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Risikomanagementsysteme, Sterilfertigung, Kosten senken durch Compliance

Risikomanagementsysteme, Sterilfertigung, Kosten senken durch Compliance
Risikomanagementsysteme, Sterilfertigung, Kosten senken durch Compliance


Neuigkeiten von der 16. GMP-Konferenz

Die ICH-Leitlinien Q 8 ?Quality by Design", Q 9 ?Quality Risk Management" und Q 10 ?Quality Systems" haben Eingang in die Regularien gefunden. So wird die Systematik des Qualitätsrisikomanagements (QRM) ausführlich in Annex 20 des EU-GMP-Leitfadens beschrieben. U.a. enthält dieser Annex eine Vielzahl von Methoden zur Umsetzung. Jetzt gilt es, nicht nur die Formalien zu erfüllen, sondern QRM in der Praxis anzuwenden.

Genaue Prozesskenntnis - der Schlüssel zum Qualitätsrisikomanagement (QRM)

Um die Vorteile der Qualitätsrisikomanagements nutzen zu können sind folgende Komponenten wichtig:
- Identifizierung von Risiken deren Bewertung
- vorbeugende Abwehrmaßnahmen
- Bewertung des Restrisikos
- Einbindung des Qualitätsrisikomanagements in das Qualitätsmanagementsystem
- Bewertung des Systems vs. Beurteilung einzelner Sachverhalte

Damit ist genaue Prozesskenntnis der ?Schlüssel" des Qualitätsrisikomanagements. Beispiele für die Anwendungsmöglichkeiten finden sich in allen Bereichen: ob Prozessvalidierungen, Herstellung, computergestützte Systeme, Anlagenqualifizierungen, Datenarchivierung oder Schulungen. Mögliche Qualitätsrisiken können so identifiziert und vorbeugende Maßnahmen installiert werden. Dabei fällt auf, dass die bei Bearbeitung von Abweichungen und in Risikobewertungen der Faktor ?Mensch" oft nicht ausreichend berücksichtigt und die individuellen Fehler nicht betrachtet werden.

Mittlerweile verfügen die Unternehmen über QRM-SOPs, aber wird Qualitätsrisikomanagement auch ?gelebt"? Inspektionserfahrungen zeigen: Trotz aller Vorteile wird Qualitätsrisikomanagement noch nicht ausreichend genutzt. Dabei lässt sich Qualitätsrisikomanagement nicht nur in das bestehende Qualitätssicherungssystem einbinden, sondern ergänzt dieses hervorragend. Und schnell zeigt sich, der konkrete Umgang mit Risiken und insbesondere Ereignissen stärkt die Leistungsfähigkeit eines solchen Systems. Die Nutzung von Rückkopplungssystemen ist dabei hilfreich. Dazu gehören die regelmäßige Bewertung von Risiken, die Wiederholung der Bewertung nach risikoreduzierenden Maßnahmen, die periodische Beurteilung von Risiken (Product Quality Review) sowie weitere Feedback-Mechanismen

Good Distribution Practice

Der Verteilungsprozess von Arzneimitteln, Zwischenprodukten und Wirk- und Hilfsstoffen enthält mögliche Risiken und wird von qualitätsbeeinflussenden Faktoren begleitet. In diesem Zusammenhang sei auch auf die extreme Zunahme von illegal eingeführten Medikamenten und Arzneimittelfälschungen hingewiesen. Risikominimierend wirken Maßnahmen wie
- Kontrolle der Umgebungsbedingungen (Sauberkeit, Zutritt, Lagerung und Transport)
- Identitätsnachweise zur Abwehr von Fälschungen
- Herkunfts- und Empfängernachweise
- Legalität und Verwendungszweck

Aus regulatorischer Sicht hilfreich erscheint die lang erwartete Revision der WHO Good Distribution Practices und die Richtlinie 2001/83/EG.

In der Schweiz benötigt jede Firma für den Großhandel mit Arzneimitteln, Zwischenprodukten sowie Wirk- und Hilfsstoffen in der Schweiz eine Bewilligung durch das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic auf der Grundlage des Heilmittelgesetzes. Diese Bewilligungspflicht gilt gleichermaßen für die Einfuhr und Ausfuhr sowie für Arzneimittel, die für klinische Prüfungen angewendet werden. Die Voraussetzung für die Marktfreigabe ist die sogenannte Handelsbewilligung, deren Voraussetzungen ausführlich in der Arzneimittelbewilligungsverordnung festgelegt sind. Nach Erfüllung aller gesetzlichen Voraussetzungen zur Bewilligung ergeht dann ein Inspektionsauftrag von Swissmedic an die zuständige Regionale Fachstelle, RFS. Die Bewilligungserteilung erfolgt anschließend durch die Swissmedic. Derzeit verfügen 695 Betriebe in der Schweiz über eine Bewilligung zu
- Einfuhr (inklusive und exklusive Marktfreigabe)
- Großhandel in der Schweiz (inklusive und exklusive Marktfreigabe)
- Ausfuhr
- Handel im Ausland

Zu den Schwerpunkten einer Inspektion zu diesem GDP-Regeln gehören die Lieferantenqualifizierung und die Transportvalidierung.

