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Partikel- und VOC-Emissionen harzbasierender Industriefußböden

Partikel- und VOC-Emissionen harzbasierender Industriefußböden
Partikel- und VOC-Emissionen harzbasierender Industriefußböden

Die Sika Deutschland GmbH brachte eine neue Generation selbstverlaufender Industriefußbodenbeschichtungen auf der Basis zweikomponentiger Epoxidharze auf den Markt. Sie wurden speziell für die Anforderungen im Reinraum entwickelt. Dabei ist eine Verringerung der molekularen Emission ? ohne Einbußen an me­chanischer und chemischer Belastbarkeit ? auf ein Dreißigstel gegenüber herkömmlichen Epoxidharzbeschichtungen realisiert worden. Die Reinraumtauglichkeit dieser Beschichtungssysteme ist durch belastungsabhängige Partikelemissionsmessungen und darauf basierender ISO-Klassifizierung belegt.

1. Reinräume und reine Bereiche

Die Trends zur Miniaturisierung von technischen Komponenten einerseits ? wie beispielsweise die Verringerung der Strukturbreiten elektronischer Bauteile in der Halbleiterindustrie ? und steigende Anforderungen an die Produktqualität in Medizintechnik, Lebensmittel- und Pharmaindustrie andererseits, führen zu stetig wachsenden Anforderungen an Produktionsprozesse und deren Umfeld. Daraus resultiert die Notwendigkeit unter ?reinen? Bedingungen zu fertigen, d.h. dass partikuläre sowie molekulare Verunreinigungen, die sich negativ auf den Produktionsprozess oder die Produktqualität auswirken, auf einem meist sehr niedrigen Niveau gehalten werden müssen.In Reinräumen und zugeordneten reinen Bereichen sind die Konzentrationen luftgetragener Partikel und luftgetragener molekularer Verunreinigungen (airborne molecular contaminations, AMC) maßgebliche Reinheitsfaktoren, die mit Hilfe konstruktiver Maßnahmen geregelt werden. Neben der Filterung sind Temperatur, Feuchte, Druck und Luftwechselrate relevante Parameter, um Kontaminationen auf dem erforderlichen niedrigen Niveau zu halten. Wenngleich die Gewichtung der verschiedenen Reinheitsfaktoren branchenabhängig ist, kann trotzdem allgemein eine zunehmende Bedeutung reinheitstauglicher Materialien beobachtet werden.Ein wesentlicher Aspekt der Klassifizierung von Reinräumen hängt von der Partikelreinheit der Luft ab und wird nach DIN EN ISO 14644 [1] in ISO-Klassen angegeben. Dabei spielen Anzahl und Größe der Partikel die entscheidende Rolle. Der Gesamtwert der luftgetragenen molekularen Konzentration einer einzelnen Spezies oder einer Kontaminantenfamilie bestimmt dabei die Klassifizierung in ISO-AMC-Klassen.

2. Molekulare Emissionen von Industriefußböden

Flüchtige Substanzen aus Werkstoffen oder aus Materialien der Produktionsumgebung, wozu auch Industriefußböden zählen, können prinzipiell ein Kontaminationsrisiko darstellen. Dass die Abscheidung von Organophosphorverbindungen und tertiären Aminen auf Wafern Schädigungen hervorruft, ist bekannt. Jedoch sind nahezu keine Erkenntnisse über die Auswirkung anderer Substanzen erhältlich. So geht man momentan den Weg, neben dem Ausschluss bekannter problematischer Emittenten die Gesamtemission auf ein Minimum zu reduzieren. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, Werkstoffe mit einer an die Problemstellung angepassten Analytik hinsichtlich ihrer molekularen Emissionen zu charakterisieren.

