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Kathrin Kutter
Der Prozess steht im Mittelpunkt – auch bei der Auswahl des Reinraumbodens
Für die Produktqualität als auch für den Erfolg von Forschungsarbeiten ist die Kontaminationskontrolle in sauberkeitskritischen Bereichen entscheidend. Einsatzbereiche, Prozesse und Produkte müssen bei der individuellen Konzeption des Reinraums berücksichtigt werden und beeinflussen damit die Auswahl der Produktionsanlagen und eingesetzten Werkstoffe.
Bereits bei der Planung des Reinraums sollten Materialien ausgewählt werden, deren Kontaminationspotential so gering wie möglich ist. Der Produktionsprozess ist dabei in den Mittelpunkt der Planung zu stellen und die Anforderungen an Bodenbeläge und -systeme prozessspezifisch zu definieren.1
Erste Anhaltspunkte für die Auswahl Reinraum geeigneter Materialien bieten die international anerkannten Regelwerke ISO 14644 und der GMP-Leitfaden. Oberflächen wie Bodenbeläge müssen nach ISO 14644-4 ein geringes Partikelemissionsverhalten und eine porenfreie Oberfläche aufweisen. Sie müssen rutschfest und beständig gegen statische und dynamische Belastungen sowie die eingesetzten Prozessmedien, Reinigungs- und Desinfektionsmittel sein. Darüber hinaus sollten sie zweckentsprechende elektrostatische Eigenschaften besitzen.2 Der GMP-Leitfaden ergänzt das Anforderungsprofil um eine glatte Oberfläche, die frei ist von Rissen und offenen Fugen, und leicht gereinigt sowie ggf. desinfiziert werden kann.3
Dieses Eigenschaftsprofil kann nur eine Orientierungshilfe sein. Die Unterscheidung nach Reinraum- und Reinheitstauglichkeit von Werkstoffen, wie sie in der VDI 2083 Blatt 17 dargestellt ist, berücksichtigt weitere relevante Kriterien.
Reinraum- und Reinheitstauglichkeit von Werkstoffen
Die Reinraumtauglichkeit berücksichtigt ausschließlich die partikuläre Kontamination von Materialien und Werkstoffen. Das ist für Reinräume der Life Science-Industrien nicht ausreichend. Dort sind weitere Kriterien zu berücksichtigen. Hier setzt die Betrachtung der Reinheitstauglichkeit an. Sie stellt den Fertigungsprozess in den Mittelpunkt der Betrachtungen und berücksichtigt auch die molekulare Kontamination, die Reinigbarkeit, die Chemikalienbeständigkeit und die Verstoffwechselbarkeit reinraumtauglicher Materialien.
Die Definition der relevanten Kriterien erfolgt individuell unter Berücksichtigung des spezifischen Fertigungsprozesses und des Produkts. Bereits bei der Planung des Reinraums ist der so erstellte Anforderungskatalog zu berücksichtigen. Je nach Branche werden dabei unterschiedliche Schwerpunkte hinsichtlich der kritischen Kontaminationsarten gesetzt:
Prozessspezifische Bodenauswahl
Für die Auswahl des Bodenbelags bedeutet das, dass verschiedene Bodenarten miteinander verglichen werden müssen, um die bestmögliche Lösung zu ermitteln. Das gestaltet sich erfahrungsgemäß schwierig, da eine Vielzahl von Bodenbelägen und -systemen aus verschiedenen Materialien mit unterschiedlichen technischen Eigenschaften zur Verfügung steht.
Es versteht sich von selbst, dass der Wandanschluss des Bodens in den Life Science-Industrien so auszuführen ist, dass eine einwandfreie Reinigung gewährleistet werden kann, beispielsweise mit Hohlkehlen. Ebenso sind offene Fugen zu vermeiden, da sie ein Hygienerisiko darstellen. Die Reihe der Bodensysteme, die das erfüllt, unterscheidet sich teils erheblich voneinander.
Beschichtungsfreie Oberflächen
Ein wichtiges Auswahlkriterium ist die Beschaffenheit der Oberfläche des Bodens. Zusätzliche Oberflächen-beschichtungen, -versiegelungen oder -vergütungen sind generell als kritisch anzusehen, da sie eine Schwachstelle darstellen. Unter der Einwirkung tribologischer Belastungen (z. B. rollende Transportbehältnisse, Laufverkehr der Mitarbeiter) lösen sie sich i. d. R. von dem Trägermaterial ab und verursachen luftgetragene partikuläre Kontaminationen.
Bei partiell gelösten oder beschädigten Beschichtungen besteht zudem die Gefahr, dass sich Keimherde an schwer zugänglichen Stellen bilden, die nicht ausreichend desinfiziert und abgereinigt werden können. nora Bodenbeläge aus Kautschuk benötigen keine Beschichtung. Aufgrund des Produktionsprozesses besitzen sie eine extrem dichte Oberfläche, die besonders abriebfest ist und einen dauerhaft hohen Hygienestandard bietet. Eine gründliche Desinfektion ist ebenso möglich wie eine und rückstandslose Abreinigbarkeit.
