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Michael Kuhn, Udo Moschberger
Filterlecktest: Analyse von bewegten Probenahme-Sonden
Im Reinraumlabor an der Hochschule Offenburg wurden Untersuchungen zu den Strömungsverhältnissen an bewegten Probenahme-Sonden durchgeführt und deren Erfassungsverhalten analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass es sinnvoll wäre, die wichtigsten Parameter des manuellen Lecktests in Verbindung mit Partikelzählern regulatorisch zu vereinheitlichen.
Eine Vielzahl von Regelwerken im europäischen und amerikanischen Sprachraum beschreibt die Anforderungen an die Durchführung und Dokumentation des Lecktests von endständigen Schwebstofffiltern in reinraumtechnischen Anwendungen. Dabei wird unterschieden zwischen Lecktests, die der Filterhersteller vor der Auslieferung durchführt, und Prüfungen im eingebauten Zustand beim Anwender. Für die Anwender, insbesondere jene, die von Behörden überwacht werden (z. B. Arzneimittelindustrie) ist der wiederkehrende Nachweis der Leckfreiheit ein entscheidendes Kriterium für die Prozesssicherheit und die Produktfreigabe. Der Anwender regelt die Durchführung und Dokumentation üblicherweise durch SOP’s (Standard Operating Procedures) und bezieht sich dabei auf die aktuell gültigen Regelwerke. Da diese jedoch, obwohl sie die gleichen physikalischen Vorgänge beschreiben, sich in vielfacher Weise voneinander unterscheiden, ist es für den Anwender insbesondere in einem international tätigen Unternehmen kaum nachvollziehbar, auf welche Regelwerke er sich stützen soll. Als Konsequenz sind selbst in großen Konzernen eine Vielzahl von unterschiedlichen Arbeitsanweisungen zu finden, die den Lecktest regeln und dabei ungewollt teilweise zu unsachgemäßer Durchführung und Bewertung der Lecktests anleiten.
Auf Basis der im Folgenden beschriebenen Untersuchungen und auf der Grundlage der mehr als 20-jährigen Praxiserfahrungen der Autoren bei der Durchführung und Optimierung von Lecktestverfahren (automatisiert und manuell) will dieser Fachartikel die Grundlagen für eine Vereinheitlichung der Scanparameter geben. Zudem wird mittels einer Risikobetrachtung dem Leser verdeutlicht, dass die größte Fehlerquelle beim manuellen Lecktest an eingebauten Schwebstofffiltern eine nicht ausreichende Bahnüberlappung ist. Ein Punkt, der in den bisherigen Regelwerken nicht die notwendige Beachtung findet.
Vergleich der Regelwerke
In der Tabelle 1 findet sich ein Überblick zu den aktuellen, national und international zur Anwendung kommenden Regelwerke für den Filterlecktest. Dabei wird unterschieden zwischen Tests, die beim Filterhersteller durchgeführt werden und solchen, die am eingebauten Filter stattfinden. Ein weiteres Unterscheidungs-kriterium ist, ob es sich um einen automatischen Lecktest oder um einen manuellen Lecktest handelt. Beim manuellen Lecktest wird die Partikelmesssonde vom Messtechniker mit der Hand geführt und die Partikelereignisse werden von einem Partikelzähler mitgeschrieben. Der Bediener wird durch ein Tonsignal und / oder durch Beobachtung der einzelnen Partikelzählereignisse auf lokal erhöhte Partikelkonzentrationen aufmerksam. Diese deuten auf eine Stelle mit erhöhtem Durchlassgrad beziehungsweise auf ein Leck im Filter hin. Beim automatisierten Lecktest erfolgt die Bewegung der Partikelmesssonde und die Online-Auswertung der Partikelzählereignisse rechnergestützt [6][8].
Die Tabelle 2 vergleicht die in der Tabelle 1 aufgeführten Regelwerke bezüglich der speziellen Anforderungen an einzelne Parameter (nachfolgend Scanparameter genannt), die die Qualität des Lecktests beeinflussen. Die Scanparameter sind in der ersten Spalte der Tabelle 2 beschrieben.