GMP-Aspekte von Pharmawasser

Zu den Stichworten zum Thema Pharmawasser gehören die regulatorischen Anforderungen, Praxis- und Inspektionserfahrungen, mikrobiologische Aspekte und das sog. Rouging, die flächige Korrosion auf Edelstahloberflächen. Die umfangreichen regulatorischen Grundlagen und Regelwerke der EU, USA, Japan, WHO, ähneln sich inhaltlich, stimmen dennoch nicht immer überein. Es gibt zahlreiche Normen und Guidances sowie Industriestandards im Pharmasektor, die den Stand von Wissenschaft und Technik abbilden.

Richtschnur zur Qualitätsüberwachung von Pharmawasser ist das Europäische Arzneibuch mit Angaben zu Spezifikationen, Qualitätsparametern, Prüfmethoden und Grenzwerten. Die Qualitätsprüfung durch eine Leitfähigkeitsmessung liefert offensichtlich immer wieder Diskussionsstoff in Inspektionen. Leitfähigkeitsmessung gehörte beispielsweise neben mikrobiologischen Fragen wie Biofilm, Sanitisierung und Rouging zu den Schwerpunkten bei Inspektionen der Jahre 2009/2010. Bei den inspizierten Unternehmen wird das Problem Biofilm unterschiedlich angegangen. So werden In Abhängigkeit von der benötigten Wasserqualität sehr unterschiedliche Vorgehensweisen zur Behandlung und Bekämpfung von Biofilmbildung gewählt, und eine Vielzahl von möglichen und kombinierbaren Maßnahmen angewandt.

Ein weiteres, derzeit allerdings eher im Hintergrund stehendes Problem ist das Rouging, rötliche, eisenoxidreiche Partikel auf der Edelstahloberfläche. Ein Problem für das es bisher noch keine einfache und umfassende Problemlösung gibt. Unter Berücksichtigung aller möglichen Präventivmaßnahmen ist eine Risikobewertung erforderlich, die Auskunft über die möglichen Gefahren für Mensch, Produkt und Anlage gibt. Zu den Präventivmaßnahmen gehören Prüfungen, technische Maßnahmen und das Schreiben einer Standardarbeitsanweisung (SOP) zum Thema Rougingmonitoring.

GMP-Update - Revision des EU-GMP-Leitfadens

Der EU GMP-Leitfaden Teil I wird derzeit überarbeitet. Mit der Implementierung von ICH Q 10 ?Pharmaceutical Quality System" in diese beiden ersten Kapitel des Leitfadens wird zukünftig der Schwerpunkt auf die Installation von Managementtools gelegt und das Seniormanagement wird umfassender eingebunden, als es bislang der Fall war. Verstärkt betrachtet wird zukünftig das gesamte System und dessen Schnittstellen, weit über den bislang von den Behörden erwarteten Produkt Quality Review (PQR) hinaus. Erwartet wird ein systemübergreifender Management Review, beginnend beim Einkauf bis hin zur Abgabe des Produktes. So sind im Fokus:
- Quality Management System
- Quality Assurance
- Process Performance and Product Quality Monitoring System and Product Quality Review
- Management of Outsourced Activities and Purchased Materials
- Management Review and Quality Management System
- Monitoring of Internal and External Factors Impacting the Quality Management System
- Outcomes of Management Review
- Quality Risk Management

Deutlich stärker wird darauf Wert gelegt, die ermittelten Daten statistisch mit dem Ziel auszuwerten und dahingehend zu bewerten, ob das System ausreichend und auch funktionell ist. Mit der Erweiterung des Kapitels 2 des EU GMP-Leitfades wird dem Rechnung getragen, dass Consultants verstärkt zum Einsatz kommen, und häufiger Wechsel im Produktbesitz stattfinden. Die Verantwortung der Geschäftsleitung steht stärker im Focus als es bislang der Fall war.

