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Faszination Weltall - Heirat im Reinraum

Faszination Weltall - Heirat im Reinraum
Faszination Weltall - Heirat im Reinraum

Astronaut Prof. Dr. Ulrich Walter ist Key Note Speaker auf dem Cleanzone Congress

Er hat die Erde vom Weltraum aus gesehen, heute schickt er die nächste Generation ins All: Dr. Ulrich Walter, Astronaut und Professor für Luft- und Raumfahrttechnologie, ist Key Note Speaker auf dem Cleanzone Congress in Frankfurt am Main. Die neue Wissensplattform geht parallel zur Cleanzone an den Start, der internationalen Fachmesse für Reinraumtechnologie am 24. und 25. Oktober 2012.

In seiner Key Note „Clean Room, Clean Space – Cleanroom Technology in Space Missions“ am ersten Kongresstag spricht Prof. Dr. Walter über die Arbeit im Weltall, Heiraten im Reinraum und die vitale Bedeutung von Sauberkeit im Labor: „Reinheit ist der Dreh und Angelpunkt für den Erfolg im Weltraum. Das gilt sowohl für die wissenschaftlichen Ergebnisse als auch für das Überleben in der Raumstation“, sagt der erfahrene Astronaut. 1993 flog er als Nutzlast-Spezialist mit der D2-Mission ins All. Heute forscht und lehrt er an der TU München und baut Satelliten für aktuelle Projekte in der Raumfahrt.

Heiraten und Spionageschutz im Reinraum: Interview mit Prof. Dr. Ulrich Walter

Sie sprechen als Key Note Speaker auf dem Cleanzone Congress. Was ist Ihr Thema in Frankfurt?
Die Reinraumtechnologie spielt eine zentrale Rolle in der bemannten und unbemannten Raumfahrt. Im All muss alles 100-prozentig sauber sein, sonst riskiert man Leben und Mission. Daher spreche ich über die konkreten Anwendungsbereiche von Reinräumen in der Raumfahrt sowie deren besondere Anforderungen - und natürlich auch über die Faszination des Weltalls.

In welchen Bereichen berührt die Reinraumtechnologie die Raumfahrt?
Im Prinzip in allen, denn die Raumstation ist schlichtweg ein einziger großer Reinraum. Von der kleinsten Schraube bis zur kompletten Innenausstattung müssen alle Komponenten mindestens partikelwenn nicht keimfrei sein. Entsprechend der unterschiedlichen Anforderungen arbeiten wir in Reinräumen aller Klassen. Besonders groß sind die Ansprüche in der Optik. Selbst beim Hubble-Weltraumteleskop mussten beispielsweise aufgrund der hohen Auflösung Linsen und Gehäuse bei Herstellung, Montage und Betrieb partikelfrei gehalten werden, was aufgrund der schieren Größe des Teleskops ein große Herausforderung war.

In der Forschung haben Reinräume eine zweite sehr wichtige Funktion: die Zugangskontrolle. Es wird nicht nur exakt kontrolliert und protokolliert, wer das Labor betritt, sondern es gelten äußerst restriktive Zugangsberechtigungen. So wird vermieden, dass Unbefugte Zugriff auf geheime Informationen haben. Reinräume stellen also auch ein Instrument zum Schutz vor Spionage dar.

Welche Rolle spielte die Reinraumtechnologie, als Sie 1993 als Wissenschaftsastronaut bei der D2-Mission im All gearbeitet haben?
Ich war als Forschungsastronaut verantwortlich für die Payload, also das damalige Weltraumlabor Spacelab in der Ladebucht des Space Shuttles. Wahrscheinlich habe ich in den Jahren der Vorbereitung mehr Zeit in Reinräumen verbracht als außerhalb, denn die Experimenteinrichtungen und das Spacelab selbst, an denen wir trainieren mussten, wurden vor der Mission in Reinräumen gebaut und gelagert. Das Spacelab stand bei EADS Astrium in Bremen, das viele noch unter dem Namen DASA kennen. Die Experimenteinrichtungen, die zum Flug in das Spacelab eingebaut wurden, wurden bei den verschiedenen internationalen Forschungseinrichtungen gebaut und getestet. Meist habe ich mit ihnen vor Ort trainiert. Vor dem Flug wurden dann alle Experimenteinrichtungen nach Bremen gebracht und dort mit dem Weltraumlabor „verheiratet“, also integriert. Wichtig: Bei diesem gesamten Prozess - also vom Bau über den Test und Transport bis zur Heirat - müssen die einzelnen Komponenten immer unter Reinraumbedingungen gehalten werden.