Risikobetrachtung für die Leckerkennung beim manuellen Lecktest
Ziel des Scanvorganges im Rahmen des Lecktests ist es nachzuweisen, dass auf der gesamten Filterfläche keine Lecks vorhanden sind, die größer als ein definiertes Nominalleck sind (Dichtsitzprüfung wird separat durchgeführt). Um dies zu gewährleisten müssen die Scanparameter entsprechend der anzuwendenden Richtlinie gewählt werden.
Die DIN EN ISO 14644-3 lässt verfahrensbedingt beim manuellen Scantest gewisse Unsicherheiten bei der Erkennung eines Nominallecks im Vergleich zum automatisierten Scannen zu, indem die Partikelstatistik außer Acht gelassen werden darf. Dabei dürfen Np und Ca gleichgesetzt werden, wobei Ca ≥ 2 gewählt werden soll. Für ein gewähltes Ca von 2 bedeutet dies eine zulässige Reduzierung der Rohluftkonzentration um den Faktor 3.6 oder alternativ eine zulässige Erhöhung der Scangeschwindigkeit um den Faktor 3.6. Das bedeutet, dass ein Nominalleck (z. B. mit 0.05 Prozent Durchlassgrad) nur mit einer Wahrschein-lichkeit von 50 Prozent gefunden werden kann, anstatt mit 95 Prozent, wovon man beim automatisierten Lecktest ausgeht.
Wie sich Abweichungen bei den einzelnen Scanparametern auf das Risiko auswirken, vorhandene Lecks nicht zu erkennen, geht aus der Tabelle 3 hervor. Zur Bewertung der Auswirkungen wird die oben beschriebene Vereinfachung der DIN EN ISO 14644-3 herangezogen. Negative Auswirkungen die geringer sind als die aus dieser Vereinfachung zulässigen (Faktor 3.6), sind in der nachfolgenden Risikobetrachtung (Tabelle 3) als gering bewertet.
Die Risikobetrachtung (Tabelle 3) zeigt, dass die größte Unsicherheit beziehungsweise das größte Risiko beim manuellen Lecktest von der gegebenenfalls nicht vorhandenen Überlappung der Scanbahnen ausgeht. Dieser Fall ist in Bild 1 dargestellt. Das Bild 2 zeigt hingegen einen Fall, bei dem die Bahnüberlappung bÜ gerade ausreicht. Bei der geradlinigen manuellen Bewegung der Partikel-Probenahmesonde ergeben sich seitliche Schwankungen. Diese Schwankungen sind in den Bildern 1 und 2 vereinfacht als regelmäßige Schwingung veranschaulicht. Die maximale Amplitude y der seitlichen Schwankung ist abhängig von folgenden Faktoren:
–Messpersonal
–Zeitdauer des Scanvorganges
–Sondenvorschubgeschwindigkeit
–Ausführung und Gewicht des Sondengestänges
–Abstand Messpersonal vom Filter (Länge des Sondengestänges)
–Anwendung von Hilfssystemen zur Ausrichtung und Kontrolle der Scanbahnen
–Örtliche Gegebenheiten (Einbauten unter Filter)
In der Praxis ergeben sich bei gut zugänglichen Filtern erfahrungsgemäß seitliche Schwankungen von y = 5 bis 15 mm. Schlecht zugängliche Filter mit dicht darunter angeordneten Einbauten müssen in Teilen erforderlichenfalls auch mit höheren Überlappungsbreiten gescannt werden.Um ein flächendeckendes Abfahren des Filters zu gewährleisten (siehe Bild 2) muss die Überlappungsbreite bÜ der Scanbahnen untereinander größer als die doppelte Amplitude der seitlichen Schwankung y der manuellen Sondenführung gewählt werden (bÜ > 2y). Am Filterrand reicht eine Überlappung von > y aus. Zusätzlich muss bei höheren Abströmgeschwindigkeiten am Filter als 0.45 m/s die Verringerung der tatsächlichen Abtastbreite der in diesen Fällen unter-isokinetisch absaugenden Sonde (siehe Bild 3) berücksichtigt werden.
Wird bÜ < 2y gewählt (siehe Bild 1) besteht das Risiko, dass Teilflächen des Filters nicht überfahren werden. In diesen Bereichen liegende Lecks mit punktförmiger Partikelausbreitung können weit oberhalb der Nominalleckgrösse liegen, ohne erkannt zu werden.