Die Implementierung des Qualitätsrisikomanagement stellt eine weitere Veränderung dar. Bislang war das in Annex 20 beschriebene Qualitätsrisikomanagement lediglich optional anzuwenden. Zukünftig wird mit Implementierung von ICH Q 10 die Installation eines Qualitätsrisikomanagementsystems zu den Anforderungen gehören.

Immer noch im Stadium der Revision befinden sich die Kapitel 3 und 5. Insbesondere zum Thema ?Dedicated Facilities" haben die Mitglieder der Inspectors Working Group (IWG) noch keine einheitliche Haltung. Lediglich konnte ein grundsätzlicher Konsens über die Schaffung eines toxikologischen ?Tools" zur Bewertung des Substanzrisikos gefunden werden. Bislang aber wird eine Einzelfallbewertung durch die Behörde notwendig, die eine Risikobewertung und das Urteil eines Toxikologen einschließt. Noch in Diskussion befinden sich auch Ergänzungen des Kapitels 5. Hier geht es insbesondere darum, ergänzende Regelungen zu Wirkstoffen und einigen Hilfsstoffen den bisherigen Regelungen harmonisch anzupassen und diese durch ein API-Pedigree-Concept, d.h. die Dokumentation der Lieferkette bis hin zum Originalhersteller, zu ergänzen. Die Implementierung von ICH Q 10 "Management of Outsourced Activities and Purchased Materials" in das Kapitel 7 "Auftragsherstellung und Prüfung" ist schon weit gediehen. So sind die Konsultationen zum EMA Konzeptpapier bereits abgeschlossen.

Qualitätsrisikomanagement wird auch ein Thema bei der Revision des EU-GMP-Leitfadens Teil II sein, in welchen die Prinzipien der ICH Q 9 ?Quality Risk Management" überführt werden.

Die noch ausstehende Erweiterung des EU-GMP-Leitfadens durch Teil III ist als eine Sammlung von Best Practice-Dokumenten geplant. Diese sollen die regulatorischen Anforderungen ergänzen und regulatorische Prozesse (z.B. Inspektionen) unterstützen. Dazu gehören beispielsweise Dokumente wie ICH Q 9 (derzeit Annex 20) und die Ergänzung durch ICH Q 10 (alternativ Annex 21), ein Chargenfreigabezertifikat und ein aktualisiertes Site Master File.

Fälschung von Arzneimitteln

Nach Angaben der Zollbehörden steigerte sich allein in den Jahren 2005/2006 die Anzahl der konfiszierten Fälschungen an den EU-Außengrenzen um 384 %. Vermehrt werden auch Fälschungen in der legalen Verteilerkette registriert, allerdings immer noch auf einem niedrigen Niveau. Entdeckt werden nicht nur gefälschte sog. ?Lifestyle-Pharmaka, sondern auch zunehmend lebensnotwendige Arzneimittel.

Als Reaktion auf die Zunahme der Arzneimittelfälschungen wird derzeit auf Initiative der Europäischen Kommission eine Arzneimittelfälschungsrichtlinie vorbereitet. Angedacht sind Instrumente zur besseren Erkennung von Fälschungen wie
- die verstärkte Anwendung der GMP-Regeln auf Wirkstoffe und möglicherweise auf Hilfsstoffe
- die Ausweitung der Inspektionen von Wirkstoffhändlern, insbesondere in Drittstaaten
- die Verbesserung der Sicherheitsmerkmale
- eine stärkere Verpflichtung der Großhändler (einschließlich Broker)

Noch besteht keine Einigkeit innerhalb der Arbeitsgruppe des europäischen Rates, die derzeit noch kontrovers diskutiert. Zur Auswahl und Wichtung möglicher Maßnahmen ist eine risikobasierte Vorgehensweise empfohlen. Zu bedenken sind dabei:
- Preis und Verkaufsmenge eines Produktes
- Anzahl der Fälschungen innerhalb und außerhalb der EU
- Entwicklung der Vorkommnisse in der Vergangenheit
- besondere Merkmale betroffener Produkte
- Schwere der betroffenen Krankheitsbilder
- sowie andere mögliche gesundheitliche Risiken

Nicht zu unterschätzen sind die Kosten, die bei den betroffenen Herstellern, Einführern von Arzneimitteln, Apotheken, Großhändlern entstehen. So wurde innerhalb der Rats-Arbeitsgruppe ein Umpackverbot vorgeschlagen. Eine Maßnahme, die die Kosten um 3,2 bis 4,5 Milliarden Euro erhöhen würde, zum Wegfall von vielen Arbeitsplätzen und zu Verzerrungen des Preiswettbewerbs im Gesundheitswesen führen würde. Ein Vorschlag, der schon aus diesen genannten Gründen verworfen wurde. Als preiswerte und einfache Lösungsmöglichkeit bietet sich nach wie vor die Serialsierung durch Anbringen einer fälschungssicheren Codierung mittels Radio Frequency Identification (RFID) oder Barcode an. Zu bedenken ist, dass durch diese sichernden Maßnahmen der derzeit stetig wachsende (illegale) Vertriebsweg über das Internet nicht eingedämmt wird.

