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Robotergestütztes Verpacken flexibler Infusionsbeutel


Kein einfaches Handling

Infusionsbeutel sind eine leichte und stabile Alternative zu Infusionslösungen in Glasflaschen. Die Flexibilität solcher Beutel erfordert aber beim Verpacken ein erhebliches Know-how in der Prozesstechnik – insbesondere bei hohen Durchsätzen. Fresenius Kabi hat für diese Problematik eine speziell angepasste Verpackungsanlage im Einsatz. Der Einsatz von Robotern und Bildverarbeitung sichert dabei höchste Produktivität. Die Fresenius Kabi Deutschland GmbH, Friedberg, ist ein Tochterunternehmen der Fresenius-Kabi-Gruppe. Am Standort Friedberg produziert das Unternehmen Infusionslösungen in verschiedenen Packmitteln, z. B. Glasflaschen oder Beutel. Eine große Chance sieht das Unternehmen in seinem Freeflex-Beutel für Infusionslösungen, der frei von PVC und fl exibel zu handhaben ist. Eine vor kurzem fertig gestellte, vollautomatisch arbeitende Linie soll künftig mehrere tausend Einheiten dieser Beutel pro Stunde herstellen. Die Anlage besteht aus Leerbeutelfertigung, Abfüllung, Sterilisation und Konfektionierung. Der Prozess beginnt mit dem Verschweißen einer zweilagigen Folie zu einem Beutel. Es folgen Stationen zum Befüllen, Begasen und Konnektieren des Beutels. Die Konnektoren dienen zur Entnahme der Infusionslösung bzw. zur Zugabe von Medikamenten in den Beutel. Im Anschluss werden die Beutel in einer Umverpackungsstation in eine weitere Folienlage eingeschweißt.

Daraufhin gelangen sie über ein Bandsystem in den Sterilisationsbereich. Nach der Entnahme aus einem Autoklaven geht es wiederum über ein Bandsystem in die Konfektionierung. Für die Erkennung der Beutel ist am Beginn der Konfektionierung eine Zeilenkamera über dem Band montiert. Eine einzelne Kamera erkennt sämtliche Beutel und verteilt sie mit Hilfe einer Logistik-Software auf die Roboter – Adept-Scaras vom Typ Cobra s800. „Das Erkennen des transparenten Beutels war eine Herausforderung“, so Dipl.-Ing. Michael Frieß, leitender Projektingenieur bei dem Errichter der Anlage, Erhardt + Abt Automatisierungstechnik GmbH, Kuchen, der auch für die Installation der Robotertechnik und für die Software verantwortlich zeichnete. „Wir haben die Aufgabe gelöst, indem wir die Konnektoren an den Beuteln detektieren.“ Da einer der Konnektoren weiß ist, gab es hier anfangs Probleme mit der Erkennbarkeit. Ein weiteres Problem ergab sich dadurch, dass die Beutel nicht lagegenau auf dem Band liegen. Das System muss die Beutel also nicht nur erkennen, sondern für die Roboter auch den idealen Greifpunkt ermitteln.

Schnelle Roboter – kurze Signallaufzeiten

Die Adept-Scaras legen jeweils eine bestimmte Anzahl von Beuteln in einem Karton ab. Dabei bekommen sie nicht schon vor dem Greifvorgang sämtliche Beutel zugeteilt, sondern jeder Roboter stellt in dem Moment, in dem er frei ist, eine Anforderung für einen neuen Greifbefehl an das Bildverarbeitungssystem, das daraufhin die Positionsdaten an den Roboter schickt. Diese Vorgehensweise erfordert kurze Signallaufzeiten. Die gesamte Anlage ist dazu über Profibus und Ethernet vernetzt, eine Siemens-S-7-SPS bildet den Master.

Sollte ein Roboter ausfallen, werden die ankommenden Beutel auf die verbliebenen drei verteilt, und der vierte Roboter kann gewartet werden. Die Roboter sind dazu mit voneinander abgetrennten Schutzkreisen ausgestattet. „Wenn wir nur mit drei Robotern arbeiten, greifen die verbliebenen Geräte immer noch zwischen 95 und 97 Prozent der Beutel. Der Rest wird manuell verpackt“, so Dipl.-Ing. Axel Kretschmann, verantwortlich für den Bereich Konfektionierung in der Gesamtanlage.