Strömungsverhalten an ruhenden und bewegten Rechtecksonden
Bei Rechtecksonden wird häufig die Vermutung geäußert, dass durch die Verwirbelung der TAV-Strömung, insbesondere bei hohen Vorschubgeschwindigkeiten, die Erfassung der aus einem potentiellen Leck austretenden Partikel verfälscht wird und dadurch zu wenige Partikel gezählt werden. Das Steinbeis Transfer-zentrum hat zur Klärung dieser Vermutung einen Teststand aufgebaut. Dabei wurde unter einem H14-Filter mit 1200 x 600 mm Abmessungen und seitlichen Schürzen eine Lineareinheit aufgebaut. Diese kann einen darauf montierten Schlitten mit genau einstellbarer Geschwindigkeit bewegen. Auf dem Schlitten wurden verschiedene Probenahme-Sonden befestigt. Am Filter wurde ein definiertes Leck erzeugt und die Sonden wurden mit unterschiedlichen aber gleichmäßigen Geschwindigkeiten unter dem Filter und dem Leck bewegt. Die Partikelereignisse wurden gezählt und ausgewertet. Zudem wurde jeweils (pro Sonde und pro Vorschubgeschwindigkeit) eine Strömungsvisualisierung vorgenommen und die Strömungen an den bewegten und abgesaugten Sonden (1 ft3/min) videotechnisch aufgezeichnet (siehe auszugsweise Bild 4). Weitere Untersuchungen wurden durchgeführt, um den Einfluss des Neigungswinkels der Sonden beim Scanvorgang zu analysieren.
Erfassungswirkungsgrad von Rechtecksonden
Die Rechtecksonde weist im Vergleich zur runden Sonde scheinbar einen etwas höheren Erfassungswirkungsgrad (siehe Tabelle 4) auf. Dies hängt vermutlich mit der Verteilung der Absauggeschwindigkeit über die Breite der Sonde zusammen. Ein etwas höherer Erfassungswirkungsgrad in der Sondenmitte deutet darauf hin, dass die Absauggeschwindigkeit in der Mitte der Sonde höher liegt als der Mittelwert. Am Sondenrand ist der Erfassungswirkungsgrad etwas geringer als 1.0 (siehe Versuchs-Nr. 148 in Tabelle 4). Die aus den Messwerten abgeleitete Bandbreite der Absauggeschwindigkeit, die sich über die Breite der getesteten Rechtecksonde einstellt, beträgt <± 10 Pro-zent vom Mittelwert. Bei der visuellen Prüfung des Absaugverhaltens (siehe Bild 3) an transparenten Sondenmodellen konnten keine Ungleichmäßigkeiten oder Verwirbelungen innerhalb der Sonden erkannt werden, was ebenfalls auf ein gleichmäßiges Absaugverhalten der Rechtecksonden schließen lässt.
Die runde Sonde hat einen Erfassungswirkungsgrad von 1.01 bis 0.95, wenn die Sonde das Leck mittig passiert (Versuche 171–173 in Tabelle 4). Treten Lecks im Randbereich der Sonde auf, sinkt der Erfassungswirkungsgrad ab. Bei 5 mm Abstand vom Sondenrand werden nur noch < 50 Prozent aller aus dem Leck während eines Sondendurchgangs austretenden Partikel durch die runde Sonde erfasst. Dieses Verhalten ist hauptsächlich durch die Geometrie der Sonde bedingt. Am Sondenrand ist bei einer runden Sonde die Verweilzeit unter einem sich vertikal linienförmig ausbreitenden Leck geringer als in der Sondenmitte. Wenn die runde Sonde ein Leck am Sondenrand passiert, werden daher weniger der Partikelereignisse gezählt als bei einem gleich großen Leck, das von der Sondenmitte erfasst wird.