2.1 VOC-/AMC-Analytik

Die Methoden GC/MS bzw. GC/MS-FID sind als Analysenmethoden zur VOC-/AMC-Analytik etabliert. Die Verfahren der Emissionsmessung, im weiteren Sinne also der Probennahme und Probenaufgabe, sind dagegen mannigfaltig. Auch die DIN EN ISO 14644 schafft hier keine Klarheit, da kein konkretes Analyseverfahren vorgegeben wird. Oftmals werden hausinterne Messverfahren durchgeführt, die ganz speziell auf Fragestellungen des jeweiligen Produktionsprozesses abgestimmt und dem Materialzulieferer für den Reinraum weitgehend unbekannt sind. Im Folgenden werden einige Messverfahren kurz beschrieben: Bei der Emissionskammermessung (Abb.1) wird ein Prüfkörper in eine Kammer gegeben und seine Emission unter genau definierten und kontrollierten Parametern gemessen, wie Luftwechselrate, -feuchte, -geschwindigkeit, Temperatur (normalerweise 23°C) und Raumbeladung. Dazu wird die Emissionskammer-Atmosphäre auf einem Adsorbens gesammelt und anschließend das beladene Adsorbens mittels Thermodesorption-GC/MS (TD-GC/MS) analysiert. Parallel dazu können die Gesamtemission während der Prüfkammermessung mit einem online-FID aufgezeichnet und die Ergebnisse der TD-GC/MS-Analyse somit verifiziert werden.Das Thermoextraktions-Verfahren (Abb.2), bei der kleine Proben in definierter Geometrie und kontrolliertem Luftstrom bei Raumtemperatur untersucht werden, ist vom Prinzip her einer Emissionskammer ähnlich. Die Thermodesorption zur Analyse von Materialausgasungen ist ebenfalls weit verbreitet. Bei diesem Verfahren wird ein kleiner Teil des Prüfkörpers ? üblicherweise wenige Milligramm ? direkt mittels Thermodesorption-GC/MS analysiert (Abb.3). Vergleichsweise hohe Probentemperaturen von 90°C, wie beispielsweise in der VDA 278 [2] beschrieben, sind durchaus üblich. Bei solchen Analyseverfahren, die zum Teil bei stark erhöhten Probentemperaturen arbeiten, steht weniger das Emissionsverhalten von einzelnen Materialien während der Nutzung im Vordergrund, sondern eigentlich das ?total outgassing?. Dabei sollen die Bestandteile detektiert und identifiziert werden, die prinzipiell aus einem Material ausgasen und gegebenenfalls als ?airborne molecular contaminations? prozessschädigend sein können. Für Fußbodenbeschichtungen stellen solche Hochtemperaturverfahren, bei denen die Prüftemperatur weit über der Gebrauchstemperatur liegt, in mehrerer Hinsicht eine harte Prüfung dar. Die Probentemperatur, bei der gemessen wird, liegt weit über der Glasübergangstemperatur der Beschichtung, wodurch sich die Materialeigenschaften dramatisch verändern. Bei solchen Verfahren, bei denen die Probe in Form eines Spans aus einem Prüfkörper entnommen wird, spielt die Problematik der offenen Kanten eine große Rolle. Die Emission erfolgt in solchen Fällen über eine undefinierte Oberfläche des Prüflings, während im realen Einbauzustand eines Fußbodens die VOC-Emission nur über seine Oberfläche erfolgen kann [3].

2.2 Hauptemittenten und Emissionsminderung

Zunächst scheint es unverständlich, dass auch lösungsmittelfreie Beschichtungen, die den Stand der Technik darstellen, auf steigende VOC-Anforderungen hin entwickelt werden müssen. Denn zum einen sind die Definitionen von Lösungsmittel und VOC nicht dieselben: In der TRGS 610 [4] ist ein Lösemittel als flüchtige organische Verbindung mit einem Siedepunkt (bei Normaldruck) von £ 200°C festgelegt, wohingegen die VOC-Definition grundsätzlich alle flüchtigen organischen Verbindungen mit einem Siedepunkt von £ 250 °C einschließt [5]. Zum anderen kennt oftmals nur der Reinraumbetreiber selbst diejenigen Emittenten, die in seinem Prozess störend sind.Die VOC-Emission von Zweikomponenten-Epoxidharz-Beschichtungen wird maßgeblich von Benzylalkohol bestimmt. Durch Reaktivverdünner eingebrachte Verunreinigungen an langkettigen Alkoholen und durch Additive eingeschleppte Mengen an ?echten? Lösungsmitteln sind nicht maßgeblich [3]. Die wesentlichen Zusammenhänge und Einflussmöglichkeiten auf die Emission von Benzylalkohol zeigt die Systemkennlinie einer Modellformulierung. Hier wurden der Benzylalkoholgehalt variiert und die Emissionen jeweils mittels TD-GC/MS bei 90°C bestimmt. So kann für industrieübliche Zweikomponenten-Epoxidharz-Fußbodenbeschichtungen ein linearer Zusammenhang zwischen Benzylalkoholgehalt, Glasübergangstemperatur und Benzyl­alkohol-Emission gefunden werden (Abb. 4). Durch gezielte Neuformulierungen ist es möglich, den Benzylalkoholgehalt zu reduzieren und emissionsreduzierte, marktreife Zweikomponenten-Epoxidharz-Bodenbeschichtungen zu entwickeln. Unter weitgehender Beibehaltung der gewohnten Applikationseigenschaften kann die Gesamtemission dieser Neuprodukte gegenüber bisherigen Standardprodukten auf ein Drittel bis hin zu einem Dreißigstel abgesenkt werden.