Allerdings wären beim Abschalten eines Roboters die anderen drei Scaras bis an die Belastungsgrenze gefordert. Bis die Feinabstimmung passte, kam es auch schon vor, dass ein Roboter wegen Überlastung ausgestiegen ist. Jeder Karton steht auf einer Waage, die dem Roboter bei einem bestimmten Gewicht mitteilt, dass er den Karton nicht weiter beladen soll. „Diese Lösung haben wir gewählt, da wir unterschiedlich schwere Beutel produzieren. Wir haben dazu neun verschiedene Programme zur Auswahl“, berichtet Kretschmann. Die Kartons werden als Stanzteile angeliefert und in einer speziellen Station aufgerichtet. Das anschließende Befüllen und Wiegen geht zweigleisig vonstatten. Die befüllten Kartons werden zu einer Bahn  zusammengeführt, längs- und stirnseitig bedruckt sowie stirnseitig etikettiert und mit einem Beipackzettel versehen. Den stirnseitigen Aufdruck prüft eine Kamera, die Etikettierung und den Beipackzettel ein Barcode-Leser. Nach dem Verschließen gelangen die Kartons zur Palettierung.

Herausforderung Greifertechnik

Neben der Erkennung der Beutel und dem Ermitteln des idealen Greifpunkts durch die Logistik-Software gestaltete sich die Entwicklung eines geeigneten Greifsystems als eine Herausforderung. „Es brauchte eine lange Entwicklungszeit, bis wir ein Greifsystem soweit hatten, dass es den Beutel wirklich mitnimmt“, so Kretschmann. Ein Mitarbeiter arbeitete insgesamt ein halbes Jahr allein an der Konstruktion des Saugers. „Wir hatten einige Hersteller von Greifsystemen bei uns im Haus, die die Beutel zu Versuchen mit in ihre Firma nahmen“, erinnert sich Kretschmann. Ein Anbieter hätte es fast geschafft, einen funktionierenden Greifer zu entwickeln. „Diesen setzten wir zunächst sogar in der Produktion ein. Im Laufe der Zeit arbeitete der Greifer aber immer unzuverlässiger, und auch das Abscherverhalten wurde mit zunehmender Temperatur der Beutel immer schlechter. Im Endeffekt mussten wir auf unser eigenes Know-how zurückgreifen.“ Eine große Herausforderung war auch das richtige Anordnen der Sauger und die Ansteuerung der Greifer. „Wir haben hier im Werk eine hochwertige Druckluft. Normalerweise arbeiten wir deshalb mit Vakuumpumpen. Bei unserer Anwendung mit sehr vielen Saugern ergibt sich so aber eine hohe bewegte Masse am Greifkopf. Aufgrund der kurzen Zykluszeiten haben wir so natürlich ein Problem bei der Haltekraft. Wir haben uns letztlich für eine Lösung mit Venturi-Düsen entschieden“, resümiert Kretschmann. „Anfangs haben wir auch Versuche mit mechanischen Greifsystemen gemacht, die aber zu einer Beschädigung des Beutels führten. Nach dem Arzneimittelgesetz müssen wir aber sicherstellen, dass der Greifer den Beutel nicht beschädigt.“ Als nicht so einfach gestaltete sich auch die Konstruktion der Sauger. Es galt, einen Sauger zu finden, der diese flexiblen Beutel überhaupt greifen kann, und zwar so, dass die Verbindung vom Sauger zum Beutel auch bei hohen Querkräften, die bei der Beschleunigung auftreten, nicht abreißt. Erschwerend kam hier noch hinzu, dass die Flexibilität des Beutels mit steigender Temperatur zunimmt. „Nach dem Sterilisieren hat der Beutel eine Temperatur von 50 bis 70 °C, was den Greifvorgang noch erschwert“, so Kretschmann. Für ein prozesssicheres Greifen ist jeder Sauger – und es sind vierzehn Sauger insgesamt pro Greifer – mit einer eigenen Vakuumversorgung ausgestattet. Selbst wenn bei mehreren Saugern keine Verbindung zustande kommt, arbeiten die anderen unbeeinträchtigt weiter.

