschaft mbH
- Raible + Partner GmbH & Co. KG
- m+p consulting Nord GmbH / IKM Ing. Büro / Möller + Partner PartG


Weitere Informationen


Carpus+Partner AG
52074 Aachen
Deutschland


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