Ein weiteres Sicherheitsrisiko geht von Rissen in der Oberfläche aus. Selbst in Haarrissen können sich biologische Kontaminationen ansammeln, die nicht ausreichend entfernt werden können. Mitunter entstehen diese Risse nicht durch eine Beschädigung der Oberfläche, sondern werden durch Bewegungen im Unterboden verursacht. Anders als starre, feste Beschichtungen können dauerelastische Kautschuk-Bodenbeläge diese Bewegungen bis zu einem gewissen Grad ausgleichen.
ESD-Schutz für sensibelste Produkte
In der Halbleiterindustrie und Mikrosystemtechnik kommt dem ESD-Schutz eine große Bedeutung zu. Bei vor Ort angemischten Bodenbeschichtungen werden die leitfähigen Zusätze während der Verarbeitung der Mischung zugeschlagen. Die langfristig verlässliche Funktionalität des Bodensystems hängt damit sehr stark von den handwerklichen Fähigkeiten des Bodenlegers ab. Bei anderen Bodenbelägen werden leitfähige Zusätze physikalisch oder chemisch während des Produktionsprozesses in das Material eingebunden. Sie sind gleichmäßig im Bodenbelag verteilt und dauerhaft wirksam. Abschließend aufgebrachte Oberflächenversiegelungen oder
-vergütungen jedweder Art sind zu vermeiden, da sie einen entscheidenden Einfluss auf die Funktionalität des Systems haben. Verlängerte Gewährleistungen auf die elektrostatischen Eigenschaften wie sie bspw. für beschichtungsfreie Kautschuk-Bodenbeläge der nora systems GmbH ausgestellt werden, bieten Entscheidern eine anhaltend funktionale Sicherheit.
Geh- und Stehkomfort für Mitarbeiter
Auch die ergonomischen Eigenschaften des Bodenbelags sollten nicht vernachlässigt werden. Mitarbeiter in Reinräumen stehen oft den ganzen Tag lang. Ein dauerelastischer Bodenbelag aus Kautschuk trägt zu einem erhöhten Geh- und Stehkomfort bei. Er entlastet den Körper und sorgt für weniger Ermüdungserscheinungen und Schmerzen als härtere Untergründe. Das wirkt sich positiv auf die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit aus.
Einheitliche Prüfverfahren ermöglichen Vergleichbarkeit
Die oben genannten Materialeigenschaften sind beispielhaft für die zu bewertenden Kriterien. Betrachtet man darüber hinaus die Verlegung auf Estrich, Doppel- oder Hohlraumboden, die Druckbelastbarkeit und die Reparaturmöglichkeiten, steigt die Komplexität des Auswahlprozesses weiter an.
Bis vor wenigen Jahren war es nur anhand der von den Herstellern zur Verfügung gestellten technischen Daten möglich, Bodensysteme hinsichtlich ihrer generellen Eignung für Industriebereiche zu vergleichen. Eine Auswahl im Hinblick auf ihre Eignung für Reinräume gestaltete sich aufgrund der fehlenden einheitlichen Prüfverfahren zur Bestimmung der Reinraum- und Reinheitstauglichkeit äußerst schwierig.
Im Rahmen des Industrieverbunds CSM hat das Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung zusammen mit Vertretern der Industrie Prüfmethoden und Bewertungsschemata erarbeitet, mit deren Hilfe Materialien miteinander vergleichen werden können.
Unter einheitlichen Prüfbedingungen werden Werkstoffe auf ihr Partikelemissionsverhaltens, der Emissionen molekularer Kontaminationen, der Beständigkeit gegen biologische Kontaminationen und der Chemikalienbeständigkeit hin untersucht.
Oberflächen wie Bodenbeläge werden unter identischen Prüfbedingungen geprüft und ihre Ergebnisse einheitlich dokumentiert. Das erleichtert den Entscheidern die Vergleichbarkeit der angebotenen Systeme und bietet zusammen mit den zuvor genannten Eigenschaften eine funktionale Sicherheit vor Ort – wichtige Faktoren, denn nachträgliche Korrekturen sind zeit- und kostenintensiv.
Fachliteratur:
[1] Dr. Ing. Dipl.-Phys. Udo Gommel, Dipl.-Ing. (FH) Frank Bürger: VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik: Reinraumtechnik: 14. VDI-Tagung, Nürtingen, 26. und 27. Oktober 2011, Düsseldorf: VDI-Verlag, 2011 (VDI-Berichte 2125)
[2] DIN EN ISO 14644-4:2003-06
[3] EG-GMP-Leitfaden (Leitfaden der Guten Herstellungspraxis) Teil 1: 2006
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