Im Rahmen weiterer Untersuchungen wurde festgestellt, dass der Erfassungswirkungsgrad der Rechtecksonde (10, 5:1) bis zu einem Neigungswinkel von 50 Grad gegenüber der Vertikalen sowohl bei der Vorwärts- als auch bei der Rückwärtsbewegung der Sonde bei Scangeschwindigkeiten zwischen 0.05 und 0.13 m/s ≥ 0.90 beträgt. Bei der Vorwärtsbewegung könnte die Scangeschwindigkeit um ein Vielfaches erhöht werden, wenn der Neigungswinkel entsprechend der Neigung des resultierenden Geschwindigkeitsvektors aus Scangeschwindigkeit und TAV-Geschwindigkeit angepasst würde.
Fazit
–Der Erfassungswirkungsgrad von Rechtecksonden ist im untersuchten Bereich mit Vorschubgeschwindigkeiten (bzw. Scangeschwindigkeiten) von 0.05 bis 0.13 m/s vergleichbar mit dem von runden Sonden. In diesem Geschwindigkeitsbereich darf der Neigungswinkel der Sonde gegenüber der Vertikalen auch bei der Rückwärtsbewegung bis zu 50 Grad betragen.
–Runde Sonden können nur Nominallecks, die die Sonde mittig passieren, zu 100 Prozent detektieren. Bei Leckagen, die im Randbereich der Sonde auftreten, kann der Erfassungswirkungsgrad auf unter 50 Prozent absinken.
–Rechtecksonden ermöglichen eine große Überlappungsbreite der Scanbahnen und damit die größtmögliche Sicherheit beim manuellen Scannen. Zudem ist ein kürzerer Scanvorgang möglich, da die Flächenleistung pro Scanbahn im Verhältnis zur runden Sonde bei gleicher Überlappungsbreite und gleicher Scangeschwindigkeit um ein Vielfaches größer ist, wodurch die Scandauer pro Filter sinkt. Dies wirkt sich sowohl positiv auf die Konzentration des Prüfpersonals (Qualitätskriterium) als auch finanziell positiv für den Betreiber aus.
–Wenn man runde Sonden für den manuellen Lecktest einsetzt, müssen die Scanparameter (Scangeschwindigkeit bzw. Mindestrohluftkonzentration) für die Abmessungen eines gedanklich in die runde Sonde hineingelegten Quadrats berechnet werden. Bei der Wahl der Anzahl der Scanbahnen wird wie bei der Rechtecksonde empfohlen, eine Bahnüberlappung von mindestens 15 mm zu berücksichtigen.
–Die DIN EN ISO 14644-3 (manueller Lecktest) und die VDI 2083-3 sollten entsprechend der oben bekanntgemachten Untersuchungsergebnisse angepasst werden, um eine höhere Sicherheit bei der Leckerkennung an Schwebstofffiltern in TAV-Bereichen zu ermöglichen.
Literatur
[1] DIN EN 1822: Schwebstofffilter (EPA, HEPA und ULPA) – Teil 4: Leckprüfung des Filterelementes (Scan-Verfahren). Januar 2011.
[2] DIN EN ISO 14644: Reinräume und zugehörige Reinraumbereiche. Teil 3: Prüfverfahren. März 2006.
[3] VDI 2083 Blatt 3: Reinraumtechnik. Messtechnik in der Reinraumluft. Juli 2005.
[4] IEST-RP-CC034.3: HEPA and ULPA Filter Leak Tests. Juli 2010.
[5] U.S. Department of Health and Human Services. Food and Drug Administration (FDA): Guidance for Industry. Sterile Drug Products Produced by Aseptic Processing - Current Good Manufacturing Practice. September 2004.
[6] Kuhn, M.: Neu entwickeltes Filterscansystem für den optimierten Einsatz bei der Leckprüfung von installierten Schwebstofffiltern. Tagungsband ICCCS 2004.
[7] Gail, L. und Ripplinger, F.: Correlation of alternative aerosols and test methods for HEPA Filter Leak Testing. PROCEEDINGS—Institute of Environmental Sciences and Technology. April 2001.
[8] D. Utech: Programmierung einer Mess- und Steuersoftware zur automatischen Leckerkennung unter Reinraumfilterdecken nach dem Scanningverfahren. Diplomarbeit Fachhochschule Offenburg 1999.
[9] S. Hesslinger und U. Moschberger: Leckortung an Reinraum-Filterdecken. Zeitoptimierte Probenahme nach dem Scanning-Verfahren. HLH1/1994.
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