Welche besonderen Voraussetzungen müssen Reinräume heute in der praktischen Anwendung in der Raumfahrt mitbringen?
Das Forschungslabor im Weltraum von heute ist die Raumstation ISS. Sie wird bis mindestens 2020 also über 20 Jahre im Betrieb sein. In dieser Zeit wird dort weder Staub gewischt noch hinter den Instrumenten oder Racks geputzt. Die Atmosphäre in der ISS muss also so sauber sein, dass Reinigen unnötig ist. Da zudem der Astronaut wie jeder Mensch Feuchtigkeit und damit organische Verbindungen ausdünstet und in die ISS abgibt, besteht die Gefahr der Verpilzung. Daher müssen Raumstationen nicht nur staubfrei, sondern auch keimfrei gehalten werden. Ist dies nicht gewährleistet, wären sie schon nach kurzer Zeit nicht mehr nutzbar.

Wie unterscheidet sich der Reinraum im All von dem auf der Erde?
Die von der Raumfahrt eingesetzten Reinräume unterscheiden nicht wesentlich von denen anderer Industrien - außer vielleicht hinsichtlich zweier Faktoren: Zum einen ist die Raumstation ein geschlossenes System. Das bedeutet, es kann nicht wie auf der Erde immer neue gefilterte Frischluft zugeführt werden. Dementsprechend dürfen die in der ISS verwendeten Materialien weder ausgasen, noch in irgendeiner Form Gerüche entwickeln. Das würde das Arbeiten für die Astronauten unerträglich machen. Daher findet man auf der ISS beispielsweise wesentlich mehr Oberflächen aus Metall als aus Kunststoff. Zum anderen sind Satelliten bis zu zehn Meter lang und müssen auf der Erde komplett und senkrecht stehend in Reinräumen gefertigt werden. Die benötigte Raumhöhe stellt hier eine gewisse Herausforderung dar.

Was ist die größte Herausforderung für Menschen bei der Arbeit im All?
Eines der größten Probleme, mit denen Astronauten zu kämpfen haben, ist die psychische Belastung. Sie arbeiten über Monate hinweg in einem völlig sterilen, rein technischen Umfeld, auf engstem Raum, ohne Pflanzen, ohne Abwechslung. Das bedeutet Stress. Daher werden Raumfahrer nicht nur nach Ausbildung, Wissen und physischer Konstitution ausgewählt, sondern auch entsprechend ihrer persönlichen Eigenschaften und psychischer Stabilität.

Mit welchen Maßnahmen wird die Hygiene im Shuttle sichergestellt?
Da die gesamte Raumstation vom Schlaf- bis Arbeitsbereich eine Reinraum-Anlage darstellt, ist hier alles extrem durchorganisiert und perfektioniert: von der abgezählten, steril verpackten Kleidung über das vorgekochte, eingeschweißte Essen. Einige Bereiche sind leichter zu kontrollieren, andere weniger. So ist der Umgang mit Wasser gefährlich, da frei schwebende Spritzer nicht in die Elektronik der Instrumente und Racks gelangen dürfen. Aber auch Alltägliches wie das Rasieren wird zur Herausforderung. Hierfür hat man zum Beispiel spezielle Haar-Rasiergeräte entwickelt, die die Stoppeln direkt einsaugen.

Sie arbeiten an der TU München in der Forschung und bauen dort mit Ihren Studenten Satelliten. Welche Reinraumklassen nutzen Sie?
Da wir Satelliten ohne empfindliche optische Instrumente bauen, haben wir einen Reinraum der Klasse ISO 6.

Wie hat sich die Rolle von Reinräumen seit Ihrem Raumflug 1993 geändert?
Ich habe seit 25 Jahren Kontakt mit der Reinraumtechnologie, aber das Prinzip hat sich wenig verändert. Die Innovationen stecken eher im Detail. So wird beispielsweise heute konsequenter auf erhöhten Innendruck in den Laboren zur Vermeidung von Kontaminationen von außen und auf die Vermeidung von Spannungsüberschlägen auf elektronische Bauteile durch Luftbefeuchtung, leitende Bodenmaterialien und direkte Körpererdung geachtet.

Welchen Herausforderungen muss sich die Reinraumtechnologie in Zukunft besonders stellen?
Die Reinräume sind heute schon so gut, dass wir perfekt darin arbeiten können. Möglichkeiten zur Optimierung gibt es natürlich immer - zum Beispiel in Sachen Komfort. Denn wenn man als Astronaut monatelang auf engstem Raum ohne Grün und frische Luft arbeiten muss, ist schon die kleinste Verbesserung Gold wert.

Was sind die dringendsten Aufgaben in der Raumfahrt?
Die größte Herausforderung ist derzeit die Optimierung im Bereich der Ressourcen in den geschlossenen Prozessen auf einer Raumstation. Das ist logisch, denn alles, was im All verbraucht wird, muss von der Erde mitgebracht werden. Die Fragen sind also: Wie kann ich die verbrauchte Luft noch effektiver regenerieren? Oder:  Wie wandle ich Abwasser, einschließlich dem der Toilette, noch effektiver zu Trinkwasser um? Hier sind Innovationen gefragt.