Einfaches Bedienkonzept

Zum Bedienen der Anlage gibt es einen Start- und einen Stopp-Schalter. Sollten beim Starten oder während des Betriebs Fehler auftreten, kann der Bediener diese mit dem Startknopf quittieren. Befand sich beispielsweise ein Bediener zu Wartungsarbeiten am Roboter und hat diesen in seiner Position verschoben, spricht die Positionsüberwachung an. Startet der Bediener die Anlage, so muss er erst durch nochmaliges Drücken des Startknopfs diesen Fehler quittieren, und die Anlage läuft fehlerfrei an. 99 Prozent aller Fehler lassen sich so beheben. Sollten Fehler auftreten, die von der Priorität her so hoch sind, dass sie sich nicht mit diesen Tasten quittieren lassen, kann noch das Ein- und Ausschalten des Systems weiterhelfen. Kommt der Bediener auch hier nicht weiter, lässt sich der Fehler meist über die Fernwartung des Systems lokalisieren. „In die Anlage ist eine Fernwartung eingebaut, die auch funktioniert“, so Kretschmann. „Das kann man bei weitem nicht von jeder Anlage behaupten.“ Mit der Fernwartung besteht die Möglichkeit, sämtliche Teilnehmer des Systems zu warten: SPS, jeden einzelnen Roboter, Bildverarbeitungssystem und Bedienoberflächen. Für die Fernwartung ist ein ISDN-Router im Schaltschrank integriert. Jeder Teilnehmer hat eine Ethernet-Verbindung zum ISDN Router und lässt sich so vom Büro des Anlagen-Errichters aus warten, der sich in den Router einwählt. Frieß kann als Betreuer der Anlage auch Parametrierungen vornehmen, z. B. Greif- und Ablegepositionen ändern. Dazu nutzt er die Anlagen-Software Explorob, die alle Anlagenteile komplett darstellt. Sämtliche Parameter der vier Adept-Scaras wie Geschwindigkeiten, Verfahrhöhen und geteachte Punkte sind mit dieser Software  einzustellen. Auch lassen sich Fehler- und Betriebsmeldungen im Detail anschauen. Die Software ist nicht anwenderspezifi sch ausgelegt, sondern über eine Benutzerschnittstelle auf verschiedene Robotertypen und Steuerungen anzupassen.

Variabel zu programmieren

„Wir hatten Roboter verschiedener Hersteller in der Erprobung. Die Eigenschaften der Adept-Geräte –Haltbarkeit und Schnelligkeit, Bandverfolgung sowie das Kamerasystem – haben uns letztlich überzeugt“, so Kretschmann. Ein weiterer Vorteil der Maschinen ist, dass die komplette Energiezuführung für den Greifer im Roboter integriert ist. Es befinden sich keinerlei Kabel oder Schläuche mehr am Roboterarm. Die Adept-Steuerung hat den großen Vorteil, dass Programmierer hier alle Möglichkeiten haben. Es ist kein fester Code in der Steuerung hinterlegt, sondern eine flexibel parametrierbare Software. Dies heißt beispielsweise für die Bandverfolgung, dass sich der Roboter einfach daraufhin überwachen lässt, ob er sich noch im Betriebsfenster befindet. Der Programmierer konnte hier mit Hilfe von Modulen ohne Probleme ein Programm schreiben, das auf allen vier Robotern läuft. Da es schon eine Anlage dieser Art bei Fresenius Kabi gibt, gab es in der Konzeptionsphase und bei der Installation keine großen Probleme. Die Herausforderung war größtenteils logistischer Natur, betraf also die Verteilung der Beutel auf die einzelnen Roboter. „Das Verteilen von mehreren tausend Beuteln in der Stunde ließ sich im Vorfeld nur schwer simulieren“, so Frieß. „Hier waren einige Abstimmungsarbeiten nötig, bis wir das Problem im Griff hatten.“

Eine Herausforderung war es, die hohe Verfügbarkeit von über 99,8 Prozent zu erreichen. „95 Prozent erreicht man schnell“, so Frieß. „Von 95 Prozent auf 99,8 Prozent zu kommen, ist allerdings ein Riesenschritt, der nur mit ausgefeilten Tests und viel Erfahrung möglich ist.“ „99 Prozent Verfügbarkeit sind theoretisch immer noch ein guter Wert“, ergänzt Kretschmann. „Bei mehreren tausend Beuteln in der Stunde wären es in unserer Anwendung dann aber immer noch einige, die letztendlich nicht gegriffen würden.“ Kretschmann zum Thema Ausschuss: „Wenn die Roboter einen Beutel nicht greifen, verpacken die Bediener diesen per Hand. Ausschuss fällt in diesem Fall nicht an. Dies passiert nur, wenn ein Roboter den Beutel greift und diesen nicht ordnungsgemäß verpackt. Hier liegen wir aber bei einer Rate von unter 0,1 Prozent.“ Zur Amortisation der Anlage braucht es keine großen Berechnungen, weiß Kretschmann: „Wir fahren den Bereich Sterilisation und Konfektionierung mit zwei Mitarbeitern. Ohne die Automatisierung wäre bei Dreischichtbetrieb eine erheblich höhere Mitarbeiteranzahl notwendig.“


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