3. Partikelemission und deren Messung

Immer dann, wenn unter mechanischer Beanspruchung von Werkstoffen oder Bauteilen Abrieb entsteht, sind diese eine Quelle für Partikelemissionen. Dies gilt naturgemäß auch für Industriefußböden, bei denen typische Belastungsszenarien wie das Befahren mit Hubwagen oder der Abrieb durch Stuhlrollen zur Entstehung von Partikeln führen. Bislang stand weltweit kein standardisiertes Verfahren zur Bestimmung der Reinheitstauglichkeit von Werkstoffen zur Verfügung. Das Industriekonsortium Cleanroom Suitable Materials (CSM), das vom Fraunhofer Institut Produktionstechnik und Automatisierung ? kurz Fraunhofer IPA ? ins Leben gerufen wurde, befasst sich mit diesen Fragestellungen [6]. Die Sika Deutschland GmbH ist seit 2005 Mitglied in CSM.Das Fraunhofer IPA hat den Prüfstand Material Inspec (Abb.6) entwickelt, mit dem standardisierte Partikelemissionstests verschiedenster Werkstoffpaarungen durchgeführt werden können. Damit kann die Reinraumtauglichkeit von Werkstoffen bewertet und ein Vergleich verschiedener Werkstoffpaarungen erzielt werden. Anhand der Messergebnisse ist dann eine Bewertung der Partikelemission in Bezug auf die Luftreinheitsklassen nach EN ISO 14644-1 möglich.Für die Untersuchung von Fußbodenmaterialien eignet sich der sogenannte Rolle-Scheibe-Test (Abb. 7) in besonderem Maße. Dieser Test simuliert die Belastung von Bodenbeschichtungen oder -belägen durch fahrbare Gerätschaften. Der Grundkörper besteht aus einer Aluminiumscheibe, die mit dem zu untersuchenden Fußbodenmaterial beschichtet ist. Der Gegenkörper besteht aus einem Polyamid-Rad, das mit einer definierten Normalkraft auf die rotierende Scheibe gepresst wird. Die unter der Belastung erzeugten Partikel werden kontinuierlich in einem optischen Partikelzähler gemessen. Aus den Versuchen lassen sich Erkenntnisse gewinnen zur Charakterisierung des Partikelemissionsverhaltens, der Größenverteilung der emittierten Partikel sowie die absolute Anzahl an emittierten Partikeln, anhand derer die ISO-Klassifizierung vorgenommen wird.

4. Fazit

Durch gezielte Neuentwicklungen können auch Baumaterialien wie Fußbodenbeschichtungen einen Beitrag zur Verminderung luftgetragener molekularer Kontamination und Partikelemission leisten. Gerade die Entwicklung emissionsarmer Zweikomponenten-Epoxidharz-Bodenbeschichtungen ist eine besondere Herausforderung, da dort der formulierungstechnisch extrem wichtige Rohstoff Benzylalkohol als Hauptemittent vermieden werden muss. Weitere Entwicklungsschritte hin zu nahezu VOC-freien Zweikomponenten-Epoxidharz-Bodenbeschichtungen wurden bereits realisiert und in marktreife Produkte umgesetzt, wobei hier komplett neue Technologien zum Einsatz kamen. Die im Industriekonsortium Cleanroom Suitable Materials (CSM) entwickelte standardisierte Methode zur Partikelemissionsmessung von Werkstoffen ist auch auf Fußbodenbeschichtungssysteme anwendbar. Dadurch ist es zum allerersten Mal möglich, die Partikelemission von Fußbodenbeschichtungen zu untersuchen und schließlich belastungsabhängig zu charakterisieren. Die Ergebnisse der Partikelemissionsmessung erlauben die direkte Einordnung von Materialien in ISO-Klassen. Damit wird Transparenz geschaffen, was dem Nutzer die Möglichkeit eröffnet, verschiedene Werkstoffe und auch verschiedene Produkte auf der Grundlage objektiver Messergebnisse miteinander zu vergleichen.Die Neuentwicklung Sikafloor 266 CR wurde bereits erfolgreich bezüglich Ausgasung und Partikelemission untersucht und vom Frauenhofer IPA als reinraumtaugliche Fußbodenbeschichtung zertifiziert.  

Literatur
[1] DIN EN ISO 14644: Reinräume und zugehörige Reinraumbereiche[2] VDA 278 (Ausgabe 2002-09) Thermodesorptionsanalyse organischer Emissionen zur Charakterisierung von nichtmetallischen Kfz-Werkstoffen[3] C. Zilg, J. Grötzinger: ?VOC-Reduktion in harzbasierenden Industriefußböden: Hauptemittenten, deren Bestimmung und Vermeidung?; 6. Internationales Kolloquium Industrieböden `07; Technische Akademie Esslingen[4] Technische Regel für Gefahrstoffe 610 ?Ersatzstoffe und Ersatzverfahren für stark lösemittelhaltige Vorstriche und Klebstoffe für den Bodenbereich, Ausgabe März 1998 BArGBl. Heft 5/1998[5] Seifert, B. (1999): Richtwerte für die Innenraumluft: TVOC. Bundesgesundheitsblatt 42(3), 270-278[6] Dr.-Ing. Udo Gommel, Fraunhofer IPA; Abteilung Reinst- und Mikroproduktion, Telefon: +49(0)711/970-1633, E-Mail: udo.gommel@ipa.fraunhofer.de  
Sika Deutschland GmbH
Als Tochterunternehmen der global tätigen Sika AG, Baar/Schweiz, zählt die Sika Deutschland GmbH zu den weltweit führenden Anbietern von bauchemischen Produktsystemen und industriellen Dicht- und Klebstoffen.

 


Sika Deutschland GmbH
70439 Stuttgart
Deutschland


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