Apropos Innovationen: Viele Technologien aus der Raumfahrt fließen in andere Industriebereiche ein. Wie sieht dies für die Reinraumtechnologie aus?
Hier ist die Raumfahrt mehr Anwender als Treiber. Wir nutzen die Technologie, die vorhanden ist und müssen nur wenig anpassen. Es gibt allerdings auch einige Bereiche, in denen die Anforderungen so hoch sind, dass wir die Branche durchaus herausfordern, vor allem wie erwähnt beim Bau von Weltraumteleskopen und bei besonders großen Reinräumen.

Auf Ihrer Website der TU München warnen Sie bei der Vorstellung Ihres Studiengangs: „Aber Achtung: Aus Erfahrung müssen Sie wegen dieser breiten Ausbildung nicht nur mit Angeboten aus der Luft- und Raumfahrt rechnen!“ Wo sehen Sie besonders große Chancen für Ihre Absolventen?
Es ist tatsächlich so, dass über die Hälfte unserer Studienabgänger nicht in der Luft- und Raumfahrt arbeiten. Lediglich etwa 20 Prozent gehen in die Luftfahrt und ebenso viele bleiben in der Raumfahrt. Der Grund ist recht einfach: Die Luft- und Raumfahrt ist eine Querschnittstechnologie par excellence. Hier kommen alle Technologien und Methoden zum Einsatz, die heutige moderne Geräte ausmachen: Mechatronik, Embedded Systems, Software, modernste Messtechnik, Hyperspektral-Sensoren, optische Instrumente, Hardware in the Loop, Projektmanagement, Systemtechnik und natürlich Reinraumtechnologie. Leute mit diesem Spektrum werden in allen Industrien mit Handkuss genommen und erhalten sehr gute Angebote, beispielsweise von Automobilherstellern. Bei uns in Südbayern gehen natürlich viele zu BMW und Audi, wo natürlich heute schon in der Entwicklung und Forschung viel in Reinräumen gearbeitet wird.

Eine letzte Frage: Wann fliegen wir zum Mars?
Im November 2046. Der Termin steht insofern fest, als sich uns nur alle 15 Jahre ein idealer Flug-Slot bietet, in dem Mars und Erde besonders günstig zueinander stehen. Die benötigten Technologien sind zwar im Prinzip bereits heute vorhanden und wir könnten insofern schon jetzt losfliegen. Allerdings wäre die Mission schlichtweg zu teuer und ungewiss, denn noch sind diese Technologien nicht alle erprobt. 2031 wird dafür zu knapp werden, denn wir müssen vorher zum Mond, um sie dort auszuprobieren. Aber 2046 ist es so weit: Nach dem Start im April/Mai 2046 und 200 Tagen Reisezeit erreichen wir im November 2046 den roten Planeten. Versprochen.

Cleanzone - Fachmesse und Kongress
Der Cleanzone Fachkongress in Frankfurt ist eine neue branchen und länderübergreifende Wissensplattform für die Reinraumtechnologie und liefert Anwendern wie Herstellern wissenschaftlich fundiertes und herstellerunabhängiges Wissen internationaler Experten. Sprecher sind unter anderem Koos Agricola (ICCCS International Confederation of Contamination Control Societies), Dr. Udo Gommel (Fraunhofer IPA), Conor Murray, (3dimension Cleanroom und Vorsitzender der Irischen Reinraumgesellschaft), Joachim Ludwig (Colandis), Gabriele Schmeer-Lioe (Institut für Textil- und Verfahrenstechnik Denkendorf) sowie Florian Dittel (Dittel Engineering).

Der Kongress findet zeitgleich zur Cleanzone statt. Die neue Fachmesse spricht alle Unternehmen und Branchen an, die Reinräume bereits einsetzen oder jetzt planen, dies zu tun. Besucher sind unter anderem Entscheider aus den Bereichen Chemie, Medizin, Pharma, Lebensmittel, Nano-, Optik- und Lasertechnologie, Mikroelektronik, Automobil, Luft- und Raumfahrttechnik. Als Aussteller präsentieren sich Hersteller von Reinraumanlagen und -technik, Baukomponenten und
Verbrauchsmaterialien, darunter Unternehmen wie BSR, CAS Clean-Air-Service, Colandis, Decontam, Dycem, Hydroflex, Kimberly-Clark, PPS Pfennig, Weiss und WISAG.


Further information


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cleanzone
Messe Frankfurt Exhibition GmbH
Ludwig-Erhard-Anlage 1
60327 Frankfurt am Main
Germany
Phone: +49 69 75756290
Fax: +49 69 757596290
email: anja.diete@messefrankfurt.com
Internet: https://cleanzone.messefrankfurt.com


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