Annex 1 - eine neue Epoche in der Sterilfertigung

Die neuen Regelungen zur Sterilfertigung von Arzneimitteln des Annex 1 zum EU-GMP-Leitfaden wurden im Jahr 2009 veröffentlicht. Ein Teil davon, wie die Vorschriften zum Verschließen der Vials (Capping) sind erst im Frühjahr dieses Jahres in Kraft getreten. Insgesamt wird mit diesen neuen Regelungen eine risikobasierte Vorgehensweise verfolgt. Oberstes Ziel ist dem zufolge die Risikominimierung für eine mikrobiologische, partikuläre und/oder pyrogene Kontamination der Produkte.

Es werden Qualitätsstandards wie z.B. die Einteilung in Reinheitsklassen und deren Anforderungen detailliert festgelegt. Ansonsten wird die Vorgehensweise in den betroffenen Bereichen und Abläufen nach den Prinzipien des Quality Risk Management behandelt. Mögliche Risiken sind:
- aseptische Vorgänge
- Isolatoren
- Blow-, Fill- Seal-Anlagen
- sterilisierte Endprodukte
- Personal
- Ausrüstung
- Reinigung
- Herstellungsprozesse
- Sterilisationsvorgänge
- Qualitätskontrolle

Die Änderungen des Annex 1 zum EU GMP-Leitfaden stellen tatsächlich eine neue Epoche der Sterilfertigung dar. Mit der Betonung des Qualitätsrisikomanagements wird die Eigenverantwortung der handelnden Personen gestärkt, ohne deren Handlungsspielraum durch detaillierte Vorgaben einzuschränken.

Kosten senken durch Compliance

Quality Assurance (QA) wird vielfach im Unternehmen eher als Kostenfaktor gesehen. Sie kann jedoch durch Schaffung von mehr Compliance einen großen und wichtigen Beitrag zur Kostensenkung eines Unternehmens leisten. Wichtige Voraussetzung dafür ist die organisatorische Einbindung der Quality Assurance in den Produktionsbetrieb sowie die Motivierung aller Mitarbeiter. In diesem neuen Qualitätssystem wird die bisherige konservative, reaktive Handlungsweise beim Umgang mit Fehlern und Mängeln von einer proaktiven Handlungsweise abgelöst. Das bisherige Image der Quality Assurance bürokratisch, unflexibel und damit ?Innovationsbehinderer" zu sein, ändert sich damit. Die Quality Assurance wird eng in Abläufe und Prozesse eingebunden, verknüpft mit dem Ziel, die Compliance zu verbessern und damit Einsparpotentiale zu realisieren.

Wichtig ist die Bildung von Leadership-Teams unter Einbeziehung der Quality Assurance und die Erarbeitung von übergeordneten Zielvorgaben und deren konsequente Erfolgskontrolle durch festgelegte Schlüsselgrößen. Diese Grundsätze des ganzheitlichen Verbesserungsprozesses sind nicht neu, dennoch sind sie bei Anwendung nicht immer erfolgreich. So gibt es eine Reihe von Grundsätzen, auf deren Einhaltung und Erfüllung unbedingt geachtet werden sollte. Dazu gehören:
- Festlegung klarer Verantwortlichkeiten
- Hilfe bei Änderungen
- Bericht einfordern
- alle einbeziehen
- genaue Ziele vorgeben
- erreichte Ziele über das Ziel hinaus verfolgen

Erfolge durch Ideen und Innovation müssen kommuniziert werden, damit sie in weitere Motivation umgesetzt werden.

R. Schnettler ist Leiter von PTS Training Service, Arnsberg, C. Wawretschek ist freie Mitarbeiterin bei PTS Training Service

Bild: Dr. Jürg Sommer, Regionales Heilmittelinspektorat der Nordwestschweiz, präsentierte die GDP-Regeln: Good Distribution Practice. Dieser Verteilungsprozess von Arzneimitteln, Zwischenprodukten und Wirk- und Hilfsstoffen enthält mögliche Risiken und wird von qualitätsbeeinflussenden Faktoren begleitet, die bei der 16. GMP-Konferenz am 22.-23.11.2010 in München präsentiert wurden.

 

 


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